Porto hatten wir vor zwei Jahren schon einmal besucht und sehr ins Herz geschlossen. Wir hatten diesmal deshalb kein spezifisches Touristenprogramm bei unserem Besuch, sondern wollten einfach die Stadt und ihre Lebensfreude geniessen. Dass Bänz dabei auch noch für unsere Fitness sorgen wollte, wurde mir erst im Verlauf des Montagabends klar, nach etlichen Höhenmetern auf dem Klappfahrrad. Eines wissen wir jetzt sehr gut: für empfindliche Velos wäre Porto ganz sicher nichts, und für empfindliche Hinterteile ist es grenzwertig. Die gepflasterten Strassen wirken ja sehr malerisch anzusehen und zu fotografieren, aber nach ein paar Stunden darüber rattern wunderte ich mich, dass ich nicht schon im Stillstand doppelt sah. Die Strassen und Strässchen rütteln einem jeden letzten Knochen zurecht.
Von der Marina zur grossen Strandpromenade am Douro mit allen Bars, Cafés, Churros-, Crêpes-, Sirup-, Glacé- und sonstigen Spezialitätenständen und unzähligen Touristen, sind es 3.5 recht flache und schön asphaltierte Km. Wir sassen gemütlich dort in einer Bar, genossen unseren Porto-Tonic und sahen dem Treiben auf der Promenade zu. Ein Karikaturist hatte grossen Zulauf von französischen Familien, Gruppen von spanischen Touristen lauschten ihrer Stadtführung mit Lautsprecher und Fähnchen, Engländerinnen kühlten ihren Sonnenbrand an der Sirup-Bar, ein Randständiger (von denen wir hier nicht viele zu Gesicht bekamen) fuhr mit seinem Klappervelo gezielt zum Stand der älteren Dame mit lokalem Handwerk (wohl aus China importiert) und bekam prompt auch etwas von ihr, Gruppen von Segways zogen an uns vorbei, auf dem Douro kreuzten sich die Touristenboote hupend, Fluss-Hotelschiffe starteten ihre Reise unter der grossen Brücke von G. Eiffel, und so weiter und so fort. Wir wurden wunderbar unterhalten während wir unseren Porto-Tonic schlürften.
Unschuldig meinte Bänz dann, wir könnten ja auch mit unseren Velos über die Brücke und dort drüben «das Weglein dort rechts» hoch fahren, oben eine Runde via Bahnhof u Burg drehen und dann über die obere Etage der Brücke zurück kommen. Nun, ich hatte wohl schon zuviel Porto-Tonic intus, um den Haken an der Sache zu erkennen, aber die anschliessende Fahrt, bzw. dann auch das Stossen der Velos dort hinauf war sicher sehr gesund für unsere Waden. Es fühlte sich eher wie klettern an als wie laufen. Und es fiel uns erst unterwegs auf, dass sich hier die Touristenmassen extrem verdünnt hatten – wir waren quasi die einzigen auf diesem Weg, oh Wunder?. Oben erreichten wir ein Quartier, das wohl eher abseits der üblichen Touristenwege liegt, mit sehr traditionellen Häuschen mit den typischen geplättelten Fassaden, sehr holprigen Pflastersteinen und diversen winzigen Tante-Emma-Läden und Café-Bars. Und natürlich der Aussicht über den Douro und das Tal hinauf.
Weiter ging es auf und ab auf der einen und dann wieder auf der anderen Douro-Seite, über winzige Strässchen, die ab und zu in Treppen endeten, oder auch über grössere Pflasterstein-Strassen, die plötzlich zur Einbahn wurden. Nun, mit den Klappvelos geht das alles. Und wir sahen Ecken von Porto, bzw. Gaia auf der anderen Seite, welche wohl nicht in jedem Touristenbuch stehen. Auch diese Ecken waren alle sauber und gepflegt, wenn auch erkennbar die Mittel fehlen, um zu renovieren oder auch schon für den Unterhalt zu sorgen.
Für den Abend mussten wir nochmals kurz aufs Boot zurück, um lange Hosen, Pulli und Jacken zu holen. Es war kühl bis kalt, obwohl die nachmittägliche Bewölkung sich wieder verzogen hatte. Auch Eduarda, die Marina-Receptionistin, hatte resigniert gemeint, das Wetter sei «a lot colder than average». Zum Abendessen gings dann nochmals zurück ins Fischerdorf Afurada gleich bei der Marina. Dort wird im Sommer jeden Mittag und Abend in den Strassen der Fisch gegrillt und auch von den Locals genossen. Die kleinen Restaurants wirken teils wie Pop-up-Beizchen mit ihren 4-5 Tischen und der ganzen Familie im Betrieb. Sie haben sehr andere Öffnungszeiten als die Spanier: abends gibt es von 19-21h Gegrilltes mit Gschwellti und Salat. Dies dafür dann im Übermass, was wir mit genügend Vinho da Casa versuchten, auszugleichen.
Für Dienstagmorgen um 10h hat uns Eduarda bei der Chuchill’s Portwein-Kelterei eine Guided Tour reserviert. Wir sind – nicht überraschenderweise um jene Zeit – die einzigen Teilnehmer und kommen so in den Genuss einer Privat-Tour mit João, der sich für uns mächtig ins Zeug legt. Churchill’s heisst so wegen der Frau des Gründers, und hat nichts mit dem früheren Premierminister Englands zu tun. Es ist eine kleine aber feine Firma, mit einer jährlichen Produktion von 500’000 Flaschen, etwas abseits der Touristenmeile. João meint, die bekannten Produzenten würden in 3 Monaten so viele Flaschen liefern. Er erklärt uns, warum der weisse Port deutlich trockener ist als der rote (die Fermentierung wird beim Roten schon nach 4 Tagen unterbrochen und beim Weissen erst nach 7-8, d.h. der Zucker ist stärker abgebaut bis dann), und warum der Tawny die bräunlichere Farbe hat als der Red (der Rote lagert drei Jahre lang in 30’000-l-Fässern und hat so weniger Kontakt mit dem Holz als der Tawny (und der Weisse), die beide 10 Jahre lang in kleineren 500l-Fässern verbringen und so viel stärker oxidieren und auch Farbe und etwas Aroma des Holzes aufnehmen. Dass der 10-jährige Tawny aus diversen Weinen zusammengesetzt wird, deren Durchschnittsalterung 10 Jahre ergeben muss, während der Weisse wirklich 10 Jahre im gleichen Fass war, war uns vorher nicht bewusst gewesen. Stolz präsentierte uns João auch die Vintages und die vielen Auszeichnungen, die ihre Firma schon erhalten hatte, bevor er uns zur Degustation führte. Mit den grossen Portionen, die er uns zum Probieren einschenkte, stieg unser Alkoholpegel gleich wieder steil an (es war immerhin schon nach 11h morgens), während sich der Tisch vor uns mit Gläsern füllte.
Somit war dann auch klar, dass wir nicht noch am gleichen Mittag losfahren würden, um nach Aveiro 35 SM im Süden zu gelangen. Im Gegenteil; zurück an Bord gab es mal ein Nickerchen.
Nachmittags wurde dann auch mal unser Baumquietschen angegangen, das uns seit dem Start begleitete und vor allem bei dem Schwell hier sehr deutlich geworden war. Es war auch seit Beginn klar, woran das lag: der Baum rieb direkt an der Nock des Mastes und hatte sich schon recht tief dort hineingefressen, weil ihm an jener Stelle eine Unterlagsscheibe fehlte. Da die Behebung dieses Missstandes bedingt, dass das Grosssegel runter muss, und der Baum-Bolzen entfernt werden muss, ist dies eine etwas grössere Angelegenheit, die wir deshalb jeweils vor uns her geschoben hatten. Aber jetzt ist eine neue, passende Scheibe auch dort drin und alles geputzt und gefettet und bisher hat weder die Baumnock noch der Niederholer auch nur das leiseste Quieken von sich gegeben.
Nach einem weiteren schweisstreibenden Velo-Ausflug hinauf nach Gaia zum Supermarkt gabs nochmals feines Grill-Essen in Afurada. Diesmal in einer etwas touristischeren Beiz mit einer gedruckten Karte in 5 Sprachen (jene am Montagabend war von Hand geschrieben gewesen, dafür hatten sie Bilder von den Gerichten aufgehängt), und in viel vernünftigeren Mengen, aber nochmals sehr fein und auch sehr günstig für unsere Verhältnisse. Unser Essen mit Apero-Oliven und -Käse, Salat, einer Dorade und einem Lachssteak mit Gschwellti, Gemüse, einem 2-dl-Glas Vinho Verde da Casa (lecker!), einem grossen Bier kam alles in allem auf 25€.
Das Wetterbericht-Studium hatte inzwischen ergeben, dass eine Fahrt morgen nach Aveiro und dann am Freitag oder Samstag weiter nach Lissabon gut passen würde. Wir wollen nach Möglichkeit noch gemeinsam bis hinunter zur Algarve fahren, denn sehr gerne würde ich auch diese Küste noch sehen und leider läuft meine Zeit an Bord für diesen Abschnitt allmählich ab. Wir schauen mal, was sich ergibt.