Wir sitzen im Cockpit, Bänz mit dem Kindle und einem Auge auf dem Wasser vor uns und ich mit dem Laptop und einem anderen Auge auf den Kurs. Unser Autopilot Erich steuert und – richtig – der Brumbrum läuft auch, leider. Noch kommen wir mit den Windangaben hier in Portugal nicht ganz zurecht, aber das wird sich hoffentlich noch ergeben. Jedenfalls sind momentan statt der angesagten 12-14kn mit Böen um 16-19kn gerade mal 2.6kn da. Und dazu natürlich der Atlantikschwell. Ein kurzer Segelversuch vorhin wurde schon wieder abgebrochen. Aber da heute Nachmittag dann – wenn das denn stimmt – Durchschnittswind von ca. 20kn und Böen um die 30 angesagt sind, wollen wir trotzdem jetzt schon weiterfahren. Man merkt – wir sind etwas gefrustet. Aber, auch das ist wichtig, auf sehr hohem Niveau.
In den letzten zwei Tagen haben wir uns einerseits von Spanien verabschiedet und andererseits sind wir in Portugal begrüsst worden. Am Samstag ging’s nach dem mehrtägigen Combarro-Aufenthalt endlich wieder in eine Ankerbucht; diesmal zur südlichen der beiden Illas Ciés, zur I. St. Martin. Zu jenem Ankerplatz steht im Hafenhandbuch, dass die Naturpark-Auflagen noch strenger seien und die Insel nicht betreten werden dürfe. Nun, samstags gilt dies wohl nicht… Die Badenden haben jedoch alle komplette Neoprens an und diejenigen mit den Dinghis fahren ganz weit hinauf zum Strand, um möglichst wenig nass zu werden beim Aussteigen. Wir geniessen das gemütliche Schaukeln, lesen und schlafen, kochen und diskutieren und schauen dem Leben um uns herum zu. Die für uns hier sichtbare Fauna besteht vor allem aus Vögeln; wieder für unser ungeschultes Auge die ganz normalen Möwen, in grossen Scharen. Sie picken im Sand nach Essbarem, suchen gelegentlich Streit miteinander, dann sieht eine wieder etwas Spannendes im Wasser und hebt ab, worauf ein grosser Teil der anderen mit viel Geschrei hinterher fliegt. Bald darauf entpuppt sich der Fisch als Stück Alge oder sonstwas Uninteressantes und alle kehren wieder – noch immer lautstark kommentiert – zum Strand zurück. Im Durchgang zwischen den beiden Inseln muss es besonders viel zu fressen geben. In solchen Passagen wird ja häufig viel Plankton durchgeschwemmt, was dann auch viele Fische anzieht. Die Möwen sitzen dann ebenfalls in Scharen dort und somit weiss auch ein unerfahrener Möchtegern-Fischer wie wir, dass es dort wohl auch zu Fischen gut sein könnte. Wir beobachten jedoch nur und konzentrieren uns auf die sowieso schon gut gefüllte Pantry.
Abends verabschiedet sich die Sonne wieder mit einem kitschigen Farbenspiel über der I. Ciés; ein Genuss fürs Auge.
(Kleiner Update zur eingangs erwähnten Windsituation: inzwischen sind 11 der versprochenen Nordwind-Knoten angekommen, Leonie steuert, und wir segeln mit der erstmals versuchsweise ausgebaumten Genua. Und – ich habe wieder einen Fasi an; Nordwind, halt… Trotzdem – sehr gemütlich!)
Am Sonntagmorgen sind wir erstaunt, dass an diesem Ankerplatz keine Fischer aufgetaucht sind. Ob dies mit der Beschaffenheit des Strandes oder mit den Nationalpark-Auflagen, oder einfach mit dem Wetter zusammenhängt, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass am Montagnachmittag der Nord-Wind unangenehm böig werden soll und gleichzeitig der Schwell stark zunehmen wird. Da die Küste Portugals ähnlich wie jene Belgiens eher flach ist, und die Häfen teils wegen der Barre davor bei grösserem Schwell (>3m) geschlossen werden, möchten wir deshalb am Sonntag noch so weit südlich wie möglich kommen, ohne jedoch zu viel motoren zu müssen. Nun – das ist nicht ganz so einfach. Wir können noch von Ciés weg und aus der grossen Bucht von Baiona hinaussegeln. Das Wetter ist noch immer dran, sich wieder zurecht zu rücken. Eine erste dicke graue Wolke bringt zwar etwas mehr Wind aus einer guten Richtung und einen leichten Regenschauer, so dass ich die Oelzeugjacke am Steuer anziehe, aber nicht unbedingt brauchen würde. So kann die nächste Wolke dann ihren Überraschungseffekt umso besser ausspielen. Sie sieht gar nicht so schwarz und nass aus wie die erste, aber innert Sekunden ist die Sicht weg und Wasser prasselt wie aus Kübeln auf Schiff und Steuerfrau herab, so dass Bänz erstaunt vom (trockenen) Kartentisch fragt, ob es denn donnere. Einmal mehr werden uns zwei Dinge gleichzeitig demonstriert: wie schnell das Wetter auf dem Wasser ändern kann, auch in südlicheren Gefilden als unseren bisherigen Segelrevieren, und wie schön es ist, wenn die Lufttemperatur bei einem solchen Regenschauer trotzdem noch über 20 Grad liegt. Bald danach werden die nassen Hosen und das T-Shirt gegen den Bikini getauscht. So kann ich damit umgehen!
Bald verziehen sich die Regenwolken. Und mit ihnen leider auch der Wind für eine Weile, bis etwa zur Spanisch-Portugiesischen Grenze. Dort können wir dann den Spi bzw. Parasailor setzen. Dessen grösster Vorteil ist, dass er auch ohne Grosssegel gut gesetzt und wieder geborgen werden kann. (Jedenfalls wenn eine etwas kräftigere Person als ich unten dran hängt. Aber das hatte ich letztes Jahr ja schon gelernt.) Wir sind froh darum und gondeln glücklich damit am ersten möglichen Hafen, Viano do Castelo vorbei und weiter nach Povoa da Varzim. Kaum sind wir im portugiesischen Gewässer und machen uns erste Gedanken über die uns noch viel fremdere Sprache hier, als wir von einem Rudel Delfinen begrüsst werden. Die brauchen keine Sprache für uns. Sie bleiben so lange bei uns, dass Bänz bemerkt, es sei wohl sonst nicht viel los im portugiesischen Delfinland heute. Mir solls recht sein; ich kann ein wenig filmen und so ein Versprechen an die wichtigste aller Patentöchter D. einlösen, das ich noch am gleichen Morgen etwas leichtsinnig gemacht hatte. Ob ich ein Filmchen hier hochladen kann, wird sich noch zeigen; wir haben noch nicht alle Feinheiten unseres Blog-Templates durchschaut.
Ich nutze diese Fahrt und des Skippers offensichtlichen Genuss am Steuer, um in der Küche mal ein Eintopf-Gericht im Dampfkochtopf zu probieren. Das heisst, dass die Farfalle gemeinsam mit dem Fleisch und Gemüse für 5 Minuten unter Druck kochen. Neugierig beäugen wir den Inhalt des Topfs, als sich der Deckel wieder öffnen lässt. Ob es nun eine Krankenkost-Suppe gegeben hat, oder etwa eine angebrannte schwarze Masse? Erleichtert (wir sind schliesslich hungrig) können wir den Test als gelungen verzeichnen. Abgesehen davon, dass alles die gleiche Farbe bekommen hat, wurde das «Boeuf Bourguignonne à la façon portugaise» sogar ziemlich lecker. Kochen auf einem solchen Kurs ist nämlich auch nicht ganz trivial und wir werden ja im Dezember wahrscheinlich einige Wochen lang so unterwegs sein mit deutlich mehr Schwell. Im Gegensatz zum Kochen bei Am-Wind-Kursen ist hier nicht ständig alles auf der gleichen Seite oben oder unten, sondern es rollt in Korkzapfen-Form. Das spielt sich dann in der Pantry so ab, dass man zwar ein Schneidbrett und gleichzeitig das Rüebli darauf mit der einen Hand festhalten kann und mit der anderen Hand die Rädchen schneiden. Es ist aber von Vorteil, wenn man sich vorher überlegt hat, wo man dies macht, denn die geschnittenen Rädchen rollen sofort fröhlich von dannen. Dann versuchst Du, die Ausreisser wieder einzusammeln und lässt unvorsichtigerweise kurz das Schneidbrett los, woraufhin sich dieses sofort auf die andere Seite des Boots verabschiedet. Je nach Heftigkeit der Rollbewegungen helfen Antirutschmatten nur begrenzt. Wiedereinmal bereust Du, nicht mit einem zusätzlichen Arm geboren worden zu sein. Aber ebenso wird auch wieder klar, dass dann die Verletzungsgefahr ebenfalls steigen würde, denn bei der Jagd nach den Rüebli-Rädchen hält die eine Hand noch immer ein scharfes Messer, während die erwartete Wellenbewegung ausgerechnet jetzt von einer anderen Welle aus dem Takt geworfen wird und Du einen Ausfallschritt aus Deiner vorher so sicheren Position machst, während die Rüeblirädchen und oder das Schneidbrett wieder in die andere Richtung an Dir vorbei kullern. Da das Gericht selten nur aus Rüebli besteht, spielt sich diese «Jagd nach der entkommenen Mise en Place» in unterschiedlicher Form für unterschiedliche Lebensmittel immer wieder ab, wenn man sich nicht von Anfang an überlegt hat, was man in welcher Reihenfolge benötigt und dies gleich direkt in den Kochtopf auf dem kardanisch aufgehängten Herd geben kann. Deshalb bin ich seit Jahren ein Fan von Eintopfgerichten an Bord. Und wenn sich auch Teigwaren im gleichen Eintopf, noch dazu im Dampfkochtopf, machen lassen, dann ist das ein grosser nächster Schritt für mich. Mein Loblied auf den Dampfkochtopf folgt ein andermal – schliesslich ist dies kein «Kochen an Bord-«Blog.
Unterwegs suchen wir angestrengt nach drei gelben Bojen, vor denen sowohl im Reeds, als auch im Hafenhandbuch gewarnt wird, und die auch im Plotter eingezeichnet sind. Sie sollen eine Wellen-Generator-Anlage bezeichnen, in die man nicht wirklich hineinfahren möchte. Wir sehen sie jedoch nicht, sondern begegnen ihr (möglicherweise) weiter südlich, kurz vor Leixoes. Was hier jedoch sehr auffällig oft zu sehen (oder eben nicht) ist, sind unzählige Fischerbojen, mit nur einer kleinen und oft dunklen Boje und einem etwa 1m langen Stab oben drauf. Sie sind sehr schwer zu erkennen und doch möchten wir keine davon überfahren bzw. uns in ihren Leinen verheddern. Mir wird klar, dass wir bei einer Nachtfahrt oder schlechter Sicht in diesem Gebiet deutlich weiter aussen fahren müssten.
In Povoa da Varzim kommen wir gerade noch beim Eindunkeln an und suchen uns einen freien Platz in der Marina. Die ist zumindest am ersten Steg nicht voll und es liegen Schiffe aus verschiedensten Ländern hier. Das Tor funktioniert elektrisch und wäre nicht zu überklettern, aber diesmal sind wir schlau genug, dass Bänz alleine hinaus geht und (nicht überraschend erfolglos um ca. 23h Lokalzeit) schaut, ob er noch eine/n Marina-Mitarbeitende/n findet. We live and learn. A propos Lokalzeit: wir stellen hier unsere Uhren eine Stunde vor und schon wird es früher dunkel (etwa um 22h) und früher hell (etwa um 07h).
Pünktlich wie die Schweizer sind wir um 08.58h beim Marina-Office, um unsere Übernachtung zu regeln und ernten von einem freundlichen Spanier ein belustigtes Lächeln: «yes, 9 o’clock for you, but for here it may also be 09:30h». Doch die sehr freundliche, fliessend Englisch und Französisch (nebst Portugiesisch, natürlich) sprechende Mitarbeitende ist wenige Minuten später auch da. Sie versucht, uns dazu zu bewegen, eine weitere Nacht zu bleiben («il y a une ligne métro directe et vous arriverez à Porto en moins d’une heure», und wir könnten es uns durchaus vorstellen, wenn wir nicht recht zügig südwärts unterwegs sein wollten. Die Marina ist sauber, gut geschützt, mit dem Elektrotor und weiter aussen einem anderen Zaun recht gut gesichert und auch gut ausgerüstet, mit eigenem grossem Aufenthaltsraum, Waschmaschinen und Trockner, sogar ein Zimmerchen mit zwei Betten sehen wir, sowie ordentlichen Sanitäreinrichtungen. Und – sie ist vergleichsweise günstig: wir zahlen für unsere eine Nacht mit 11.3m hier 23€. In Combarro waren es €40.
Aber wir haben uns nicht erweichen lassen und sind wie geplant vor 10h «schon» draussen unterwegs, um in Porto kurz vor Hochwasser mit noch einlaufendem Strom anzukommen. Inzwischen sind wir da; der Plan ist genau aufgegangen. Einerseits bezüglich der Gezeiten, andererseits mit dem Wind, der wie schon erwähnt zwar etwas spät, aber dann doch in guten Mengen gekommen ist. Nun liegen wir in der Marina, Bänz hat die Velos schon aus der Koje ausgegraben und wir rüsten uns für den Ausflug in eine Stadt, die wir vor 2 Jahren als überaus ansprechend kennen gelernt haben.