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Eingeschüttelt

Es braucht nicht viel, um sea magiX und damit auch ihre Crew zum Tanzen zu bringen. Ein wenig Wind, blaues Wasser, ein paar Wellen… Wir hatten gleich vom Ausgang der Boca del Dragon von Trinidad an die richtigen Zutaten. Hinzu kam noch ein gehäufter Löffel Strom und schon hatten wir die Mischung unseres ersten Segeltages der Saison. Die Stromwellen vor der Nordküste Trinidads liessen uns einen sportlichen Tanz aufführen. Es ging wohl eher in Richtung Rock n Roll mit ein paar Sprung-Einlagen, als zum Line Dance.

Nach etwa 10 Meilen heftigen Rock zeigte plötzlich die Wind-Anzeige nur noch Strichlein. Nanu? Blick nach oben ans Masttop – das Windrädchen war nirgends zu sehen. Nichts bambelte da oben – einfach leer. Oh nein! Wenn sich die ganze Sache losgerissen hatte, dann war wohl auch das Kabel in den Mast zurück gerutscht. Das wieder neu einziehen würde nur mit Mastlegen gehen. Und Einrichtungen, um den Mast zu legen, gibt es in der Karibik unseres Wissens kaum…

Wir stellten uns auf Segeln wie vor 30 Jahren ein, als es diese technischen Hilfsmittel noch gar nicht gab. Windstärke und -Richtung? Na, geschätzte 4 Bft und aus Ost. Windwinkel? Zum Glück sehen wir gut vom Steuer in die Segel – das ist nicht schwierig bei Tag. Erst nachts könnte das problematischer werden. Vielleicht müssen wir dann halt mit dem Ankerlicht segeln, denn das beleuchtet auch den Windex, d.h. das Pfeilchen oben auf dem Mast, das in einem Dreieck die Windrichtung anzeigt. Das ging ja früher auch, also kein Theater… Aber früher hatten wir auch noch etwas weniger empfindliche Boote. Oder ganz einfach weniger hohe Ansprüche? Naja, „mir luege de“.

Es gab einen wunderbaren, wenn auch etwas „holprigen“ ersten Segeltag. Blauer Himmel, weisse Passatwölkchen, genug Wind für die Genua alleine (das Gross blieb gleich in seinen sorgfältig jungfräulich gelegten Falten eingepackt), ein Kurs, der uns in gebührendem Abstand an den Ölriggs vorbei direkt nach Grenada führte, und kurz vor Sonnenuntergang dann auch noch Petri Heil: ein schöner kleiner Bonito hatte angebissen und konnte gerade noch vor dem Eindunkeln eingeholt und ausgenommen werden.

Etwa um 20h, also 14 Stunden nachdem wir die Boje in Chaguaramas verlassen hatten, rundeten wir gleichzeitig mit einem Begrüssungssquall die Süd-Ecke von Grenada. Und eine Stunde später hatten wir zufällig im Gegenlicht der Lampen von St. George’s eine freie Boje im Marine Reserve Feld gefunden und gleich daran festgemacht. Das war nun wirklich ein schöner Start in die Saison gewesen! Mit der kleinen Einschränkung des verschwundenen Windrädchens und einer akrobatischen (Rock n Roll-)Meisterleistung meinerseits, bei der ich mir eine leichte Stauchung von Rücken und Nacken geholt hatte. Das soll mir mal einer nachmachen: ich habe in einer besonders heftigen Welle unter Deck mit dem Kinn (!!?) am Handlauf eingehängt, während der Rest von mir weiter in die Welle flog. Im Zirkus könnte ich wohl mit der Nummer auftreten – sobald meine Wirbel sich wieder arrangiert haben. Aber alles halb so wild – das chunnt scho wider guet.

Froh, aus dem Einzugsgebiet der amerikanischen Kriegsdrohungen gegen Venezuela entkommen zu sein, genossen wir die erste Nacht auf klarem Karibikwasser, wie auch die folgenden Tage vor St. George’s.

Einklarieren war wieder so unproblematisch und entspannt wie vor einigen Monaten, als wir zuletzt hier waren. Diesmal klappte es sogar mit Sailclear. Im Mai hatte „das System gebockt“. Oder vielleicht auch nur dessen Benutzer. Diesmal hatten wir die Formalitäten nach 10 Minuten, ein paar Sprüchen, Gelächter und 50 ECD für 30 Tage Cruising Permit schon erledigt.

Sofort begann sich unsere Morgenroutine zu etablieren: den Skipper zieht es meist noch vor der Morgendämmerung aus den Federn. Die Crew folgt üblicherweise kurz vor 6h mit dem ersten Licht. Da hat der Skipper schon seinen Morgenschwumm hinter sich und kann sich um den Wasserkocher für den Morgentee kümmern. Unterdessen bewege ich mit mehr oder weniger Energie das extra mitgebrachte Thera-Band, um dem altersmässigen Muskelschwund (und einigen Verspannungen im Rücken und Nacken) entgegen zu wirken. Dann folgt das Morgen-Highlight für die Crew: der Sprung ins 27-Grad-warme, glasklare Wasser. Etwa eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang sind wir dann bereit für den neuen Tag. Was gibt es Schöneres, als so in den Tag starten zu können?

Grenada und die Bucht von St. George’s gefällt uns. Wir fühlen uns hier einfach wohl, auch wenn die Böen manchmal recht heftig von den Vulkanhügeln herunter über das Wasser brausen können.

Wir verbrachten gemütliche Stunden an Bord mit weiteren Pendenzen fürs Boot, wie z.B. der neuen Verkabelung der Solarpanels (nachdem der Skipper den passenden Temperaturfühler im unerschöpflichen Ersatzmaterial-Fundus gefunden hatte), oder auch mit den ersten – gleich gelungenen – Brotbackversuchen mit ganz wenig Hefe (es braucht noch weniger als ¼ TL für 400g Vollkornmehl in diesem Klima) und langer Aufgehzeit.

Besonders gespannt waren wir, als es darum ging, den Skipper wieder in den Mast hoch zu ziehen, damit er sich um das Rätsel des verschwundenen Windgebers kümmern konnte. Völlig „zufällig“ hatte er in seinem Ersatzteillager einen Occasion-Geber mitgebracht. Mit dem in der Tasche zog ihn unsere Elektrowinsch – gespiesen von 480 W Solar-Energie – in den Mast.

Und siehe da – wir hatten Riesenglück: der Ersatz konnte fast problemlos wieder angebracht werden. Die Überwurfmutter des alten Geräts hatte offensichtlich der karibischen Sonne nicht standgehalten und war einfach – mitsamt dem Gerät – vor Trinidad davon geflogen. Aber der Ständer und damit auch das Kabel sind beide noch da – wie auch die halbe Überwurfmutter. Das Ersatzgerät konnte also tatsächlich einfach nur wieder angeschraubt werden. Was für ein Glück!

Wir haben wieder eine Windanzeige! 🙂
Der obere Rand ist einfach ausgebrochen. Und somit mitsamt dem Windrädchen und -Ständer über Bord gegangen.

Auch einen Arbeitstag für mich bauten wir ein, an dem der Skipper stundenlang an Land (und ich glaube, vor allem in der gekühlten Chandlery Island Water World) verbrachte, um mich in Ruhe arbeiten zu lassen. Leider schaffte ich es dabei, versehentlich die Hälfte unseres Internetguthabens für den Monat aufzubrauchen. Irgendeine mir unbekannte Einstellung am PC hat wohl das bewusste Ausschalten von Updates etc. ausgehebelt. Plötzlich waren 15 unserer 30 GB weg… Hoffentlich reicht der Rest noch, bis wir auf Martinique sind. Wie man zusätzliche Packages für dieses karibische Abo kauft, wissen wir nämlich nicht so recht.

Der Besuch am Sandstrand der Grande Anse, mit Spaziergang zum Grillmaster-Restaurant und anschliessend in der grossen Spice Island Mall, führte nicht nur zu einem Rucksäckchen voll Waren, obwohl wir doch gar nichts brauchten, sondern auch zu haufenweise Sand am und im Dinghy und an unseren Beinen.

Spontan statteten wir der Schweizer Jacht „Joyce“ mit Gabi und Maege am Rückweg einen Besuch ab und verbrachten einen gemütlichen Apero bei feinem brasilianischem Bier bei ihnen. Trotz allen Bemühungen, die Füsse vorher abzuwaschen, haben wir ihnen wahrscheinlich einige Sandhäufchen hinterlassen. Sorry, Ihr beiden! Und danke nochmals für den fröhlichen Apero!

Am Sonntag, d.h. vier Tage nach unserer Ankunft auf Grenada, begann sich allmählich ein wenig Unruhe breit zu machen. Die Christmas Winds mit stärker nördlichem Einschlag drohen. Allmählich sollten wir wohl etwas Weg nach Norden machen, um nicht zuletzt 150 SM gegen 25 Knoten Nordostwind aufkreuzen zu müssen.

So gönnten wir uns am Sonntag im Grenada Yacht Club ein letztes feines Restaurant-Essen und räumten das Boot abfahrtbereit auf.

Heute Montagmorgen, dem 15.12., ging es nach der Morgenroutine bei gemütlichen 7 Knoten (nicht Beaufort!) Wind und schönstem Sonnenschein mal wieder unter vollen Segeln los von der Boje. Ein kurzes Abschiedswinken bei der Joyce (danke für die schönen Bilder von sea magiX!), dann schönstes Amwindsegeln im flachen Wasser entlang der Küste nordwärts.

Zwischen Grenada und Carriacou liegt ein Unterwasservulkan mit dem unvergesslichen Namen „Kick em Jenny“. Wir gaben Jenny den ihr gebührenden Abstand und schüttelten uns einmal mehr wieder nordwärts. Diesmal waren ein paar Kreuzschläge nötig: die inzwischen ca. 12-15 Knoten aus Ost kamen zum Glück nicht genau auf die Nase, aber doch schon sehr nah dran. Wieder war es ein wunderbarer Rock n Roll – Segeltag: blauer Himmel, blaues Wasser, Wind für gerefftes Gross und die halbe Genua, Wellen fürs Tanzen und viiiiel Sonne.

Nach sieben Stunden hatten wir die Tyrrell Bay auf Cariacou erreicht und liegen jetzt hier am Anker in der grossen Bucht, geniessen unseren Sundowner, schauen dem Farbenspiel des Sonnenuntergangs zu und freuen uns, dass wir so schön eingeschüttelt worden sind.