«Ich glaube da vorne ist ein Wal!» meldet Markus vom Ruder. Wir strecken am Cabo Sagres gerade einmal die Nase in den Atlantik raus und sind noch etwas verblüfft über die markante Wind Zu- und Temperatur-Abnahme innerhalb der letzten 5-10 Meilen an der SW Ecke der Algarve. Und tatsächlich, 100m vor unserem Bug ist in der aufgewühlten See eine Schwanzflosse zu sehen, auf die wir zuhalten. Dann ein kurzer Blast, die Flosse ist weg von der Oberfläche, dafür springt der Wal gleich darauf 30m vor dem Boot ganz aus dem Wasser, klatscht plump wieder auf die Oberfläche und taucht mit 2 Flossenschlägen ab. Wir sind so überrascht, dass die hastig gezückten Handys nur noch die aufgewühlte See aufnehmen. Die anschliessende Diskussion über die Distanz und die Grösse des Tieres (Spanne reicht von klein bis zu mindestens halb so gross wie unser Boot) lässt uns kurz vergessen, dass wir ja nur ganz kurz um die Ecke sehen wollten, damit Verena sieht, wie der Atlantik gegenüber der zahmen Algarve Küste aussehen kann. Die Bedenken zu Seekrankheit sind jedoch trotz inzwischen Sonne aber kalten 20kn Nordwind und schon richtigem Seegang vergessen. Nach ein paar Sprüchen, was denn nun auf dem W-Kurs als nächstes käme (Trump oder doch eher Maduro oder noch schlimmer) und ein paar Zick-zack-Kursen um die Fischerfähnchen, drehen wir südöstlich Cabo Sao Vicente um und fahren hoch am Wind zurück an den gut geschützten Ankerplatz in der Ensenada de Sagres.
Ein paar Tage vorher sind Verena, noch nie auf einem Segelboot mit Bedenken wegen Seekrankheit, und Markus, gelegentlich mit auf Törns, auch schon auf der vorherigen sea magiX, in Albufeira an Bord gekommen. Den ersten Tag zusammen starten wir gemächlich. Heisses Wetter ab Mittag und eine schöne Tagesbrise aus West sind ein sanfter Einstieg für die beiden. Nach ein paar Kringeln und Achten unter Motor zum Fühlen wie es steuert, kreuzen wir nur mit der Genua zu den Grotten von Benagil, schlängeln uns durch das Gewusel von PS starken Tourbooten, Kajaks, Seglern und SU Paddlern und segeln zurück in die Marina Albufeira. Tag 2 startet wieder etwas später, aber diesmal kreuzen wir mit Gross und Genua entlang der Felsen-, Grotten- und Höhlenküste weiter nach Westen. Nach dem Tourhotspot bei Benagil folgt Portimao und der folgende Strandabschnitt mit schrecklichen Bausünden als krasser Kontrast zu der toll geformten und gefärbten Felsenküste. Verena meint nur lakonisch – nichts wie weg, da gehen wir nicht rein (Portimao). Der Wind hält noch etwas weiter an und stellt für einen 100Grad Dreher just vor der Alvor Flussmündung ab. Trotz fallendem Wasserstand tasten wir uns unter Motor in die flache Mündung und ankern in der Lagune hinter den Wellenbrechern im Kanal. Das Wasserthermometer zeigt angenehme 21Grad, Badkleider und Dinghi werden bereit gemacht für ein (Sonnen)Bad auf der langsam auftauchenden Sandbank. Kurze Instruktion zum Aussenborder und weg sind Markus und Verena, um nach 30 Sekunden schon wieder zu den Paddeln zu greifen. Nochmals kurze Instruktion (etwas beherzter Gas geben ?) und sie tuckern los Richtung Sandbank. Kurz darauf kommt ein schöner Nordwind auf, der unzählige Kite-Surfer in das flache Wasser der immer kleiner werdenden Lagune lockt. Neben den geankerten Booten, ein paar Fischern, vorbei rasenden Tourbooten und Wassertöffs ergibt das ein Gewusel auf dem Wasser, bei dem ich trotz gelegentlichem Kopfschütteln über Motorböötler den warmen Nachmittag an Bord geniessen kann. Dabei merke ich erst spät, dass etwas mit der Bordexkursion nicht stimmt, als das Dinghi mit den Beiden im Schlepp eines Fischerbootes zu sea magiX gebracht wird. Die beiden hatten Spass; beim Start zur Rückkehr ist Verena aus dem Beiboot ins Wasser gefallen, dann liess sich der Motor partout nicht starten und verschiedene Paddel- und Ruderversuche haben wegen mittlerweile frischen Windes immer wieder auf der Sandbank im Lee geendet. Glücklicherweise hat der Fischer das Winken der Gestrandeten gesehen und hat sie zurück nach Luv geschleppt.
Ein Motor der nicht läuft geht natürlich gar nicht bei mir. Die üblichen Tricks aus 45 Jahren Aussenborderhandling-Erfahrung werden angewendet und in weniger als einer Minute schnurrt der Motor zufrieden vor sich hin. Darum hier die ultimative Anleitung für 2-Takt Motoren für die zukünftigen Crews: Benzin pumpen bis alles voll ist, Choke rein, Gasstellung mindestens halb, dann mit dem Startseil langsam den Druckpunkt suchen und dann KRÄFTIG und schwungvoll ziehen. Nach dem Start sofort Choke zurück – that’s it. Claro meint Verena, aufgewachsen auf dem Bauernhof im Oberland, das ist genau wie bei der Motorsäge! Genau so! Und dann mögen Zweitakter, wenn man sie mit genug Gas fährt. Dass ich den Ruf eines Aussenborder-Rowdys habe, ist darum ganz falsch – Ich heize damit nur so rum, damit die Motoren recht laufen ?.
Nach diesem Abenteuer bleiben wir alle an Bord und geniessen einen herrlichen Sonnenuntergang und eine sternklare Nacht am Anker in der Lagune. Zeitweise wird das Boot von der nun einlaufenden Strömung mit dem Heck gegen den Wind und die kleinen Wellen gedreht und sogar etwas über die Ankerkette geschoben, was etliches an neuen Geräuschen verursacht – plätschern, klopfen, schaben – aber die Crew in der Achterkabine schläft fest und bekommt nichts davon mit.
Bei Sonnenaufgang zeigt sich die Lagune dann wieder komplett ruhig und wunderschön. Ein paar Vögel, die bei Niedrigwasser im Sand spazieren und gelegentlich nach einem gestrandeten Krebs picken, und ab und zu ein Fischer, der von seinem nächtlichen Fang den Fluss hoch nach Hause fährt und sonst nichts. Und das alles nur wenige Kilometer vom Touristentrubel und den Bettenburgen zwischen Lagos und Portimao entfernt. Bald zeichnet sich eine leichte Brise aus Süd ab, ideal für unseren Plan ganz nach Westen zum Cabo Sao Vicente zu segeln um eben Atlantik Luft zu schnuppern. Mal mit mehr, mal mit weniger Wind geht es entlang dem Kap mit der Ponta da Pietade mit ihren ausgeprägten Felsformationen und Höhlen. Klar, auch da hat es Tourboote jeder Art und Menge. Einem Tatzelwurm, das ist ein kleines Motorboot mit 10-20 Seekajaks hintereinander im Schlepp, machen wir scheinbar ganz schön Angst. Wir kommen am Wind mit guter Fahrt angerauscht. Markus darf auf Anweisung des Skippers ? direkt auf die Mitte des Tatzelwurms zuhalten, bis der Guide im Motorboot scheinbar recht nervös wird und die hinteren Kajaker ihre entspannte Haltung langsam verlieren und zu den Paddeln greifen. So nahe an den Felsen wird es aber doch mal Zeit für uns zu wenden und, kurz bevor im Tatzelwurm Panik ausbricht, gehen wir über Stag ohne auf unserem Vortritt zu beharren. Etwas weiter an der Küste nach Westen dreht der Wind dann erwartungsgemäss auf Nord und legt auf 4-5 zu, so dass wir bald nur noch mit Genua Cabo Sagres und unserer Walsichtung entgegen brausen.
Die ganze Nacht über bläst der kräftige Nordwind in der Ensenada de Sagres und es ist so kalt geworden, dass wir trotz sternklarer Nacht drinnen essen und sogar den Schlumi mit einem Tropfen guten Rum und dunkler Schoggi drin nehmen. Die Wassertemperatur ist übrigens wieder auf 17Grad gefallen – brrr.
Mit langsam abnehmendem Wind segeln wir zurück nach Lagos. In der Einfahrt ist es wie gewohnt turbulent, ein- und auslaufende Tourboote jeglicher Art, Fischer, Fähren und dann noch ein paar Yachties.
Die Anmeldung am Marina Reception Steg ist rasch erledigt durch Christina und sie jagt mich regelrecht raus aus dem Office mit den Worten „Bridge opening in 2 Minutes – hurry up“ so dass ich mit meinen gerade angekommenen Paketen von SVB, den Marina Karten und den Schiffsdokumenten aufs Boot hechte und gleichzeitig Leinen löse da die Brücke tatsächlich schon aufgeht. Einmal fest in der Marina, es ist wieder drückend heiss, ziehen wir individuell los um die Altstadt zu erkunden und in dem von letzter Woche bekannten Restaurant zu reservieren. Da ist aber grad Siesta. Wir sind darum pünktlich um 19Uhr zur Öffnungszeit dort und ergattern einen der wenigen Tische draussen im Hof wo der frische und grillierte Fisch besonders gut schmeckt. Natürlich gibt es wieder für alle 3 grillierte Sardinen als Amuse Buche und zum leckeren Schwertfisch dann wie gewohnt Kartoffeln, etwas Gemüse und viel Vino Verde. Dass das Restaurant vor allem bei den Einheimischen (wir sind scheinbar die einzigen Touris) beliebt ist, erkennt man daran, dass die Leute vor der Beiz Schlange stehen und gerne mal 30min warten bis ein Tisch frei ist. Für alle Nachahmer, der Name und Standort der Beiz ist bekannt aber Geheimtipps sind ja nur geheim wenn man es nicht ausplaudert.
Der folgende Tag, es ist bereits Freitag ist dann leider ohne nennenswerten Wind. Wir fliehen irgendwann aus der heissen Marina und tuckern gemütlich nach Osten Richtung Albufeira. Ein kurzer Badehalt unterwegs, das Wasserthermometer zeigt beachtliche 22.5Grad, bringt etwas Abkühlung bevor es zum letzten Mal Leinen fest heisst für Verena und Markus. Sie fahren am Samstag ganz früh los mit dem Zug nach Lissabon. Es war eine spannende Woche mit einer coolen Crew, die ich sehr genossen habe.