Auf sea magiX scheint alles OK. Ihr findet eine neue Position mit kurzem Kommentar von Bänz auf den Karten.
Die Schreibmotivation bei Uschi scheint kein Ende zu finden. Dies ist ein gutes Zeichen. Wenn man auf Langstrecke auf einem Schiff lange am Notebook texte schreiben kann, dann stimmen sowohl die Bedingungen, als auch das Wohlbefinden und natürlich die Motivation.
Mit 110 Seemeilen Restdistanz erwarte ich die Ankunft von seamagiX in Mindelo, Sao Vicente-Kapverden Morgen Vormittag oder gar kurz nach Anbruch des Tageslichtes. Die Windbedingungen werden immer moderater, so dass der Landfall keine aussergewöhnliche Herausforderung bieten wird. Mit etwas Glück schaffen es Bänz und Uschi auch noch mit dem Restwind, denn ab Morgen Mittag/Nachmittag werden die Winde immer schwächer und es ist nicht mehr so sicher, dass es sich segeln lässt. Da haben Uschi und Bänz die Entwicklung vor Tagen bereits auf den Kanaren richtig eingeschätzt und sea magiX profitiert jetzt von der zügigen Abreise damals.
Auch heute erreicht mich wieder ein Text, dessen Titel mich jedoch erst erschaudern liess. Ich vermute jedoch, dass es nicht so brutal werden wird und wünsche kurzweilige Lektüre. Ich mache ich gleich auch dahinter. Nachfolgend der Text:
Schöne Grüsse
Paddy
Der erste Tote an Bord
Mo., 23.12. Ich sitze im T-Shirt mit dem Laptop im Cockpit… das sagt wohl schon einiges über die momentanen Wetterverhältnisse aus. Am frühen Morgen begann sich der Wind und damit die Wellen etwas zu legen. Die Böen mit mehr als 30kn waren schon in der Nacht seltener geworden, aber seither bewegt sich der Mittelwind um die 5 Bft und die Böen gehen nur noch selten an die obere Grenze von 6. Damit haben sich auch die Wellen etwas beruhigt und somit auch die Chance, dass sie bis ins Cockpit spritzen, stark reduziert.
Vorhin haben wir etwa eine Stunde damit verbracht, das Cockpit von der klebrigen und teils fast millimeterdicken Salzschicht zu befreien. Salz ist überall, auf jeder Fläche, an jeder Stange, an jeder Schote, auf und unter dem Sprayhood, auf den Cockpitbänken, auf unseren Kleidern und Schuhen, in unseren Haaren und natürlich auch auf unserer Haut. Auch wenn die Wellen nicht mehr literweise Salzwasser ins Cockpit spülen, so ist die Luft doch stark salzig, was man vor allem nachts im Licht der Stirnlampe sehr gut sieht, wenn der Eindruck entstehen kann, es sei neblig oder niesle sogar. Kaum ist die Lampe aus, ist der „Nebel“ oder „Nieselregen“ weg: das ist nicht Nebel, sondern salziges Sprühwasser.
Wir wischten aber nicht nur die Salzkristalle von Bord, sondern auch die Spuren eines dramatischen Todeskampfes. Ich sass friedlich in der 03h-Wache in meiner Ecke im Teilschutz des Sprayhoods und freute mich über die Wolkenformationen, die alle möglichen Gestalten hervorbrachten, während sie der noch immer hell leuchtende Halbmond in Szene setzte. Da war ein knuddeliger Teddybär, ein Dromedar und am schönsten fand ich das „Hippygspängschtli“, das da gerade vorbeizog. Plötzlich knallte es an meiner linken Schulter und gleich darauf zappelte etwas wie wild auf dem Cockpitboden. Ein grosser fliegender Fisch hatte sich in seiner Flugbahn verschätzt und war im Schiff gelandet. Bis ich aus der Pantry mit einem grossen Kochlöffel zurück gekehrt war, hatte er sich erfolgreich in den Radsumpf manövriert, der zwar bei diesen Verhältnissen oft mit Wasser gefüllt ist, aber zu schmal für einen 20 cm-Fisch mit breiter Flügelspanne. Während sea magiX gefühlt gerade besonders stark hin und her rollte, lieferten sich der Zappelfisch und ich ein „Fangis“ um den Radstand. Bis ich ihn mit der Kelle endlich erwischte und aus dem Sumpf fischen konnte, waren seine Kräfte stark erlahmt. Und um ihn dann noch über Bord zu spedieren brauchte ich nochmals mehrere Anläufe. Es gelang mir leider erst, als er sich nicht mehr bewegte und ich annehmen musste, dass er diese Expedition nicht überlebt hatte. Bei Tageslicht wurden die Spuren seines tragischen Kampfes sichtbar: überall klebten seine schönen, filigranen Schuppen. Mit Bedauern wischten wir nebst den Salzkristallen heute Morgen eben auch diese weg. Und nahmen uns vor, in Mindelo ein geeigneteres Instrument zur schnellen Rettung todesmutiger Flugakrobaten zu suchen. Vor fünf Jahren lag für eben diesen Zweck ein grosser Löffel im Cockpit bereit. So etwas müssen wir wieder finden.
Unterdessen nähern wir uns gemächlich den Kap Verden. Wir hoffen, dass uns der Wind bis morgen treu bleibt, damit wir noch im Verlauf des morgigen Tages ankommen können. Nachts wäre es aber auch möglich, nur steht im „Atlantic Islands Pilot“ von der RYCA, man solle sich nicht zu sehr auf die Lichter verlassen, da sie nicht unbedingt immer alle funktionsfähig seien. Und: wir haben für die Kap Verden „nur“ traditionelle Papierkarten, d.h. keinen elektronischen Plotter. Also Navigation auf ganz traditionell, wie früher. Das ist eigentlich kein Problem, so lange die Leuchtfeuer als nächtliche Orientierungshilfen tatsächlich dort sind, wo sie gemäss Karte sein sollten. Und da kommt wieder der Atlantic Islands Pilot ins Spiel… Aber das wird schon klappen, wenns sein muss.
Aus Sicht der Versorgung und des Zustands von Schiff und Crew könnten wir durchaus auch diesmal – wie vor 5 Jahren – ohne Halt weiterfahren. Zum Glück stellt sich die Frage diesmal nicht so direkt, denn gemäss Wetterbericht kommt etwa ab morgen Nachmittag ein Flautenloch. Aber auch ohne diese Entscheidungshilfe würden wir wohl den Halt auf den Inseln beschliessen – wir sind sehr gespannt auf sie. Und es besteht die Hoffnung, dass wir die SY Maxi und ihre Crew Baba und Röbi und weitere Segel-Freunde dort treffen könnten.
Bezüglich Versorgung zehren wir noch immer von den vorgekochten Menüs, von denen heute Abend das letzte auf dem Speiseplan steht. Die Kartoffeln, Süsskartoffeln und Zwiebeln unter den Bodenbrettern halten sich brav still. Im Kühlschrank lagern noch viele Rüebli, Lauch, ein Stück Sellerie und schöne Cocobohnen. Genug für nochmals etwa eine Woche abwechslungsreiche Essen mit frischem Gemüse. In unserem wunderbar gepolsterten Früchte- und Gemüsenetz hängen noch immer zwei Peperonis, vier grüne Gurken, etwa 8 Tomaten und 5 Orangen. Und in den Früchteschalen liegen auch noch etwa fünf Äpfel und drei Bananen. Es hat sich alles bisher trotz der konstant warmen Temperaturen gut gehalten. Besonders bewährt hat sich die geniale Idee von Helge von der deutschen Yacht „Thea“ mit der Polsterung des Gemüsenetzes. Wir hatten ja vor fünf Jahren festgestellt, dass die Früchte und das Gemüse daran litten, dass sie vom grobmaschigen Netz an den Auflagestellen beschädigt wurden. Meine Bemühungen, das grobmaschige Netz durch die feinen Gemüsesäckchen aus den Supermärkten zu ersetzen, waren nur teils erfolgreich, denn das Obst und Gemüse lag weiterhin mindestens teilweise auf bzw. im groben Netz auf. Ich studierte deshalb über eine geeignete Polsterung des Netzes nach, und da kam Helge mit der Idee der Ventilationsmatten unter den Kojen. Auf der Suche nach etwas ähnlichem, aber weniger teuren im Chinaladen von San Sebastián waren wir dann fündig geworden: mit zwei Filtermatten von 50×60 cm für Dampfabzüge à je €1.35 konnten wir unsere wertvollen Nahrungsmittel perfekt luftdurchlässig und doch weich im Netz unterlegen. Sie danken es uns jetzt mit langer Haltbarkeit. Nur… heisst das jetzt, dass wir in Mindelo die lokale Küche nicht ausprobieren gehen dürfen, weil uns sonst der eigene Vorrat doch noch verfault? We’ll see!
Jetzt freuen wir uns vorerst mal auf eine hoffentlich weiterhin problemlose Fahrt und dann vielleicht auf eine Ankunft an einem spannenden neuen Ort innerhalb der nächsten 24 bis 36 Stunden.