Von Porto starteten wir am Mittwoch, 14.8. etwa um 10h nahe bei Niedrigwasser aber noch immer mit ablaufendem Strom. Die etwas flache Stelle kurz vor der Marina-Einfahrt passierten wir mit 3.4m, was für meine Nerven gerade noch passte. Von den für diese Zeit angekündigten 10kn Wind hatten es erst etwa 5 aus den Federn geschafft. Im Vertrauen, dass sich «Seaman Pro» von Wetterwelt doch nicht vollkommen täuschen könne, motorten wir die ersten Meilen. Gegen Mittag war das Vertrauen doch stark angeknackst, als auch zu dieser Zeit nur etwa die Hälfte des Windes da war, den wir erwarteten. Mit den inzwischen 8-10 Knoten konnten wir aber immerhin mit dem Spi etwas anfangen und Teile des Weges segeln, wenn auch mit gelegentlichen Unterbrechungen, wenn der Wind wieder nachliess und damit unsere Geschwindigkeit zu stark zurück ging. Wir waren nämlich unter etwas Zeitdruck, weil wir die Einfahrt in die Mündung von Aveiro nicht gegen den starken Ebbstrom angehen wollten, und das Hochwasser auf etwa 16.30h ausgerechnet hatten. Den ganzen Tag lang warteten wir auf die versprochenen Wind-Knoten, aber sie blieben sehr zurückhaltend. Unser Vertrauen sowohl in Wetterwelt, als auch in den portugiesischen Marine-Forecast, den wir gegoogelt hatten, wurde stark erschüttert.
Die Küste ab Porto ist zuerst noch leicht hügelig und flacht dann bald stark ab, bevor sie in einen unendlich langen, golden leuchtenden Sandstrand übergeht. Der Abschnitt heisst scheint’s Costa do Prato (Silberküste), aber zumindest im warmen Nachmittagslicht hätte «aurica» (oder wie immer auch Gold/golden auf Portugiesisch korrekt heisst) sehr gut gepasst.
Der Leuchtturm von Barra bei der Einfahrt nach Aveiro war schon weithin sichtbar, und auch die beiden kleineren Türmchen auf den Molen hoben sich bald gegen den blauen Himmel ab. Etwa eine SM vor der Einfahrt bargen wir den Spi, was jeweils bedeutet, dass Erich das Steuer übernimmt, der Skipper sich auf dem Vordeck an den Bergeschlauch hängt, und die Crew vom Cockpit aus die diversen Schoten und Falle, Spibaumhochholer, etc., bedient. Als wir wieder aufschauten und auf die Einfahrt zu steuern wollten, war sie verschwunden.
Es hatte sich eine dichte, weisse Nebelwand zwischen uns und das Land gelegt, die innert Minuten jegliche Sicht wegnahm. Im Vertrauen auf unseren Plotter und in der Hoffnung, dass sich der Nebel dann lichten würde, steuerte ich auf die Wand zu, immer mit dem Donnern der Brandung an die Mole im linken Ohr. Unser Vertrauen wurde belohnt und die Wand hob sich ein wenig, gerade als wir den Molenkopf erreichten und unseren Weg zwischen den in Scharen dahinter liegenden kleinen Fischerbooten suchten. (Anweisung des Skippers: immer drauf zu fahren!) Es war offensichtlich noch immer Flutstrom: mit mehr als 9kn über Grund rauschten wir über die Barre, an der Einfahrt vorbei und auf die Lagune von São Jacinto zu. Das war auch gut so, denn der sich lichtende Nebel hatte auch den Blick auf einen grossen Frachter freigegeben, der hinter uns ebenfalls hineinzielte, aber von zwei Schleppern bugsiert wurde, und wohl keine Freude an einem vor ihm in der Einfahrt tümpelnden Segelboot gehabt hätte.
Die Lagune von São Jacinto ist im Hafenhandbuch als «windswept» beschrieben, und so präsentierte sie sich auch für uns. Die Einfahrt ist mit Bojen markiert, von welchen die erste Grüne offensichtlich schon mal überfahren worden war; es war nur noch der untere Teil von ihr sichtbar, und daneben hatte jemand eine rote Fischerboje angebracht, was leicht verwirrend wirkte. Unser Anker griff schnell und gut und bald gab es Ankertrunk und Lagebesprechung. Eigentlich hatten wir ja Aveiro sehen wollen. Das Dorf wird übereinstimmend im Reeds und im anderen Hafenhandbuch als «well worth a visit» beschrieben. Im einen Buch wird es mit Venedig beschrieben, im anderen mit holländischen Orten. Um dort hin zu gelangen, müssten wir entweder mit Sea magiX nochmals 2-3SM flussaufwärts fahren, was beim nächsten Hochwasser um ca. 4h morgens als nächstes möglich wäre, oder mit dem Dinghi an Land, von dort auf die Fähre und von der Fähre mit dem Bus ins Dorf.
Von den Recherchen und Überlegungen ermattet schlafen wir stattdessen beide im Cockpit für ein Nickerchen ein. Abends hören wir vom Land her den Beginn der Festivitäten zu Mariä Himmelfahrt. Wir mögen trotzdem das Dinghi nicht mehr auspacken und geniessen das Geräusch von feiernden Menschen vom Cockpit aus, während sich auf dem Grill zuerst unsere Plätzli und danach nochmals feine Schoggibananen bräunen.
Angesichts der Erfahrung dieses Tages bezüglich des Winds, revidieren wir unsere Pläne nochmals. Für Donnerstag ist deutlich mehr angesagt, mit Mittelwind bei 16-20kn und Böen von teils bis 29kn, sowie in der Nacht dann noch etwas mehr. Aber für Freitag ist dann schon wieder ziemlich wenig, mit nur noch 10kn Mittelwind. Inzwischen sind wir den Angaben gegenüber etwas skeptisch geworden, haben aber wirklich keine Lust, die 150 SM von Aveiro nach Lissabon zu motoren. So entsteht ein neuer Plan, am Donnerstag mit dem stärkeren Wind zumindest mal die Hälfte des Weges, bis nach Nazaré zu segeln und dann von dort weiter zu schauen. Das bedeutet zwar, dass wir Aveiro nun doch nicht sehen werden, aber es sind immerhin ca. 80SM, von denen wir hoffen, dass wir einen grossen Teil segeln können. Und Aveiro können wir ja dann vielleicht bei einem späteren Besuch noch nachholen. Voller Tatendrang stellen wir sogar mal wieder den Wecker, um möglichst viel des Weges bei Tageslicht segeln zu können. Kommentar des Skippers: das sei eine etwas drastische Massnahme.
Als sich am Donnerstagmorgen der Wecker meldet, sind wir von unserer Idee schon nicht mehr ganz so überzeugt: es bläst in der Lagune kein Wind und dafür umhüllt uns dicker Nebel, aus dem die Luftfeuchtigkeit in prallen Tropfen von der Segelpersenning aufs Deck platscht. Um uns herum ist alles weiss. Nur ganz schemenhaft sind die Militärbasis und das Dorf erkennbar, aus dem schon wieder fröhliches Festen tönt. Ein kurzer Blick auf den portugiesischen Wetterbericht, der weiterhin an seiner Prognose festhält, und so tasten wir uns schon bald mit Hilfe unseres Tracks vom Hineinfahren am Plotter aus der Lagune. In der Hafeneinfahrt tummeln sich nun noch viel mehr kleine Fischerboote als am Nachmittag zuvor. Und die Molen sind vollgepackt mit angelnden Menschen. Wahrscheinlich ist ein Teil des Festes für Mariä Himmelfahrt auch ein Fisch-Wettbewerb. Weniger als den Besuch von Aveiro bereue ich vielmehr, dass wir dieses Fest nun doch nicht direkt mit-erleben können. Wir werden wohl nie wissen, was die rhythmischen Gesänge, Klatschen, Anfeuerungsrufe und weiteren Töne vom Land (und von der vorbeifahrenden Fähre) alle so auf sich hatten. Auf der Barre und auch danach hat sich am Eingang eine unangenehme Welle aufgebaut, welche wir zuerst mit dem Motor hinter uns bringen, indem wir hinaus ins Tiefere steuern. Der Nebel ist so dicht, dass wir kaum das Molen-Ende sehen, geschweige denn andere Boote wenn sie kein AIS hätten. Unser Radar hat nämlich seit ein paar Tagen einen Teil-Streik beschlossen und natürlich gilt der auch für diesen Morgen, an welchem wir ihn tatsächlich brauchen könnten. Wir schaffen es aber hinaus, ohne jemanden zu überfahren und können draussen bald – Oh Wunder – die ausgebaumte Genua setzen. Zuerst noch recht langsam, nach einer Stunde aber dann in ansprechenderem Tempo, gondeln wir südwärts, während Leonie steuert und sich der Nebel allmählich lichtet.
Gerade als Bänz unsere Angel-Utensilien auspackt, um mal einen ersten Fisch-Versuch zu starten, hören wir wieder das charakteristische Schnaufen von Delfinen. Schnell wird das Angelzeug wieder eingepackt. Zu schrecklich ist die Vorstellung, dass sich eines dieser Tiere an einer unserer Angeln verschlucken oder verletzen könnte. Die Delfine begleiten uns an diesem Tag öfters, abends dann in wirklich grossen Gruppen, die man auch von unter Deck fiepen hört. Es ist ein Fest, ihnen zu zu sehen, wie sie sich von unserer Druckwelle schieben lassen, teils sogar auf die Seite drehen und ihren weissen Bauch zeigen, einander vom Bug wegdrängen, dann wieder von hinten Anlauf holen und uns elegant-fröhlich überholen. Wir können uns – auch wenn sie inzwischen schon wirklich häufig und lang da sind – einfach nicht satt sehen an ihnen.
Leider hält der Wind nicht durch, wie erhofft, sondern erlahmt nach dem Mittag. Wir müssen das gemütliche Flohnerleben aufgeben und setzen den Spi, was konzentriertes Hand-Steuern bedingt bei diesen Wellen. Wir wechseln uns im Stundentakt (oder so…) ab und ich bin froh, dass Bänz gerade dran ist, als pünktlich um 16h ein paar der vermissten Knoten doch noch kommen und es auf 16-18kn aufdreht. Nach einer Stunde ist der Spuk dann wieder vorbei und ich kann bei gemütlichen 12-14kn weitersteuern. Leider nimmt er danach wieder kontinuierlich ab, so dass uns die Delfine etwas gelangweilt umkreisen, während wir irgendwann den Kampf aufgeben und wieder alles einpacken, um die letzten Meilen nach Nazaré zu motoren.
Nazaré liegt am Anfang eines Unterwasser-Canyons, wo die Wassertiefe innert weniger Meter von 34 auf 100, dann 400 und dann über 1200m sinkt (oder steigt?). Ich bin gespannt, als wir uns dem Hafen abends im schönsten Abendrot mit rosa Himmel über den weissen Häusern von Nazaré nähern. Aber man merkt nichts (wie auch – ist ja unter Wasser), ausser, dass das Echolot bei 34m Tiefe plötzlich aufhört zu messen und dann bei 75m wieder kommt. Dazwischen lag wohl eine Schlucht unter Wasser. Drinnen helfen uns zwei Franzosen sehr freundlich beim Anlegen und warnen uns, dass der Steg ein wenig «cassé» sei – sie hätten deshalb auf die andere Seite verlegt, aber für uns werde das schon gehen für diese Nacht. Nicht gerade vertrauenserweckend, aber wir erwarten keinen Starkwind heute Nacht. Wir fragen uns ja sowieso, wo die Windknoten geblieben sind. Wir geniessen noch kurz die klare Sternen-Nacht (beim Einlaufen in den Hafen gabs noch ein kurzes Rennen mit einer Nebelbank, das wir gewannen), dann wird nochmals Wetter studiert und schon bald ist Ruhe im Schiff.