Tréguier – Roscoff – L’AberIldut

Irgendwann wird ein Daten/Zahlen/Fakten-Bericht von Bänz folgen. Inzwischen hier aber einmal eine Betrachtung unserer Versorgungslage, quasi aus «Soft-Optik». Die kann nämlich ebenfalls zweifelsfrei festhalten, dass die grundlegenden Fragen an Bord im Moment positiv und mit einem sehr guten Gefühl beantwortet werden können. Mit den Solarpanels, bzw. oft nur mit einem davon produzieren wir bei dem bisherigen Wetter immer genug Strom, um den Bedarf zu decken. Bänz hat in Sark den Wassermacher in Betrieb genommen und seither gibt es – bei genügend Sonne für den entsprechenden Strom – täglich etwa 5l Trinkwasser (d.h. er läuft etwa eine Stunde lang und wenn wir wollen, natürlich auch mehr). Das Wasser, mit dem wir in Cherbourg den Tank gefüllt haben, schmeckt leider so stark chlorig, dass jeder Teebeutel nur noch Farbe, nicht aber Geschmack bringt. Das Trinkwasser vom Wassermacher ist hingegen so rein, dass es auch ohne jeglichen Geschmackszusatz fein schmeckt.

Diesel haben wir noch viel – bisher konnten wir ja von den inzwischen zurückgelegten knapp 800 Seemeilen fast 700 segeln (und 60 von den anderen waren im Nord-Ostsee-Kanal). Es wäre wohl genug, um weit über Brest hinaus zu motoren, was natürlich nicht der Plan ist.

Und auch in der Pantry ist die Lage vollkommen entspannt – Grundnahrungsmittel, Gemüse, Früchte, Milchprodukte und Fleischwaren sind wohl genügend an Bord, um etwa 10 Tage lang abwechslungsreich und fein zu essen. Auch mit Gas zum Kochen sind wir mit noch ca. 9 kg für etwa gute 6 Wochen versorgt.

Das einzige Thema, das uns immer wieder vor die Frage stellt, ob wir nun irgendwo in einen Hafen wollen/müssen/sollen, und auch der Grund, warum ich hier damit anfange, ist das Brot. Bekanntlich sind die Franzosen nicht unbedingt bekannt für ihr besonders haltbares, ausgiebiges Brot und so waren wir in dieser Woche zwar sehr gerne und öfters am Anker, aber die Suche nach dem nächsten Brot bewegte uns zum Beispiel gestern (Dienstag, 16.7.) dazu, nicht vor der Ile de Batz zu ankern, sondern stattdessen in die grosse, neue Marina von Bloscon vor Roscoff zu fahren. Inzwischen haben wir Mehl und Trockenhefe gekauft. Jetzt fehlt uns nur noch der ruhige Kurs (oder vielleicht doch eher der Mut?), um dann mal einen ersten Versuch mit selbst gebackenem Brot an Bord zu wagen.

Gleichzeitig sind wir froh, dass wir diesen Entscheid fällten, denn Roscoff gefiel uns sehr und ich hätte den Besuch nicht missen wollen. Es ist ein kleines Städtchen, das unser Stegnachbar «Museumsdorf» nannte. Alles sehr gepflegt und wohl mit Tausenden von Vorschriften im traditionellen Nordfranzösischen Stil gehalten. Dazu viele Blumen, farbige Ladenschilder, eine durch Einbahn quasi verkehrsberuhigte kleine Einkaufsstrasse und viele Menschen unterwegs. Bei Sonne und guter Stimmung ein wirklich ansprechender Ort. Wir liehen uns von der Capitainerie zwei Fahrräder (sie sind für die ersten zwei Stunden gratis und kosten auch danach quasi nichts), fuhren zuerst zum Supermarkt zum Einkaufen (eben, Brot…) und anschliessend durch das Städtchen und natürlich via alten Hafen zurück. Im Fischerhafen fielen uns zwei Fischkutter mit Fussballfans als Eignern auf: der eine hiess «Liverpool» und hatte auch das Motto «You’ll never walk alone» aufgemalt und der andere hiess «Anfield Road». Klar; nicht etwa Paris-St.Germain oder so… und wahrscheinlich gibt es keine bretonische Fussballmannschaft in der Champions League – die sind wohl besser im Segeln (z.B. mit den Glénans) als im Fussballspielen. Auch weht an den meisten Hecks der kleinen Plaisanciers nicht etwa die Tricolore sondern eben der Bretone. Es ist klar und deutlich, wo wir hier sind.

Am Abend haben wir dann noch kurz Besuch von der Crew unseres Nachbarschiffs, der Danja (www.sy-danja.de), Christine und Thomas. Sie haben tatsächlich ihre Wohnung verkauft und leben seit März auf ihrer Danja und hatten noch ein paar Fragen zum Windpiloten – sie haben eine Schwester von Leonie an ihrem Heck aber sind mit ihr nicht so zufrieden wie wir. (Wobei Leonie in den letzten Tagen sehr wenig leisten musste…). Es ist spannend, mit ihnen auch über ihren neuen Lebensabschnitt zu sprechen und zu hören, wie sie sich mit ihrem Schiff zurecht finden. Wir stellen uns die Frage, wie lange es für uns dauern wird, bis wir im Langzeitsegler-Modus angekommen sind. Noch haben wir beide nicht unbedingt den Eindruck, dass wir dort sind. Für mich mit meinen 2-Monats-Abschnitten wird es wohl sowieso schwierig, so komisch das tönt wenn man 2 Monate hört. Mein Abflugdatum ab Lissabon ist halt nun mal gesetzt und dies ist ja genau der Unterschied zu Christine und Thomas› Reise; sie haben «nur» das vage Ziel, Weihnachten in der Algarve zu verbringen. Das ist wohl der entscheidende Punkt. Und trotzdem – wir spüren auch eine andere Art des Unterwegsseins, die wir ausserordentlich geniessen. Der Druck, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu sein, ist momentan noch sehr klein; nur unser Drang, westwärts zu kommen, bzw. die günstigen Verhältnisse optimal zu nutzen, treibt uns vorwärts. Wiedereinmal wird uns klar, was für ein grosses Glück wir gerade erleben dürfen. Wir würden mit niemandem tauschen wollen.

Vom Cockpit aus beobachteten wir dann noch die zufällig von Bänz entdeckte Mondfinsternis. Das hatten wir gar nicht mitbekommen, dass die in jener Nacht stattfinden sollte. Sehr romantisch, zwischen den Masten!

Heute Mittwochmorgen, 17.7., als wir aufstanden, lag dicker Nebel über Roscoff. Die Fähre tutete sich ihren Weg frei zum Anleger und alles war patschnass. Man sah kaum vom einen zum nächsten Boot. Wir hatten in der Capitanerie frische Baguettes und Croissants bestellt und genossen die noch am Steg, bevor wir in die graue Suppe rausfuhren.

Die Durchfahrt südlich der Ile de Batz war recht spannend, da man vom einen Quadranten oder sonstigen Seezeichen zum nächsten nichts sah. Aber Plotter sei Dank und bei einer Stunde nach Hochwasser mit viel Gezeit unter dem Kiel ging das recht gut. Der Strom trieb uns zwar mächtig voran, aber leider gab es kaum Wind, so dass wir im Nebel mehrere Segelversuche mit Motoren unterbrachen. Der Nebel war unheimlich dick und ich begann bald, zu fantasieren. Durch das Fehlen des Horizonts glaubte mein Hirn irgendwann, dass es rechts von uns bergauf ginge. Ich konnte mir noch so oft sagen, dass wir auf dem – ohne Wind sehr flachen – Meer unterwegs waren, aber trotzdem sah ich einen deutlichen Anstieg nach rechts. Auch merkte ich bald, dass dies wohl am ehesten die Verhältnisse sind, bei welchen ich seekrank werden könnte. Zusammen mit der langen, ruhigen Dünung aus West, und mit nur ganz wenig Brise, bekam mein Informationsverarbeitungszentrum da oben anscheinend ein Problem. Hinzu gesellten sich dann die Fantasiegestalten, die aus dem Nebel rings um uns auftauchten. (Ehrlich – ganz ohne Alkohol!) Die Bretagne hat ja bezüglich Gestalten aus anderen Welten ganz viel zu bieten. Jetzt weiss ich, woher das kommt. Ich war jedenfalls sehr froh, als sich der Nebel gegen 10h lichtete und auch eine leise Brise lüftelte, so dass wir wieder in der Sonne segeln konnten.

Wir hatten gerade die West-Ecke des Festlands erreicht, als der Strom drehte, und wir uns bei dem ganz leichten Wind Gedanken machen mussten, ob wir eventuell ein paar Stunden lang quasi an Ort segeln wollten, oder doch irgendwo hinein könnten, um die günstigere nächste Tide abzuwarten. Mit Mühe kämpften wir uns gegen den Strom am oft so angsteinflössenden «Le Four» Leuchtturm vorbei. Bei diesen Wetterverhältnissen war es einiges weniger beeindruckend als auf den bekannten Bildern und Postern von Winterstürmen, und doch brachen die Wellen der Dünung schäumend an seiner Basis und das Rauschen und Donnern des Wassers war auch bei gebührendem Abstand gut zu hören.

In L’Aber Ildut, das durch eine recht schmale Einfahrt zu erreichen ist, konnten wir sogar noch ein Plätzchen am Gästesteg ergattern. Die Franzosenfamilie hinter uns zog sogar extra ihr Boot noch einen Meter weiter nach vorne und so passten wir gerade noch in die Lücke hinein. Nett sind sie hier alle – es erinnert uns wieder verstärkt an Schottland, wo dies ebenfalls eine Selbstverständlichkeit wäre. Auch das Örtchen L’Aber Ildut gefällt uns sehr – diesmal weniger touristisch aufgemacht, aber doch sehr gepflegt, mit wunderschönen Hortensiengärten, einem romantischen Pfad entlang der Küste und schönen Ausblicken auf den Fluss, in dem die Boote an Bojenketten hängen. Davon hätte es für Visitors auch noch einige freie Möglichkeiten gegeben, mit den Bojen in der Mitte, aber man hätte dann das Dinghi auspacken und aufblasen müssen, was wir nun nicht unbedingt machen wollen im Moment. Die Achterkojen sind ja bekanntlich etwas voll und das Dinghi liegt natürlich zu unterst…

Nun haben wir den Wetterbericht studiert und stellen fest, dass wohl ab morgen zumindest vorübergehend das schöne Wetter vorbei ist. Mal sehen, was wir so unternehmen. Bänz möchte gerne südlich an Brest vorbei, passend zum neuen Bannalec nach Douarnenez, ins Land von Inspektor Dupin, und eventuell dort im «L’Admiral» ein Entrecote Frites geniessen gehen. Am Montag wollen wir in Brest sein, weil ich dann meinen nächsten Bürotag habe. Was vorher geht – wir sind gespannt!