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Pläne sind zum Ändern da

Wir waren ja sowas von bereit! Die Segel hatten wir zu unserer freudigen Überraschung noch am Montagabend, 12.5. zurück bekommen und eine Phase der Windstille (zwar mit heftigem Regenschauer, aber was solls…) genutzt, um sie noch am Abend zu montieren.

Unser Grosssegel bei North Sails in Bearbeitung

North Sails hatte die Genua sorgfältig bearbeitet und gelbe Verstärkungen an Kopf und Hals angebracht, sowie die tiefen Risse grosszügig zu geklebt. Beim Grosssegel sind wir etwas weniger begeistert; da scheint es dann (wohl auch wegen unseres Drängens) geeilt zu haben. Oder vielleicht sind sie es in Martinique nicht gewohnt, dass man auch bei einem Segel in so gutem Zustand mehr als nur das Dringendste getan haben möchte. Hauptsache aber, dass wir sie wieder haben und segelbereit sind.

Den Dienstag benötigten wir noch fürs Vorkochen, Waschen, Putzen, etc.

Auch ein letztes feines Mittagessen gab es noch in unserer Lieblingsbeiz Marin Mouillage in Le Marin. Ihr Colombo au poisson ist einfach himmlisch. Und der Gratin mit Papaya ebenso.

Am Mittwoch, 14. Mai morgens um 07h waren wir abfahrtbereit. Die Leinen mit Ruckdämpfern waren gelöst, da kam der nächste Regenschauer mit Starkwindböen. Ok, nochmals abwarten. Bei dem starken Seitenwind würde es sea magiX einfach quer auf die Mooringleinen der anderen Jachten schieben, bevor wir „bap“ sagen könnten.

Nächster Versuch eine halbe Stunde später. Motor läuft, die zweite Achterleine ist nun auch gelöst, ich habe die Mooringleine vorne in der Hand, um sie von der Klampe zu nehmen. Da tönt es vom Skipper „Wart mal kurz, ich muss nochmals die Instrumente aus- und einschalten!“ Zehn Minuten später haben wir wieder eine zweite Achterleine, die Mooringline ist wieder ganz fix und der Skipper hat sich in die Backskiste gezwängt: unsere Ruderlageranzeige tut nicht, wie sie soll. Das klingt nach verzichtbarem Luxus für Regattasegler, aber weit gefehlt: Erich, unser elektrischer Autopilot benötigt dieses Gerät, um funktionieren zu können. Not good…

Hektisch wurden die Kabel überprüft – alles ok – und dann der Geber ausgebaut. Hier zeigte die Widerstandsmessung unklare Werte. Aber wenn es nicht die Kabel sind, dann muss es wohl doch am Gerät selbst liegen. Und obwohl (oder eben weil) wir genau dieses Problem vor 5 Jahren in Zeebrugge schon mal gehabt hatten, aber auch, weil der neue Geber schon damals mehr als 300 Euro kostete, führen wir keinen Ersatz davon mit an Bord. In Le Marin gibt es 3 Raymarine-Vertretungen. Da wird doch einer davon uns weiter helfen können?! Der erste war zwar sehr freundlich und hilfsbereit, mass ebenfalls die Widerstände und war unzufrieden damit, und liess Bänz die „Raymarine Bibel“ mit den Sollwerten fotografieren, konnte aber nicht mit Ersatz helfen. Auf dem Weg zum nächsten war ich schon am Überlegen, wie wir schnell nach Fort de France kommen könnten, um dort weitere Händler abzuklappern. Aber siehe da – beim nächsten Händler klappte es schon. Er zog ohne viel Federlesens eine Schachtel aus seinem Gestell und nannte den Preis (€379)… einmal kurz schlucken und sich vor Augen führen, dass, wie Karin von der St. Raphael treffend festgehalten hatte „die kleinste Einheit bei Segelbooten €500 ist“, und wir konnten mit der Schachtel unter dem Arm im nächsten Schauer zu sea magiX zurück kehren. Der Skipper baute das Teil zügig ein und mit drei Stunden Verspätung konnten wir nach dem nächsten Schauer starten.

Im geschützten aber breiten Eingangsbereich zur Bucht von Le Marin absolvierte sea magiX dann noch ihre „sea trials“, in denen sich der Autopilot kalibriert. Das ist ein ziemlich aufregendes, unheimliches Manöver, bei dem das Boot selbst im Kreis und in Schlangenlinien fährt, bis es nach gefühlt endlosen 3-4 Minuten meldet, „learning pass“, d.h., es habe die Lernprüfung bestanden. Uff, das war ja mal noch gut gegangen!

Nach der Bucht von St. Anne gings um die Ecke und gleich ziemlich hoch an den Wind. Mit doppelt gerefftem Gross und halber Genua legte sich sea magiX auf die Seite und begann, sich durch die Wellen zu wühlen. In der Durchfahrt zwischen Martinique und St. Lucia herrscht immer konfuses Wasser wegen der Strömungen. Entsprechend heftig waren die Schiffsbewegungen, insbesondere, wenn unser frisch „renovierter“ elektrischer Autopilot Erich stur seinen Kompasskurs steuerte. Wir versuchten es auch mit unserer Windsteuerung „Leonie“. Für sie war einerseits das viele Sargassogras an ihrem Pendelruder ein Problem. Aber andererseits vor allem die starken Windschwankungen zwischen 12 und 22 Knoten. Am besten ging es, wenn wir von Hand steuerten. Das machten wir dann auch stundenlang, ausser wenn gerade wieder ein starker Schauer kam. Die nahmen aber im Verlauf des Nachmittags ab und auch die angedrohten Gewitter hielten sich brav in Wetterleuchten-Distanz zurück. Was war ich froh darüber!

Mit sechs bis sieben Knoten Fahrt rauschten wir so durch die Wellen. Es schüttelte, knallte, knarzte und ächzte. Die Welt war wieder in starker Schieflage; jede Handlung war mit Bedacht auszuführen, immer mit einer Hand für sich und nur einer fürs Boot. Unter Deck mussten wir alle Luken geschlossen halten, weil sich bei diesem Amwindkurs halt immer wieder kübelweise Salzwasser übers Deck ergoss. Somit wurde es bald richtig heiss da unten und nur schon der Gedanke, drinnen länger zu kochen, führte zu Schweissausbrüchen. Den vorgekochten Linsen-Sellerie-Eintopf genossen wir als kalten Salat am Mittag. Und das Ragout gabs dann um Mitternacht, als es nicht mehr ganz so unerträglich heiss war.

Schlafen war schwierig, trotz allmählich starker Ermüdung: zu heiss und zu holprig. Puh, zum Glück war die Strecke nicht sehr lang! Aber im Verlauf der Nacht begann sich dies als trügerischer Gedanke zu erweisen. Beim Eintragen unserer Position auf der Karte wurden die Abstände immer kleiner. Ein Blick auf die Instrumente zeigte es: wir waren teils stundenlang mit weniger als 2 Knoten über Grund unterwegs. Der Gegenstrom war deutlich stärker als befürchtet. Obwohl wir durchs Wasser preschten wie die Wilden, mit allen damit zusammen hängenden Nebeneffekten, kamen wir trotzdem nur sehr langsam vorwärts. Wenn der Wind nachliess, warfen wir jeweils besorgte Blicke auf die GPS-Anzeige: trieb es uns schon rückwärts zurück?

Frustriert stellten wir am Donnerstagvormittag fest, dass wir noch immer 120 SM nach Tobago vor uns hatten. Normalerweise etwa 24 Stunden für sea magiX. Mit zwei Knoten Fahrt über Grund würde das aber etwa 60 Stunden, also etwa drei Tage und Nächte weiter so bedeuten. Das hatten wir uns deutlich anders vorgestellt!

Es brauchte keine lange Diskussion und bald schon fielen wir um ca. 40 Grad ab auf einen angenehmen Halbwindkurs. Mit dem Strom und den Wellen nun schräg von der Seite verdoppelte sich unsere Fahrt über Grund innert Minuten und auch wenn wir weiterhin stark gebremst wurden – es passiert uns selten, dass wir uns über eine Geschwindigkeit von 4 Knoten freuen, aber diesmal war es so. Grenada, here we come!

Beim (wie immer unterwegs alkoholfreien) Sundowner gab es schon erste Blicke auf Carriacou am Horizont.

Für die Nacht bargen wir das Grosssegel wieder. Bei diesem Kurs brauchten wir es nicht unbedingt. Je näher wir den Inseln kamen, desto schwächer wurde auch der Gegenstrom. Gegen Mitternacht hatten wir die Passage an der Nordspitze von Grenada erreicht. Bemüht, nicht in den gesperrten Kreis um den noch aktiven Unterwasser-Vulkan mit dem charmanten Namen „Kick em Jenny“ zu gelangen, schlängelten wir uns bei Vollmond und nur leicht wolkigem Himmel zwischen den Felsen hindurch. Bald schon waren wir im Wellenschatten von Grenada angelangt. Wie schön, bei so ruhigem Wasser unterwegs zu sein! Abwechslungsweise schnell noch eine Mütze Schlaf geholt, dann kamen schon die Lichter von St. George in Sicht. Gleichzeitig mit dem Morgengrauen (eigentlich ein sonderbares Wort für die wunderschönen Pastelltöne, die wir so oft um diese Zeit beobachten konnten!) erreichten wir die Bucht vor St. George.

Von den 50 im Doyle angepriesenen Bojen sind nur noch 18 übrig. Eine davon war frei, direkt neben einer alten Swan, die offensichtlich vor nicht all zu langer Zeit eine Havarie erlitten hatte. Ihr Bimini hängt noch in Fetzen weg, der Radarmast baumelt verbogen über dem Cockpit und vor allem ihr Mast fehlt, ersetzt durch einen sehr professionell aufgeriggten Spibaum. Was die wohl zu erzählen hätte? Das kann nicht lustig gewesen sein!

Froh, keine solchen Geschichten zu erzählen zu haben, etwas müde aber sehr zufrieden mit unserem Entscheid machten wir an der Boje fest. Grenada war zwar eigentlich erst für unsere nächste Etappe nach der Hurricane Season geplant gewesen, aber wir wissen ja inzwischen sehr gut, dass Pläne zum Ändern da sind.

Jetzt freuen wir uns darauf, Grenada für uns zu entdecken. Die Insel wird auch Spice Island genannt, wegen ihrer vielfältigen Flora mit Gewürzen wie Muskat, aber auch Schokolade und Rum werden hier produziert. Wir sind gespannt!