Do., 9.1. „Hast du eine Buckelpiste gefunden?“ fragte mich der Skipper, als ich ihn heute um kurz vor 6h zu seiner Wache weckte. Ja, es war wohl ein Slalom auf einer schwarzen Piste gesteckt worden.
Die Progression in Richtung Süden wird zunehmend spürbar. Zum Beispiel daran, dass ich heute Nacht erstmals die leichte Jacke wieder ausgezogen habe und nur im T-Shirt unter der Rettungsweste draussen sass. Was dann aber bewirkte – ein anderes Symptom –, dass die Regentropfen, die aus den erstmals tiefer liegenden Wolken kommend das Boot besprühten, auch mich direkt trafen, und nicht meine Jacke. Es waren erst wenige, so dass es nicht mal reichte, um das Salz von den Cockpitbänken ganz weg zu bekommen. Aber die Wolken bescherten uns eine unruhigere Nacht als auch schon, mit ständigen Windänderungen sowohl in Stärke (von 20 auf 10 Knoten und wieder zurück innert ein-zwei Minuten) als auch in der Richtung. Leonie kann das, zum Glück. Sie fährt einfach dem Wind nach. Aber weil sie, wie schon erwähnt, nur reagieren kann, ergibt dies jeweils einen ziemlich holprigen Slalomkurs.
Im Schiff haben wir derzeit 30 Grad. Aussen in der Sonne ist es nur mit viel Wind auszuhalten. Im Windschutz suchen wir den Schatten. Die Wassertemperatur zeigte gestern 25.8 Grad, heute 26.6°. Ist wohl Zeit, die restliche Schoggi aus der Bilge in den Kühlschrank zu verschieben.
Mein Laptop wollte meinen Fingerabdruck vorhin nicht erkennen: die Sonnencrème, Faktor 50, störte da wohl. Ohne Sonnencrème kann man sich aber nicht mehr hinaus wagen. Und dabei sind wir erst etwa beim 10. Nördlichen Breitengrad. Cayenne liegt noch viel weiter südlich, wie schon erwähnt etwa bei 5° Nord. Einmal mehr zeigt sich ein Plus dieser Art zu reisen: die Langsamkeit des Segelns (im Vergleich zum Fliegen) gibt uns die Möglichkeit, uns allmählich an die sich verändernden Verhältnisse zu gewöhnen. Hoffe ich, jedenfalls.
Seit gestern Nachmittag ist die See deutlich unruhiger, weil auch der Wind wieder stärkere und mehr Böen um die 18 bis 20 Knoten bringt. Das hat einen sehr erfreulichen weiteren Effekt: die Sargassogras-Teppiche sind weg! Vereinzelte Büschel schwimmen noch an uns vorbei, aber Leonie musste schon lange nicht mehr von Algen befreit werden und auch Gisela konnte heute früh ungestört vor sich hin propellern. Ob da ein Zusammenhang besteht, wissen wir nicht sicher, aber es könnte ja sein: wo etwas mehr Wind und somit Welle ist, können sich keine solchen Teppiche bilden, bzw. sie werden zerzupft und unter die Oberfläche gespült. Und wenn sich der Wind legt, finden die Büschel wieder zu einander und sammeln sich auf der glatteren Wasseroberfläche. Se non è vero è ben trovato.
Ansonsten gibt es momentan wenig Neues von Bord zu berichten, erfreulicherweise. Die Bordroutine läuft, Schiff und Crew sind gesund und die Wetteraussichten sind weiterhin positiv. Wenn es so weiter läuft, dann werden wir wohl in den nächsten 24 Stunden die Hälfte der Strecke erreicht haben. Bergfest! We’ll see.
Noch ein kurzer Nachtrag zum Umräumen der Bilge, bzw. in den kühlen Kühlschrank verlegen der Schokolade: Mit der Schokolade lagerten auch ein paar Salamis und Speckwürfelchen da unten. Die Feuchtigkeit hat den Salamis etwas zugesetzt. Nun hängen sie draussen im salzigen Wind. Gibt es auch Salami-Bacalhau?
10.1. Beim gestrigen Sundowner feierten wir gleichzeitig unser Bergfest. Mit 0°-Mahou Tostada und der einzigen Packung Pommes Chips in unseren Vorräten.
Inzwischen müssen wir uns schon nicht mehr so beeilen, um noch den Sonnenuntergang bei Beginn der 18h-Wache zu sehen; er hat sich um etwa eine halbe Stunde auf ca. 18:30h verschoben. Bald ist es Zeit für die nächste Zeitumstellung. Faszinierend, wie wir hier die Zeitzonen queren.
Die Nacht war diesmal wieder ruhiger als die Vorherige. Aber wir segelten wegen des auf ESE gedrehten Windes nicht nur west- sondern auch leicht nordwärts, kamen unserem Ziel also nur langsam näher. Nachts, im Dunkeln wollen wir nur im Notfall halsen (die Richtung so ändern, dass das Heck des Schiffs durch den Wind dreht und er danach von der anderen Seite ins Segel bläst), denn dafür muss jemand (in unserem Fall der Skipper) aufs Vorschiff, um den Genua-Baum auf die andere Seite umzuhängen, während hinten im Cockpit die Schoten und Leinen bedient werden und Leonie zum Halsen gebracht wird. Seit heute Morgen früh sind wir nun wieder auf dem anderen Bug unterwegs, und zwar endlich mal fast genau mit dem richtigen Kurs. Und die Distanz zum gesetzten Ziel-Waypoint verringert sich deutlich schneller als auch schon. Wohlgemerkt, es sind noch immer 800 SM, aber das ist nun doch eine andere Zahl als 1750 oder so…
Der Skipper ist am Optimieren unserer Gemüse- und Obst-Aufhängevorrichtung. Dies unter anderem, weil uns inzwischen klar geworden ist, dass wir sie in den nächsten Monaten wohl auch weiterhin benötigen werden, weil die Bilge wegen des warmen Wassers eher ein Warmhalte-Ort ist, als für kühle Lagerung zu sorgen. Damit die Esswaren im Seegang nicht aneinanderstossen, wird nun die Aufhängung am Mast verbreitert – mit einer kurzen Segellatte zum Spreizen. Cool!
Auch den Abfallkübel haben wir erstmals gewechselt. Nach 8 Tagen hatte sich mit unserer bewährten Methode zwar noch keine grosse Notwendigkeit ergeben, aber so lange er so handlich und klein ist, passt er problemlos in die Backskiste am Heck. Die bewährte Methode besteht aus diversen Elementen: erstens versuchten wir schon beim Einkaufen, viel Verpackung zu vermeiden. Zweitens wird alles Organische wie Rüstabfälle, etc., dem Meer übergeben. Alu- (korrodiert und wird auf 4000m zerrieben) und Blechdosen (rostet ebenfalls auf dem Meeresgrund dahin) füllen wir mit Salzwasser und übergeben sie ebenfalls der See, nach Entfernung von entfernbaren Papier- oder Plastikteilen. Gefüllt sinken sie augenblicklich ab. Somit bleibt eigentlich nur noch Plastik, PET und andere Kunststoffe, die jeweils mit Salzwasser gereinigt werden, um Geruchsbildung zu verhindern, bevor sie in den Abfallkübel verschwinden. Wir wissen noch nicht, wie die Müllentsorgung in Französisch Guyana organisiert ist, aber so können wir unseren Abfall bedenkenlos noch eine Zeitlang mitführen, bevor er dann hoffentlich sorgfältig entsorgt wird. Wenn alles so weiter läuft wie bisher, dann wird sich diese Frage in etwa 7 Tagen stellen. Oder eben ein paar Tage später, wenn wir von den Iles du Salut zum Festland verlegt haben, wo die Ver- und Entsorgung stattfinden kann.
Und so gondeln wir weiterhin nach Südwesten, lesen, schreiben, schlafen, kochen… langweilig ist es uns bisher noch nie geworden. Denn unsere Aussicht ändert sich ständig und fasziniert uns immer wieder von Neuem. Wie zum Beispiel das tägliche Schauspiel des Tagesanbruchs. Egal, was passiert – der nächste Tag kommt ganz bestimmt. Das klingt nach einer unerträglichen Banalität, bis man diesen Vorgang in täglich neuen Varianten miterleben kann. Dieser eine Moment in genau der Form kommt nicht wieder – wie könnte da Langeweile aufkommen? Ein Glückspilz, wer dies so erleben darf.