Als Schweizer bilden wir uns ja ein, hügelige Gegenden zu kennen und gewöhnt zu sein. Aber Lissabon hat uns mal wieder etwas Bescheidenheit gelehrt. Porto war da nur die Vorspeise, merkten wir!
Die Nacht auf Sonntag war bezüglich Wind und Wellen schön ruhig am Anker, nur das Konzert, das diesen Abend am grossen Platz in Cascais lief, entsprach nicht wirklich unserem Musikgeschmack. Auch mit aller Einberechnung von Verzerrungen, Echos und weiteren Effekten durch die Distanz und unsere Lage quasi hinter der Bühne kamen wir zum Schluss, dass uns dieser Musikstil nicht so passte. Es kam uns eher wie monotoner Sprechgesang vor. Vielleicht eine moderne, etwas esoterische Variante des so berühmten Fado. Jedenfalls hofften wir, dass am nächsten Abend dann eine andere Band dran sein würde. Wie wir am Vortag im Marina-Office erfahren hatten, findet in Cascais im Sommer jeden Tag Party statt, und so hatten wir es auch erlebt. Auch nachmittags spielen Live-Bands auf der Bühne und am Samstagabend hatten wir auch eine Rock n Roll – Akrobatik-Show miterlebt. Cascais selbst ist ein voll auf den Bade-/Strandtourismus ausgerichtetes Seebad, mit unzähligen kleinen Restaurants, Bars, Souvenirshops und einer Shoppingmeile im Städtchen. Der Strand ist gesäumt von diversen Anbietern von Leckereien, Glacéverkäufern, Bars, etc., welche regen Zulauf von den vielen Sonnen-Anbetern haben, die sich im Sand vergnügen. Trotz der Kälte des Wassers wird auch darin geplanscht, wobei wir wenige Erwachsene dabei beobachteten. Brrrrr… Wir spazierten am Samstagnachmittag durch das Städtchen (nachdem das Entlüfter-Schräubchen-Problem behoben war), kauften Pasteis de Nata, besuchten dann auch den Jumbo-Supermarkt hinter dem Bahnhof, der sehr gross und vollständig ausgerüstet ist, und genossen einen un-portugiesischen Caipirinha in einer der vielen Bars an der Promenade.
Die Marina haben wir nicht wirklich selbst erlebt, können aber sicher festhalten, dass die Marina-Mitarbeitenden alle äusserst freundlich und hilfsbereit waren und gut Englisch sprachen, dass genug Platz für Besucher da wäre und dass es bei 35€ für unsere 11.3m wohl nicht so teuer gewesen wäre, wie wir eigentlich erwartet hatten. Aber wir brauchten die Marina gar nicht, sondern waren zufrieden und glücklich an unserem Anker, der wirklich gut hielt.
Der Bahnhof ist in 10 Min zu Fuss erreichbar und wir erstanden dort zwei 24h-Travelcards für je 11€, mit welchen wir mit dem Zug nach Lissabon und zurück fahren konnten und im ganzen Gebiet von Lissabon auch die Metro, Busse, Trams und Funiculaires nutzen durften. Das war ein genialer Kauf, um den wir dann in Lissabon sehr froh waren. Wir fuhren mit dem Zug bis zur Endstation Cais do Sodre, stiegen dann in die Metro für eine Station und waren mir nichts – dir nichts im Barrio Alto. Von dort gings dann mehr oder weniger nach dem Zufallsprinzip weiter. Eine Fahrt mit dem alten Tram durfte ebenso wenig fehlen, wie eine mit dem Funiculare. Das alte Tram konnte mich zwar nicht wirklich überzeugen, denn es war so voll Touristen wie uns, dass wir vor lauter Armen, Schultern, Hüten und Rucksäcken überhaupt nichts sehen konnten. Angeschrieben sind 21 Sitzplätze und 38 Stehplätze für das kleine Wägelchen, aber ich glaube, da waren mehr Menschen drin. Jedenfalls konnte man auch nicht – wenn man mal drin war – irgendwo wieder aussteigen, denn es gab keinen Manövrierraum. Das hat sich die Gesellschaft wohl auch irgendwann gedacht und zieht deshalb an der Endstation, bei der wir unweigerlich landeten, ganz hart die Regel durch, dass alle aussteigen müssen. So können andere, die dort auch schon warten, wieder einsteigen. Es bildet sich dann aber natürlich eine noch längere Schlange und die Bar an der Endstation macht jeweils sicher guten Umsatz. Für uns mit der Travelcard war das kein Problem – wir konnten einfach einen klimatisierten Bus wieder in Richtung Stadtzentrum nehmen und diesmal sowohl sitzen, als auch etwas sehen.
So erforschten wir recht unsystematisch aber sehr gemütlich und interessant die Stadt. Bei der Recherche war mir aufgefallen, dass das Thema «schlechte Bausubstanz» mehrfach aufkam. Dies war dann auch gut zu sehen für uns; der Unterhalt oder die Renovation dieser schönen alten Gebäude muss sehr schwierig und teuer sein. Uns gefielen die kleinen Gassen im Barrio Alto und im ehemals maurischen Quartier sehr gut, mit den farbigen, oft mit den typischen schönen Kacheln «verputzten» Häusern, filigranen Balkongeländern und Strassenlampen, gepflasterten Gehwegen mit ganz kleinen Pflastersteinen (so ohne Velo überhaupt kein Problem ?) und oft wunderschönen Blumen, die sich an den Häusern hochranken oder in kleinen Gärten und Grünplätzen wachsen. Dazwischen schlängeln sich die Tuktuks als Touristentaxis hindurch, die fast alle per Elektromotor unterwegs sind, und auch Privatautos in allen möglichen Zuständen. Der Verkehr scheint mindestens an diesem Sonntag eigentlich fast nur zu stehen. Wir sind nicht sicher, ob dies normal oder eben Sonntags-Verkehr ist, aber vorwärts scheint man hier besser zu Fuss oder per Metro zu kommen.
Und natürlich sind hier wirklich viele Touristen, es ist ja Hochsaison. Zu diesem Zeitpunkt scheint Lissabon für sehr viele Spanier ein Ziel zu sein, sowie ebenso für viele Franzosen. Dagegen hören wir wenig Englisch und noch viel weniger Deutsch, zu unserer Überraschung.
Den Besuch des Castelo lassen wir bleiben, als wir beim Eingang die Schlange mit angegebener Wartezeit von ca. 20-30 Minuten sehen und steigen stattdessen auf den Turm der Igreja do Castelo hinauf, der etwas höher ist und von dem aus fast die gleiche Aussicht möglich ist.
Etwas später nehmen wir dann von Cais do Sodré diesmal ein modernes Tram in Richtung Belem, um auch noch das Entdecker-Denkmal und den Turm von Belem zu sehen. Das Tram hier ist in ganz anderem Tempo unterwegs als diejenigen, die wir aus Bern, Basel oder Zürich kennen. Aber hier scheint auch kaum jemand auf die Idee zu kommen, den «Elektros» per Velo oder auch im Auto in die Quere zu kommen. Es ist jedenfalls klar, wer dann gewinnen würde.
Als sich die Schiene vom Ufer des Tejo zu entfernen beginnt, beenden wir unseren Höllenritt und spazieren entlang der perfekt ausgebauten Strandpromenade zum Denkmal und danach zum Turm. Es gibt einen ebenfalls gut ausgebauten und separat markierten Veloweg (wobei die Disziplin hier nicht ganz vergleichbar ist mit jener in Deutschland und sich die Velofahrer ab und zu zwischen den Sonntagsspaziergänger-Familien hindurchschlängeln müssen) und sobald eine Sehenswürdigkeit in der Nähe ist, finden sich auch wieder diverse Bars und Cafés.
Erfreut fotografieren wir auch die Brücke des 25. April; mal eine grosse Hängebrücke, die wir sogar vollständig sehen. Wobei eine vorüberziehende Nebelbank zu verstehen gibt, dass es auch hier anders sein könnte (am Morgen, als wir ankamen, wurde das Südufer des Tejo erst später sichtbar wegen des Nebels).
Nach einigen Kilometern und Höhenmetern zu Fuss sind wir dann ganz glücklich, in Alges wieder in den Zug zu steigen, der alle 20 Minuten in beide Richtungen fährt, und uns die letzten Km nach Cascais zurück chauffieren zu lassen. Lissabon hat uns auch sehr gefallen und wir sind uns einig, dass wir gerne später hierher zurück kehren möchten, um weitere Ecken und Seiten der Stadt zu entdecken. Sie hat unser Interesse und unsere Neugierde geweckt und wir möchten gerne bei Gelegenheit mehr über sie erfahren.
In Cascais erwartet uns Sea magiX unverändert friedlich an ihrem Anker. Das Dinghi ist ebenfalls noch am Steg, an dem wir es ausnahmsweise sogar mit Kabel und Schloss angekettet hatten. Und auf der Bühne spielt diesmal eine andere Band mit für uns etwas gewohnterer Musik. Der Wassersack hat sich einen ganzen Tag lang so aufgeheizt, dass die Cockpitdusche richtig warm wird, obwohl wie immer eine zügige, kalte Brise vom Hinterland in die Bucht bläst. Nur ins Wasser mögen wir noch immer nicht hüpfen – es ist wirklich kalt hier.
Für Montag ist mehr Wind angesagt und wir wollen ihn nutzen, um 50 SM weiter südlich nach Sines zu gelangen. Dort werden wir wahrscheinlich am Dienstag einen Tag lang bleiben, denn für mich gibt’s bald wieder einen Bürotag; schon wieder ist ein Monat vergangen und die Löhne müssen vor dem 25. des Monats aufgegeben worden sein.
Wir gehen noch beim Fuel Pontoon der Marina vorbei und tanken Diesel, und Bänz besucht nochmals kurz den Yanmar-Händler und vereinbart mit ihm, dass er das Diesel-Filter-Gehäuse nach Lagos senden wird. So haben wir auch einen Backup für den Fall, dass die Reparatur der Entlüftung nicht ewig hält. Am Fuel Pontoon haben wir endlich die Chance, einige unserer Fischer-Fragen beantwortet zu bekommen. Dort wartet nämlich gerade ein Englisch-sprechender Fischer mit seinem Französisch-Sprechenden Kollegen darauf, dass er die Formalitäten erledigt bekommt, um dann «grünen» Diesel tanken zu können. Er meint, seine Bojen finde er immer wieder, denn er setze sie mit GPS. Und nein, sie würden nicht treiben. Er verwende grosse «rocks», um sie zu beschweren und dann lange Kabel. An den Bojen hängen nicht etwa Netze, sondern lange Fischerleinen mit je 60 Haken (er zeigt uns seine Einrichtung im Heck dafür). Und ja, es komme schon vor, dass mal einer über seine Boje fahre, aber dann müsse er halt seine Leine reparieren, und es sei ganz selten. Auf unsere Frage nach dem Ehrenkodex verfinstert sich seine Miene. Gerade letzte Woche habe ihm einer 23 Fische gestohlen. Er sei sogar zur Polizei gegangen, aber die können nicht viel machen (ich nehme an, es ist eine Beweisfrage; da wird der Wortschatz nun doch etwas spezifisch). Ja, er wisse, wer es gewesen sei, aber eben – da könne man nicht viel machen. Soviel also zum Ehrenkodex. Um einiges besser informiert legen wir dann bald ab und segeln hinaus.
Bald stellt sich heraus, dass die Solarzelle nicht lädt. Beim Umstellen auf Gisela, um doch noch Strom zu machen und die Batterie wieder zu laden, stellen wir fest, dass deren Stecker wieder ausgerissen ist (obwohl wir sie ja schon länger nicht mehr eingesetzt hatten – wir können uns das «Wie» nicht erklären.)
Kaum haben wir den Spi gesetzt, kommt er auch schon wieder herunter weil der Wind deutlich zugenommen hat. Die ausgebaumte Genua steht aber nicht sehr gut und leert oben aus, d.h. sie schlägt im obersten Bereich etwas hin und her, was das Segel mit der Zeit ausleiert. Irgendwie ist heute überall der Wurm drin!
Aber mit etwas Geduld und Probieren kriegt Bänz zumindest das eine Solarpanel zum Laufen und kann dann auch den Stecker von Gisela wieder reparieren.
Bei schönstem Wetter steuert uns Leonie die Wellen hinab am Cabo Espichel vorbei, das mit vielen Höhlen und Löchern von der Wildheit der Wellen hier zeugt. Der (Mittel-)Wind hat inzwischen auf 22-26kn zugenommen und die Wellen erreichen schon eindrückliche Höhen. Es begegnen uns mehrere Segler unter Motor auf Gegenkurs – puh, gegen diesen Wind an motoren macht ganz sicher keinen Spass in diesen Wellen! Wieder überqueren wir hier einen Unterwasser-Canyon. Bänz versucht es erneut mit der Angel, fängt aber weder Unterwasser-Monster aus 1000m Tiefe, noch die praktischeren Makrelen oder Thunfische, die er sich erhofft. Dass danach dann der schöne rosarote Pulpo fehlt, erklärt er sich mit dem Unterwasser-Monster, das wir nur nicht gesehen haben, als es gerade zuschnappte.
Bei noch immer viel Wind rauschen wir gegen 19h am Breakwater von Sines vorbei. Im RCC Pilot steht in Grossbuchstaben, dass man von Norden kommend unter keinen Umständen innen an der roten Boje durchfahren soll, welche das Ende des versunkenen Breakwaters markiere, und ca. 500m aussen am Leuchtturm zu finden sei. Trotz angestrengter Suche bei hohen auflandigen Wellen, und genau gelegtem Kurs nach Plotter, finden wir diese Boje nicht. Irgendwann machen wir dann einfach die Kurve hinter den Teil des Wellenbrechers, den wir sehen, um ins ruhigere Wasser zu gelangen. Das ist ein unangenehmes Gefühl, wenn solche Marken nicht auffindbar sind, die noch so eindringlich im Hafenhandbuch aufgeführt werden! Solchen Sätzen in Grossbuchstaben sind wir im RCC Pilot bisher noch nicht begegnet, deshalb machen sie recht Eindruck.
In der Marina werden wir hilfsbereit an einen freien Platz gewiesen und tatkräftig beim Anlegen unterstützt. Sie ist gut geschützt hinter mehreren Molen, und trotzdem schwingen die Schiffe drinnen im Schwell recht tüchtig hin und her und knarren in ihren Leinen. Von Sines haben wir noch nichts gesehen (übrigens, Sines wird «Sintsch» ausgesprochen, ungefähr. Zum Glück hatte ich das gelesen, bevor ich am VHF die Marina anrief!). Morgen Dienstag gibt’s einen Bürotag und vielleicht bleibt dann noch etwas Zeit, um die Gegend zu erforschen. On verra.