Um uns herum türkisblaues Wasser, über uns blauer Himmel mit weissen Passatwolken, vor uns der lange Palmen- und Mangrovenstrand nördlich von Port St. Louis auf Guadeloupe. Sea magiX tanzt in der Morgenbrise an ihrer langen Ankerkette. An Bord wird repariert (zum x-ten Mal bemüht sich der Skipper, unser Backbord-Navigationslicht wieder zum Leben zu erwecken. Das Kabel zum Lämpchen ist bis weiter hinein oxidiert als bei der vorherigen Reparatur angenommen), administriert (da wir im Juni über Heathrow in die Schweiz zurück fliegen und Airlines wechseln müssen, brauchen wir ein ETA) und endlich auch wieder geschrieben. Die lange Berichtspause seit unserer Ankunft auf Barbados und dann Martinique ist Symptom unserer momentan erlebten diversen Rhythmuswechsel.

Während die Stammcrew für einige Wochen zurück in der Heimat intensive Arbeits-, Familien- und Sozialleben-Wochen erlebte, segelte der Skipper mit lieben Segelfreunden Sabrina und Manfred und danach mit Anouk in 3- und 2-Wochentörns zwischen Martinique, Dominica, Guadeloupe und Antigua hin und her.

Für uns beide waren das ungewohnte Rhythmen und wir erlebten sie beide als bereichernd und schön. Einmal mehr zeigte sich der Wert von Kontrasten und Vergleichsmöglichkeiten, um Erlebtes überhaupt bewusst wahrnehmen und schätzen zu können. Unser Unterwegssein in diesen paradiesischen Gewässern ist ein wunderbares Privileg. Und gleichzeitig wird es für uns noch viel schöner durch das Bewusstsein, ein friedliches und sicheres Zuhause und wertvolle soziale Wurzeln zu haben.
Am 6. April kehrte ich der frühlingshaften Schweiz erneut für die nächsten 2 Monate den Rücken und wurde in Fort de France vom Skipper und Anouk am Flughafen mit einem wunderschönen Bouquet von Roses de Porcelaine abgeholt. In meinem Reisegepäck: das Flexiteak für den Cockpitboden, mehrere Tuben Sikakleber, diverse Ersatzteile und nur ein ganz kleines Säckchen mit persönlichem Material. Ich war froh, dass die Tasche zwar spät aber doch ankam – eine Aufzählung ihres Inhalts am Lost and Found Schalter wäre aufwändig gewesen und hätte für erhobene Augenbrauen gesorgt.
Anouks letzten und meinen ersten Tag auf Martinique verbrachten wir mit dem Mietauto unterwegs auf der Insel, nutzten es gleich, um den alten Aussenborder seinen neuen Besitzern zu bringen, in Le Marin die Chandleries zu besuchen und fein zu Mittag zu essen, und am endlosen Palmenstrand von Les Salines baden zu gehen. Knapper als geplant, aber doch noch rechtzeitig, brachten wir Anouk dann zum Flughafen und waren froh, dass es ihr trotz des Staus unterwegs auf ihren Flug reichte.
Für Bänz und mich begann damit die nächste gemeinsame Etappe, in der wir die Antillen besuchen und auf anfangs Juni sea magiX für die Hurricane Season auf Trinidad in Sicherheit bringen wollen.
Die ersten zwei Tage in der Marina Z’Abricot bei Fort de France verbrachten wir mit dem Bearbeiten einiger Pendenzenpunkte auf der ewigen Liste: der Wassertank bekam eine neue Füllstandsanzeige, was nach einer kurzen Sache klingt, aber mit mehrstündigem Aufwand verbunden ist, zumal ich die Gelegenheit gleich nutzen wollte und die Bilge und alle Bodenbretter mal wieder mit viel Süsswasser und Putzmittel durchputzte. Auch das Einziehen eines neuen Kabels für Gisela, unsere Wassergeneratorin, klingt nach einem einfachen Einsatz. Aber auch dies ist ein gutes Beispiel für den Grundsatz, dass auf einem Schiff kaum je etwas „nur mal schnell“ gemacht werden kann. Um das alte Kabel aus- und das neue einziehen zu können, muss die ganze Rumpelkammer ausgeräumt werden, die Deckenleiste abgeschraubt werden und in die Backskiste hinunter gestiegen werden, um dort das Kabel am richtigen Ort (natürlich ohne es zu sehen) bewegen und fixieren zu können.
Die sicher wichtigste Pendenz war, die Ankerwinsch zu warten. Der Skipper zerlegte und schmierte sie mit viel Hingabe und schimpfte nur wenig, als es darum ging, das schwere Teil über Kopf in der Vorschiffskoje liegend wieder dicht zu montieren, während einer der üblichen Schauer über uns hinweg zog. Neben den alltäglichen Aufgaben wie Wäsche waschen und Einkaufen stand noch zusätzlich ein Spezialthema auf dem Programm: ich durfte das neue Dinghy mit dem neuen Motor in der riesigen Bucht von Fort de France ausprobieren. Und es ist tatsächlich so: das Teil kommt wirklich schnell ins Gleiten… 😊 Das anschliessende An-Bord-Hieven des 9.8 PS-Motors gelang leichter als erwartet und somit verlor die von mir gestellte Bedingung, dass wir einen Galgen benötigen werden, um ihn hoch zu heben, etwas an Dringlichkeit. Dafür spazierten wir in der Marina über die Stege und schauten uns die diversen Heck-Konstruktionen an. Vielleicht macht es Sinn, in Trinidad gleich so etwas machen zu lassen? Wir haben jedenfalls alle möglichen und unmöglichen Varianten gesehen und werden schauen, was aus unserer Sicht dann Sinn macht.
Ein kurzer Besuch in der Stadt Fort de France gab Gelegenheit, die farbenfrohen Strässchen und Street Art zu besichtigen.
Nach zwei Schiffsarbeitstagen (bei 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit, im Schiffsrhythmus. Eben, „schnell mal…“ gibt es nicht an Bord) legten wir am Donnerstag, dem 10. April von Z’Abricot los und segelten mit böigem halbem Wind der Westküste von Martinique entlang nach Norden. Die Bucht von St. Pierre war eigentlich unser Ziel gewesen, aber weil es gerade noch ein wenig Wind hatte, segelten wir bis ganz im Norden der Insel und ankerten wild-romantisch vor/in der Anse Céron. Die Anse formt nur eine ganz flache Bucht, bietet aber bei Ost- und Südostwind genug Schutz vor dem meisten Schwell. Mir war es zwar etwas unheimlich, weil der Wind, abgelenkt durch die hohen Pitons, recht stark auflandig blies, aber der Anker hielt und wir konnten alleine einen wunderschönen Sonnenuntergang geniessen.
Tags darauf gings bei 10 – 15 Knoten halbem Wind weiter nordwärts. Unser Ziel: an der Luvseite von Dominica vorbei nach Marie Galante. Diese wegen ihrer flachen, fast runden Form auch „La Galette“ genannte kleine Insel südöstlich von Guadeloupe wurde in unseren vergangenen Reisen hier in den Antillen zu einem unserer Lieblingsorte. Wir erreichten sie kurz vor Sonnenuntergang nach einem sehr schönen Segeltag am Freitagabend und konnten im Dämmerungs- und Vollmondlicht einen Ankerplatz in der grossen Bucht von St. Louis finden.
Marie Galante bleibt weiterhin einer unserer Lieblingsorte in dieser sowieso schon paradiesischen Gegend. Endlose, weisse Sandstrände, Palmen, wenig Charterboote (weil es etwas östlich, d.h. in luv von den anderen Inseln liegt) karibisch-entspannte Menschen, französischer Kulturkreis – einfach schön. Beim Spaziergang entlang dem Strand wurden wir vom Koch eines Gelegenheitsbeizleins zum Mittagessen bei ihm überredet. Direkt am Sandstrand, im Schatten „seines“ Baums schlugen wir uns die Bäuche voll. Eigentlich hatten wir ein wenig wandern und uns bewegen wollen, aber es war trotz der Brise einfach zu heiss.
Gegen Abend machte sich der Samstag bemerkbar: vom Strand her schallte sehr laute elektro-„Musik“ über die ganze Bucht. Wir verlegten ein wenig weiter weg davon, so dass wir uns im Cockpit wieder verständigen konnten und waren froh, als der Wind ganz leicht drehte und den Lärm (es war eindeutig nicht unser Musikstil) weniger direkt in unsere Richtung trug. Schade – die Stimmung hätte so wunderschön friedlich sein können.
Ich hätte gerne noch mehr Tage auf Marie Galante verbracht, aber ein grobes Überschlagen der uns verbleibenden Zeit, bevor wir in Trinidad sein wollen, kombiniert mit den momentanen Gezeiten, lieferten die Argumente für ein Weiterziehen. Deshalb hoben wir am Sonntagmorgen, dem 13. April, früh bei Tagesanbruch den Anker und segelten weiter nordwärts. Unser Ziel: die noch kleinere Insel La Désirade südöstlich von Guadeloupe. Vor einigen Jahren waren wir dort mit Peters X-382 Sparti Vento gewesen und hatten mit etwas Glück und sehr wenig Wasser unter dem Kiel die Hafeneinfahrt geschafft. Beim Hinausfahren waren wir dann einer kleinen Fähre gefolgt, aber auch da benötigten wir das Hochwasser, um über das Eingangsriff zu kommen. Deshalb war ich diesmal etwas skeptisch, denn auch bei Hochwasser würden wir nur etwa 50 Zentimeter unter dem Kiel haben und diesmal kamen wir bei Südostwind, d.h. auflandigem Wind und Seegang daher. Wir waren schön rechtzeitig kurz nach Mittag vor der Einfahrt, bei hohem Sonnenstand und somit guter Sicht auf die Riffs. Vorsichtig näherten wir uns der ersten roten Boje (im Doyle steht, „kissing them“).

Die Wellen rollten unaufhörlich von hinten an und hoben und senkten sea magiX. Der Wind drückte uns ebenfalls hinein. Ich hatte schon zuvor kalte Füsse bekommen, aber bei der Boje wurden sie allmählich tiefgefroren. Der Skipper tastete sich langsam weiter vor – das Echolot zeigte noch 2.8m und das Wasser wurde nicht ruhiger. Sollten wir das Risiko eingehen? Sicherheitshalber hatten wir auf Petite Terre, einem als Naturpark geschützten Korallenatoll 7 SM südlich von La Désirade eine Übernachtung reserviert. Ob es mein Argument war, dass es da ja auch sehr schön sei, oder wirklich nur „dem Frieden zuliebe“; der Skipper drehte jedenfalls nach einigen Minuten unser wendiges Boot auf dem Teller und schlängelte sich zurück in tieferes Wasser. Mein Puls brauchte noch einige Zeit, um wieder auf ein normales Niveau herunter zu kommen, aber die knappe Stunde Halbwindsegeln zurück nach Petite Terre, vorbei an sich sonnenden Schildkröten, war sehr erholsam.

Auch die Einfahrt zwischen die zwei Sandhaufen von Petite Terre führt über wenig Tiefe, aber sie liegt im Nordwesten und somit in ganz ruhigem Wasser bei den üblichen Windverhältnissen. Um die Korallen zu schützen, und auch die Anzahl Schiffe vor Ort zu regulieren, ist man dort verpflichtet, an einer Boje festzumachen. Zudem liegt der Ankerplatz im Durchgang zwischen den beiden Sandinselchen und es herrscht starker Strom wie in einem Fluss. Tagsüber bis 16h liegen hier viele Ausflugs-Motorboote aus dem nahen Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe, aber danach kommen nur noch ein paar Segler (vor allem Kats mit weniger Tiefgang) wie wir hierher und geniessen die Abendstimmung. Pünktlich um 16h (wir hatten ab 16h die Boje reserviert) schnappten wir uns eine der soeben frei gewordenen, zogen schnell die Schnorchelsachen an und schon gings an den Strand, um noch das Abendlicht für das Inselchen zu haben. Auf Petite Terre wimmelt es von Leguanen, diversen Vögeln, Krebsen mit Schneckenhäusern und vielen Fischen. Im seichten Wasser am Strand sonnte sich ein kleiner Hai und beim Hinüberschwimmen schwebte ein Rochen mit „Begleitfischchen“ unter uns vorbei. Wunderschön!
Zurück an Bord genossen wir den Ankertrunk im Cockpit, während das Wasser an der Bordwand gurgelte und die Vögel den Tag verabschiedeten. Paradiesisch! (Und was war ich froh, dass uns am nächsten Morgen nicht eine weitere Zitterpartie bei der Ausfahrt bevorstand, wie das auf La Désirade gewesen wäre… 😊).

Der Passat blies weiterhin aus eher südöstlicher Richtung mit 10-20 Knoten. Wir wollten uns der Luvseite von Guadeloupe entlang weiter nordwärts blasen lassen. Wie schon so oft hatten wir ordentlich Gegenstrom und kamen bei dem räumlichen Kurs nicht recht voran. Eine Gelegenheit für den Gennaker. Kaum stand der, pendelte sich der Wind auch wieder eher bei 15 als bei 10 Knoten ein. So wurde es eine rasante Rauschefahrt entlang der felsigen Ostküste der Schmetterlings-Insel, dann oben um die Ecke und wieder wenige Meilen südwärts im jetzt ganz glatten Wasser.
In der Anse Bertrand setzten wir den Anker ein erstes Mal. Der Kontrollblick mit der Schnorchelbrille ergab aber, dass er auf dem harten Boden nur obenauf lag und uns wohl nur durch sein Gewicht und das Gewicht der Ankerkette hielt. Wir verlegten deshalb für die Nacht nach dem ersten Abkühl-Schwumm ein wenig weiter nach Süden vor den Badestrand von Port St. Louis, wo die Sandschicht etwas dicker war.
Am Dienstagmorgen ging es dann nochmals ein paar hundert Meter weiter bis in den Süden des kleinen Hafens von Port St. Louis, wo der Anker sich wirklich tief eingraben konnte. Das war uns wichtig, denn wir wollten sea magiX für einige Stunden alleine lassen und mit dem (coolen, schnellen, neuen) Dinghy die 13 SM durch die Rivière Salée nach Point-à-Pitre sausen.
Die Fahrt über das Riffgebiet vor dem Mangrovenkanal war abenteuerlich und salznass, dann auf dem glatten Wasser sehr schnell und schön. In Pointe-à-Pitre gab es einen kleinen Einkauf, ein sehr feines Mittagessen und die Möglichkeit, in der Marina die Out-Clearance ausdrucken und stempeln zu lassen. Auf dem Rückweg suchten wir einen etwas geschützteren Weg neben dem Bojenkanal, mussten uns aber gelegentlich über wenige Zentimeter Wasser tasten, bevor es ins offene, tiefere und bewegtere Wasser zurück ging. Durchgeschüttelt und fröhlich kamen wir rechtzeitig vor dem Eindunkeln wieder zu unserer brav am langen Anker hängenden sea magiX zurück. Die Vorzüge des neuen Dinghys mit seinem hohen Bug und dem stärkeren Motor, mit dem wir zu zweit auch bei wenig Gas ins Gleiten kommen, waren sehr deutlich unter Beweis gestellt worden. Und: wir hatten viel Spass gehabt 😊.
Weiter gings nach Norden nach Antigua: einmal mehr stand uns nach den wunderschönen 55 SM Halbwindkurs eine knifflige Passage mit auflandigem Wind bevor. Perfekt getimed, etwa um 14h bei hohem Sonnenstand dirigierte uns der Skipper zwischen den Riffs bei Bird Island und Long Island an der Nordostseite von Antigua hinein. In dem klaren Wasser waren die Riffs, um die wir kurvten, sehr schön sichtbar. Und zudem konnten wir dem Track in umgekehrter Richtung folgen, den Bänz gemeinsam mit Manfred und Sabrina bei ihrer Ausfahrt an der gleichen Stelle schon gelegt hatten. Trotzdem – ich finde solche Durchfahrten mit nur ganz wenig Wasser unter dem Kiel immer wieder ziemlich aufregend. Ob ich mich je daran gewöhnen werde? Wahrscheinlich bräuchte es mehr Wiederholungen, als sogar wir mit unserem grosszügigen Zeitbudget je erreichen werden.
Es ging schnurstracks zur Werft auf der Crabb Peninsula, denn hier ist auch ein Zollbüro, wo man mit viel weniger bürokratischem Getue als in Jolly Harbour zwischen 08h und 16h ein- und ausklarieren kann. Der Mitarbeiter von der Port Authority, der bis 16h hätte dort sein sollen, hatte zwar um 14:30h schon Feierabend gemacht und musste zurückgeholt werden, aber das klappte dann doch auch noch und wir konnten noch rechtzeitig vor dem Abend von dem zwar farblich unglaublich schönen, aber sonst wenig romantischen Werftankerplatz in die Jumby Bay hinter Long Island verlegen. Umgeben von schützenden Riffs lagen wir auf 3.5m Tiefe so ruhig und sicher wie in Abrahams Schoss. Ein wunderschöner Ort!
Long Island ist im Privatbesitz eines Luxusresorts, wo man auch als Aussenstehender essen gehen kann, wenn man sich das leisten will. Gemäss Doyle kostet ein Dinner Pass pro Person USD 300 und ein Day Pass USD 500… Da war uns unser Kartoffel-Lauch-Tartiflette-Abendessen für total ca. 15 USD bei schönstem, ruhigem Sonnenuntergang und entspanntem Glucksen der Wellen doch einiges mehr wert.
Auch an diesem Ankerplatz hätten wir es noch lange ausgehalten, aber Antigua hat viel Schönes zu bieten. Zudem hatten wir eigentlich auch noch Barbuda auf unserer Bucketlist, beschlossen dann aber, den Besuch dort im Norden auf die nächste Saison zu verschieben, um mit etwas mehr Zeit hier auf Antigua unterwegs sein zu können. Nur mit der Genua liessen wir uns zwischen Festland und Prickly Pear Island hindurch blasen (das Echolot zeigte immer mehr als 3.6m… Zitat Skipper: «Was gibt es denn da zu nervöseln?»), vorbei an dem winzigen Inselchen mit eigener Bar, und um die Ecke nach St. Johns. In der Barrel Bay am Eingang zur grossen Bucht von St. Johns fanden wir wieder einen perfekten Ankerplatz, von wo aus wir mit dem Dinghy zur Hauptstadt fahren konnten.
Direkt vor dem Fischmarkt fanden wir längsseits an einem Wrack ein Plätzchen für unser braves Annexe und gingen auf Erkundungstour um den Markt und zum Supermarkt. Hinter der Busstation, an der es wie üblich wuselte, nahmen wir ein paar Seitensträsschen, um zum Supermarkt zu finden und fanden uns im wohl ärmsten Quartier von St. Johns wieder, wo es vor allem Bretter- und Wellblechbuden, einen Gemeinschafts-Wasserhahn am Strassenrand und wie so häufig auf dieser Insel sehr viel herumliegenden Abfall gibt. Ob es daran lag, dass der Gründonnerstag wie ein Samstag vor dem Feiertag wirkt, oder courant normal war – überall hingen die Menschen herum, rauchten Gras und tranken Carib und warfen ihre leeren Bierflaschen hinter sich in den Dreck. Wir kehrten mit gemischten Gefühlen zum Boot zurück – ganz so hoffnungslos verarmt, verlottert und ungepflegt hatten wir Antigua nicht in Erinnerung gehabt.
Zurück beim Boot wollten wir noch vor dem Eindunkeln die zwei Seemeilen um die Ecke motoren, um in der Deep Bay ankern und mit besserem Gefühl im klareren Wasser baden zu können. Das Wasser in unserer sonst wirklich tadellosen Ballast Bay war sehr trüb – ob wegen des nahen Industriehafens oder einfach von aufgewirbeltem Sand war unklar. Beim Motorstarten wollte ich im Leerlauf wie üblich einen kleinen Gasschub geben, aber da reagierte nichts. Nanu? Zweiter Versuch, während der Skipper vorne schon daran war, den Anker zu heben… Nee, da konnte ich am Gashebel rumfummeln soviel ich wollte – es gab kein Gas. Ankeraufmanöver gerade noch rechtzeitig abgebrochen (Beide Segel hatten wir schon bei der Ankunft gut in ihren Persennings gegen die aggressive Sonne verpackt – das hätte ohne Anker und ohne Motor ziemlich aufregend werden können.) Ein schneller Blick des Skippers in den Motorraum genügte: Gaskabel gerissen. Offenbar glücklicherweise erst während oder nach dem Ankern vor wenigen Stunden. Und jetzt? Nun, ein neues Gaskabel konnten wir – wenn überhaupt – dann am ehesten in Jolly Harbour bekommen; 6 SM im Süden. Es war inzwischen 17:30h und um 18:30h wird es hier um diese Jahreszeit dunkel. Schnell riggte der Skipper eine dünne „Gasleine“ auf, führte sie durchs Cockpitfensterchen hinauf und los gings. Zügig gings an der schönen Nordwestküste von Antigua vorbei. Wir erreichten die Bucht von Jolly Harbour in der Dämmerung, fuhren mit relativ hoher Geschwindigkeit an einen für den herrschenden Südostwind guten Platz, Anker runter, hält, geschafft! Den Sundowner gabs dann halt erst im Dunkeln.
Am Karfreitag ist auf Antigua Sonntagsfeiertag. Mit wenig Erwartung, dass Budget Marine offen haben könnte, sattelten wir trotzdem am Morgen des 18. Aprils bald das Dinghy und brausten im glatten Wasser zur Marina. Und siehe da – nicht nur der Supermarkt war offen (und hatte die Weinregale mit Absperrbändern und Schildern mit der Aufschrift „we don’t sell alcohol on Good Friday“ zugeklebt), sondern zu unserer Überraschung und Freude auch Budget Marine, wo wir das passende, bzw. etwas längere 18-Fuss Gaskabel direkt ab Lager erstehen konnten. Es dauerte dann noch eine kleine Weile, bis ich den Skipper von seinem Schraubenparadies los-eisen konnte. Ich hatte den expliziten Auftrag gefasst, ihn daran zu erinnern, dass wir „wirklich keine Schrauben oder O-Ringe, bzw. eigentlich gar nix brauchen“. Aber die Erinnerung dann anzubringen ist halt so eine Sache… 😉.

Den Rest des sonnigen Tages verbrachten wir an Bord von sea magiX mit der Reparatur. Gegen 18h war es dann soweit: Testen – und es klappte! Fast hätten wir den schön eingezogenen Anker bei so viel Rückwärtsgas wieder ausgerissen. Nach nur etwa 24 Stunden war das Problem, das hätte unangenehm und zeitraubend werden können, schon gelöst. Glück im Unglück muss man haben! An jedem anderen Ort wäre es um ein Vielfaches schwieriger gewesen, so schnell das richtige Ersatzteil zu bekommen. Im Nachhinein stellen wir uns inzwischen die Frage, ob wir nicht gleich ein zweites solches Kabel hätten kaufen sollen: die Gangschaltung funktioniert ja mit dem gleichen Kabel und auch jenes ist wohl inzwischen etwas in die Jahre gekommen.
Wir waren noch am Aufräumen und wollten gerade für den hart verdienten Abendschwumm ins Wasser hüpfen, als wir einen Aussenborder herannahen hörten. Stimmt, wir hatten Helge und Mirjam von der Thea mit dem Dinghy unterwegs getroffen und auf Apero abgemacht! Die Thea-Crew hatten wir auf La Gomera kennen gelernt und ihren Weg über den Atlantik ab dann verfolgt, aber zuletzt ein wenig aus den Augen verloren. Es wurde ein gemütlicher, schöner Plauderabend mit dem jungen Seglerpaar. Spannend zu hören, wie es ihnen seit den Kanaren ergangen war, und wie sie die unterschiedlichen Welten in der Karibik wahrgenommen haben.
Für Samstag und Sonntag hatten wir nach dem erfolgreichen Budget Marine-Besuch im ebenfalls überraschenderweise offenen Pineapple Rentals ein Auto gemietet. Wir wollten am Sonntag nämlich unbedingt ans Steel Pans Konzert auf Shirley Heights gehen können und brauchten eine Fahrmöglichkeit, zumindest für Sonntagnachmittag und -Abend. Mit dem bequemen aber für die hiesigen Strassen mit ihren Badewannen-tiefen Schlaglöchern etwas tief gebauten Toyota er-fuhren wir am Samstag die Nordseite der Insel, besuchten nochmals St. Johns und sahen diesmal die etwas gehobeneren Viertel (und die leeren Duty Free Strassen für die Kreuzfahrtschiffe. Leer, weil gerade keins da war.), erkundeten die Strände am Nordufer, aber hatten keine Lust, hier zu baden, weil überall haufenweise stinkendes Sargassogras lag, und genossen bei Cecilia’s High Point Café ein sehr feines, spätes Mittagessen an schönster Lage.
Sogar die Ösen für die Bändsel an der im März genähten Vordecksblache konnten wir in schönster schattiger Umgebung am Strand vor Prickly Pear Island montieren.

Im Inland unterwegs fielen uns die scharfen Kontraste zwischen prunkvollen Villen und Bretterbuden mit Wellblechdächern ebenso auf, wie die unglaubliche Gleichgültigkeit, mit der die Menschen hier ihren Müll und kaputten Sachen einfach dort fallen lassen, wo sie gerade sind. Unzählige Autowracks werden im Vorgarten dem Zerfall überlassen, ausgediente Bootsmotoren, jeder Alltagsabfall, einfach alles.
Im kleinen Fischerdorf Parham gibt es einen Schuppen, in dem die alten Aussenborder in allen Stadien des Niedergangs achtlos vor sich hin korrodieren. Dem Skipper bricht es fast das Herz: „das sind riesengrosse, s..teure Motoren, und sie bräuchten wohl einfach ein wenig Wartung und Arbeit!“, murmelt er immer wieder, während er traurig auf die grossen, vor Korrosion und Dreck rieselnden Motoren starrt. Gerne würden wir mit einer einheimischen Person ins Gespräch kommen, um diese Verhalten besser zu verstehen. Warum wird hier anscheinend kaum etwas repariert? Und warum sammeln die Menschen nicht wenigstens in ihrer eigenen engsten Umgebung ihren Müll ein und entsorgen ihn? Müllabfuhr und -Entsorgung haben wir gesehen; das gibt es hier. Vielleicht kostet es zuviel für die Budgets der Menschen hier? Wir wissen es nicht, denn wir fanden es auch schwierig, in der kurzen Zeit mit jemandem tief genug ins Gespräch zu kommen, um solche Themen anzuschneiden.
Überhaupt fiel uns auf, dass wir den Zugang zu den Locals hier nicht so einfach fanden, wie an anderen Orten. Oft schlug uns offenes Desinteresse entgegen, oder auch Abweisung – jedenfalls empfanden wir das so und vielleicht interpretierten wir es falsch. Wenn wir länger auf diesen Inseln bleiben würden, wäre das sicher ein Thema, dem wir gerne nachgehen würden. Es gibt nämlich auch Ausnahmen, z.B. die Frau am Marktstand gleich vor dem Eingang zum Supermarkt von Jolly Harbour, die mich fröhlich anlacht, sich freut, wenn ich ihr ein paar Tomaten abkaufen will, und mir gerne erzählt, wie sehr sie sich auf den freien Nachmittag freut, um sich, bzw. ihre Füsse bei der Podologin verwöhnen zu lassen. Am nächsten Tag begrüsst sie mich schon mit „Darling“, zeigt mir ihre schön lackierten Zehen- und Fingernägel und sucht für mich ihre schönste Honigmelone heraus. So geht es auch, und ich bin sicher, dass sie damit mehr verkauft, als wenn sie wie viele andere ihr Handy nicht weglegen möchte und die potenzielle Kundin möglichst lange ignoriert. Nun, vielleicht werden wir in der nächsten Saison eine Möglichkeit finden, mit Locals in näheren Kontakt zu kommen.
Am Sonntagmorgen regnete es immer wieder in Strömen. Wir nahmen es etwas gemütlicher mit dem Tagesstart und nutzten unser Gefährt dann für die Erkundung der Südküste. Eigentlich wären wir gerne in den „Mount Obama Peak National Park“ (auf einer alten Karte heisst die Gegend noch «Boggy Peak» :-)) gefahren, um dort ein paar Schritte zu wandern, aber das Strässchen wurde schon zu Beginn für unser Auto zu anspruchsvoll. Zudem zog alle paar Minuten ein Schauer über die Insel und machte das Wandern auch wenig einladend.
Der Besuch von Falmouth Harbour beinhaltete noch eine Überraschung: das Marinagebäude war im Oktober 2023 abgebrannt. Heute stehen da noch ein paar Container… fragt sich, wie lange das Provisorium so bestehen bleiben wird.
Nach einer Cola im Café Incanto in Nelsons Dockyard und dem obligaten Rundgang, um die Superyachten hier zu bestaunen, erreichten wir das Tagesziel, Shirley Heights, gerade noch mit den ersten des grossen Ansturms kurz nach 16h. Hier wollten wir gemeinsam mit Hunderten anderer Touristen den Sonnenuntergang zu den Klängen der Steel Band geniessen. Das Essen liessen wir hier aus – die Schlange wurde innert Minuten so lang, dass wir keine Hoffnung hatten, noch vor dem Sonnenuntergang etwas zu ergattern. Aber die Aussicht ist es auch bei durchzogenem Wetter absolut wert, hier herauf zu kommen, und die Stimmung zu geniessen. Zudem hat der Ort für uns eine besondere Bedeutung, weil wir hier vor vielen Jahren beschlossen hatten, unsere zwanzigjährige Probezeit zu beenden und doch noch den Bund der Ehe zu schliessen.
Mit vielen Fotos, Videos und aufgefrischten Erinnerungen in der Tasche ging es dann gleich nach Sonnenuntergang wieder via St. Johns nach Jolly Harbour zurück. Wir wollten möglichst viel der Strecke noch bei Restlicht fahren können: die Schlaglöcher in den Strassen sind beachtlich, Signalisation kaum existent und der Verkehr dicht – und das Ganze dann noch auf der falschen Strassenseite… Froh, dass wir heil angekommen waren, genossen wir in der Marina ein feines Curry und kamen todmüde, aber mit „Mission Accomplished“ wieder an Bord von sea magiX zurück.
Antigua ist für uns noch immer die Insel der schönen Buchten hinter Riffs. Und mit Shirley Heights und Nelson’s Dockyard hat sie zwei zusätzliche Highlights. Wir haben die Tage hier genossen, aber jetzt zieht es uns südwärts, um mit genügend Spielraum den Weg nach Tobago und dann Trinidad machen zu können.
Heute Ostermontagmorgen, 21. April, zeigte ein Blick in den Wetterbericht, dass wir die Fahrt nach Süden nach Marie Galante oder Guadeloupe besser früher als später antreten sollten, wenn wir noch ein wenig nördliche Winde nutzen wollten. Ab morgen Dienstag wird es sehr wenig und bald danach dreht es wieder auf Südost, also auf die Nase. Drum gings mit dem Dinghy nicht nur zum Zurückbringen des Mietautos, sondern gleich auch zum Ausklarieren. Sechs Kopien, zwei Stempel, 20 EC-Dollar und ein paar Schritte von Büro zu Büro später und wir waren formal abfahrtbereit. Es dauerte dann noch zwei Stunden, bis wir auch praktisch so weit waren; das Schiff aufgeräumt, Dinghy auf dem Vordeck festgezurrt, Segelpersenning von der Genua entfernt, ein letztes Bad und los gings.
Nur mit der Genua gondelten wir vor dem relativ schwachen raumen Wind dahin. Leonie unsere Windsteuerung steuerte ziemliche Kurven, weil der Wind so wechselhaft war, der Skipper machte ein Nickerchen um vor zu schlafen und ich schrieb endlich diesen Bericht weiter. Bei dem beachtlichen Seegang und wenig Wind stolperten wir langsam südostwärts durch die Nacht. Bei Tagesanbruch hatten wir die Südost-Ecke der Schmetterlingsinsel erreicht. Eine Weiterfahrt bei so wenig Wind nach Marie Galante schien uns sinnlos, zumal wir dort bei dem momentan Nordschwell kaum vor St. Louis ankern könnten. So tuckerten wir entlang der Südostküste bis kurz vor Pointe à Pitre und fanden einen schönen, wenn auch ziemlich belegten Ankerplatz hinter der kleinen Insel Ile Gosier. Hier liegen wir nun und geniessen die Bademöglichkeit und die Brise, die bei den momentanen Temperaturen zunehmend wichtig wird. Für die nächsten zwei Tage haben wir in Pointe à Pitre in der Marina für einen Platz angefragt. Der Wetterbericht sagt da nämlich weiterhin sehr wenig Nordwind voraus, gepaart mit viel Regenschauern und Gewittern. Mal sehen, was da kommt!
