«Ilha Desertas from sea magiX on Channel 16, we are the blue sailing yacht that came in last – over” “yes, sea magiX, antwortet der Naturpark Ranger prompt und freundlich, go to channel 09”
Wir haben uns soeben beide durch das Fernglas in die Augen gesehen und nun geht es an die Regelung der Formalitäten. Da sind wir etwas schwach auf der Brust, wir haben nämlich weder die notwendige Anmeldung und erst recht keine «Permission» zum Anlaufen des Naturschutzgebietes von Ilha Deserta Grande – ein verlassener Steinhaufen 20 SM südöstlich von Madeira. Der Entscheid dahin zu fahren ist auf der Überfahrt von Porto Santo nach Madeira ziemlich spontan gefallen. Wir sind da nämlich mit gutem Raumwind unter Genacker unterwegs und Manfred möchte sooo gerne noch etwas Luven um die Topspeedmarke (des Tages) etwas anzuheben. Die Planänderung ist dann schnell entschieden und wir kurbeln die Schot noch etwas dichter und rauschen an Madeira vorbei, dass Manfred am Steuer das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommt. Der Ranger des Naturparks nimmt es gelassen, als ich ihm erkläre, wir würden nur über Nacht in der Bucht ankern und planen nicht anzulanden. Er meint, dann könne er auch keine Permission kontrollieren und wir würden ja so auch nichts kaputt machen. Leider hat unsere Anwesenheit dann doch einen Vogel das Leben gekostet aber mehr dazu später.
Zwei Wochen früher, wir bleiben zuerst mal in Culatra (siehe auch cool-culatra) – Manfred fährt mit Fähre und Bimmelbahn nochmals nach Faro und besucht die Kirche mit den hunderten eingemauerten Totenschädeln, Kurt und Bänz bleiben auf dem Boot und erledigen etwas weniger gruslig Pendenzen am Boot und das mit mehr (neue Relingstützen eingesetzt) oder weniger (Backskistendeckelscharnierrichten) Erfolg. Mittwoch kommt dann endlich der Anker aus dem Grund. Obwohl ganz wenig Wind angesagt ist, lassen wir uns zuerst vom Ebbstrom aus der Einfahrt spülen und segeln von da, mit einem Amwindkurs, bei gutem Südwestwind die 40 Meilen nach Portimao. Dabei noch einmal das volle Touri-Programm mit Felsen und Grotten von Benagil bevor wir im Schutz der grossen Molen in Portimao vor Anker gehen.
Die mittelfristige Wetter- resp Routingprognose für die Überfahrt nach Madeira sagt aufgrund eines durchziehenden Tiefs mit Regen und Südwestwind einen frühesten Start für Sonntagmorgen voraus. Wir bleiben daher am Donnerstag in Portimao am Anker, da es so schön und ruhig ist. Am Mittag wird das Dinghi bereit gemacht und wir fahren damit 1 SM flussaufwärts in das im Führer hoch gelobte Fischerdorf Ferragudo. Da stolpern wir ein paar Schritte über die Pier direkt in ein Restaurant, in dem Fisch kiloweise verkauft, direkt zubereitet und auf Holzkohle grilliert wird. Die 1,8 kg Seewolf für uns 3 sind herrlich wenn auch zum ersten Mal etwas teurer als sonst – Tourismus Region eben. Nach diesem üppigen und späten Mittagessen erfolgt die Besichtigung von Kirchen, Aussichtspunkten und Einkaufsstrassen nur noch halbherzig. Auch der Rundgang durch Portimao selber auf der anderen Flussseite löst nur noch mittlere Begeisterung aus, also rasch vor der Dunkelheit zurück auf das Boot und früh in die Koje – Fisch verdauen.
Freitag tuckern wir nach Lagos, checken in der Marina ein und gehen – Fisch essen.
Vorher aber noch eine komfortable und warme Dusche mit unbegrenzt Frischwasser. Eine ganze Woche lang waren wir nun am Anker, da lernt man solchen Luxus dann doch zu schätzen. Am Samstag kommt dann auch das angekündigte Tief und bringt den lange Zeit ausgebliebenen Regen. Wir nutzen die Zeit zum Waschen, Einkaufen, Faulenzen und etwas Vorkochen für die Überfahrt nach Madeira. Diese sollte eigentlich gleich am Sonntag früh starten, aber das schöne Wetter und der beständige Wind ist zeitlich etwas im Rückstand. So starten wir erst nach dem Mittag mit einem Kreuz- und Amwindkurs bis zum Westzipfel von Festlandeuropa, wo in der Ensenada da Sagres der Anker fällt für eine ruhige Nacht.
Montagmorgen Anker auf beim ersten Tageslicht, die Algarve verabschiedet uns mit einem herrlichen Tagesanbruch, bald stehen die Segel und wir rauschen bei bestem Wetter unter Gennacker durch das 20 SM breite Verkehrstrennungsgebiet «off Cabo Sao Vicente». Das geht wegen des dichten Schiffsverkehrs nicht ohne Ausweichmanöver. Einmal muss sogar für eine schnelle Halse der Geni runter.
Am frühen Nachmittag ist das TSS hinter uns und leider verabschiedet sich auch gleich der Wind. Wir sind ja vorgewarnt und Motoren darum bis kurz vor Sonnenuntergang nach Süden, um da besseren Wind zu finden. Bald schon tanzen ein paar farbige und einladende Oktopus an einer langen Fischerleine hinter unserem Kielwasser, um einen schönen Thunfisch anzulocken, leider vergeblich. Bei Sonnuntergang wird die Leine eingeholt und dafür kann die Genua ausgerollt werden. Die Windsteuerung übernimmt von da an den Generalkurs von 240 Grad nach Porto Santo, während wir in der komplett schwarzen Nacht einen unglaublich intensiven Sternenhimmel mit wunderbarer Milchstrasse bestaunen. Statt Fische zu fangen werden sie in dieser Nacht zuerst gefüttert – die Raumschotsfahrt mit dem bekannten Rollen und die erste Nachtfahrt ist dann doch für einen Magen etwas zuviel. Das legt sich jedoch im Lauf des nächsten Tages und von da an geniessen wir alle die ruhige Fahrt im Wach-Rhythmus nach Südwest, bis am Mittag des dritten Tages die Silhouette von Porto Santo am Horizont erscheint. Unterwegs begegnen wir immer mal wieder Frachtern und Tankern auf Kollisionskurs, so dass die Wache neben Träumen und Seegang gucken gelegentlich auch wirklich etwas zu tun hat.
Um 17 Uhr am Donnertag stehen wir vor dem riesigen Hafen Porto Santo, dessen Marina nach vielen Berichten und Warnungen im Web immer überfüllt sei und das Marinapersonal darum auf Anfragen einfach nicht reagiert. Trotzdem melde ich mich über Funk noch rasch vor Feierabend, obwohl wir noch 2-3 Meilen vor dem Hafen sind – und wir staunen – «yes, you are welcome, take the berth between north and south pontoon next to the police boat, see you tomorrow in the office»». Also Anker wieder fest, Fender raus und rein in die enge Marina, da liegt zwar schon ein kleines Motorboot neben dem Polizeiboot, auch erscheint der Fingersteg arg kurz, aber gegenüber hat es noch einen Platz frei, in den wir uns komfortabel rein manövrieren. Angekommen! Einen groooosssen Ankertrunk, eine lange lauwarme Dusche und dann bald in die nun ruhige Koje.
Am nächsten Tag verlegen wir dann früh an den zugewiesenen Platz, da der Hafen wirklich mit ganz vielen Dauerliegern besetzt ist (5 Tage kosten gleich viel wie ein Monat!), erledigen den offiziellen Bürokram und starten schon bald zu unserer ersten Wanderung über Stock und Stein auf den höchsten Pico der Insel. Das muss dann nach dem Abstieg ins Dorf der Insel richtig begossen werden und mit einem ausgezeichneten Fischessen in einer eher noblen Beiz abgeschlossen werden.
Früh am nächsten Tag starte ich das Hafenmauerbildprojekt. Drahtbürste für die Reinigung der Mauer, Farbe und Pinsel haben wir auf dem Rückweg der Wanderung am Vortag in einem kleinen Eisenwarenladen gekauft und der Entwurf entstand auf der Serviette beim Nachtessen. Rasch ist ein Platz über einem alten ausgebleichten Logo gefunden, abgebürstet und eine blaue Grundierung angebracht. Während ich mich intensiv ums Trocknen der Farbe kümmere, schnippselt Kurt mit Hilfe eines Kartons eine Schablone mit dem Schriftzug sea magiX. Mehrmals Malen, ausbesseren, und wieder trocknen lassen beschäftigt uns fast den ganzen Tag – da gibt es noch viel Optimierungspotential, wie Kurt feststellt und gleich eine dauerhaft nutzbare Schablone in Aussicht stellt.
Nach einem weiteren feinen Nachtessen im Dorf – wir lassen die gemeinsame Grillade der Langfahrer bewusst aus – haben wir am nächsten Tag gegen Mittag Porto Santo gesehen und segeln nach Madeira. Geplant war in der Baia d’Abra ganz im Osten der Insel zu Ankern, aber da kam dann die Gennacker Rauschefahrt zu den Ilhas Desertas dazwischen. Kurz vor dem einzigen Ankerplatz von Deserta Grande, da ist auch die Station der Naturparkwächter, kommen die Segel runter und wir tasten uns unter Motor näher. Es ist tief, sogar sehr tief da, so dass das Handbuch empfiehlt «approach the beach as close as your nerve will allow». Es hat noch einen Katamaran, der seeehr nahe an den Felsen liegt und einen etwas grösseren Einrumpfer, der nach einer Boje der Parkwächter fragt (und diese auch bekommt). Unser Anker fällt auf 15m Wassertiefe in das glasklare Wasser. Alles, was wir an Kette haben und noch 25m Trosse folgen. Beim Einfahren des Ankers (mit Motor rückwärts ziehen damit sich der Anker schön eingräbt und hoffentlich hält) sind wir noch 20m von den Felsen entfernt (das reicht und ist genau, was meine Nerven zulassen). Die Vulkan-Felswand leuchtet in der Abendsonne in phantastischen Farben und dunklem Schwarz und es wird rasch ruhig im kompletten Windschutz der fast 400m hohen Felswand.
Diese Ruhe wird mitten in der Nacht plötzlich unterbrochen; es knallt gewaltig im Rigg von sea magiX. Ich bin zackig an Deck und erwarte nichts weniger als einen Zusammenstoss mit einem anderen Boot oder der Felswand. Es ist jedoch nichts zu sehen vorerst. Plötzlich jedoch flattert es an Deck und dann im Wasser neben dem Boot. Ein Vogel ist in der rabenschwarzen Nacht mit dem Rigg kollidiert und an Deck abgestürzt. Der nächste Morgen zeigt die Katastrophe; nicht weit vom Boot entfernt schwimmt der Kadaver eines kleinen Vogels und wird von den Möwen gepickt und zerlegt. Schade, aber da hätte auch ein Ankerlicht oder Decklicht nicht geholfen, wenn einer ohne Licht im Dunkeln rumfliegt. Zum nächsten Etappenziel, der Marina Quinta de Lorde mit einem reservierten Platz für 2 Wochen sind es noch 20Sm hoch am Wind zurück nach Madeira. Der Kurs erlaubt doch noch einen kurzen Ankerhalt in der Baia d’Abra mit einem Bad im immer noch 23 Grad warmen und sehr klaren Wasser. Zwei Stunden später sind wir in der hübschen und komfortablen Marina eingecheckt, das Boot, die Segel und die Crew sind abgespült und wir entspannen in der spektakulären Kulisse der Marina. Der «Männertörn» von Faro nach Madeira war wieder anders als zuvor; witzig und seglerisch anspruchsvoll, mit viel Wetterglück und warmem Wasser, so dass die «Militärbadehosen» oft gebraucht wurden, und auch viel feinem und günstigem Fisch in einfachen Restaurants – alles einfach genial. Ab jetzt kommen die Wanderschuhe zum Einsatz.