Dreikönigstag – zwar ohne Dreikönigskuchen (wir sind so oder so königlich unterwegs) – in T-Shirt und Shorts im Cockpit. Das passt!
Momentan ist die See zwar ziemlich unruhig und unübersichtlich. Die grosse Dünung kommt nach wie vor von hinten, aus Ost. Aber quer dazu kommen kleinere und trotzdem substanzielle Wellen, die sea magiX regelmässig aus der Bahn werfen. Ein Blick auf die Instrumente zeigt zudem eine deutlich kleinere Geschwindigkeit über Grund als durchs Wasser. Das heisst, das Wasser „fährt“ rückwärts mit uns, während wir auf seiner Oberfläche die Knoten abspulen. Der Plotter bestätigt den Verdacht: wir haben Gegenstrom… Das ist nun hier auf etwas weniger als 14° N und ca. 32° W doch ziemlich unerwartet. Hier sollte uns eigentlich der Equatorial Current westwärts schieben und nicht irgend so ein Guerilla-Strömchen gegenan halten! Aber wie alles bei solchen Trips: wir können es nicht ändern und üben uns wohl besser einfach in Akzeptanz. Wer weiss, vielleicht dreht er ja bald wieder zu unseren Gunsten. In jedem Fall ist es eine hilfreiche Erklärung für die so unruhige See.
Wegen der konfusen und grossen Wellen bei böigen 4-5 Bft Wind ist es für Leonie, unsere Windpilotin, schwierig, einen so tiefen Kurs (mit dem Wind fast genau von hinten) zu steuern. Bei jeder Windänderung, die eben auch durch das Stossen einer Welle entstehen kann, reagiert sie mit einer Korrektur. Und da sie nur reagieren und nicht antizipieren kann, entsteht dadurch ein Slalomkurs, der regelmässig dazu führt, dass wir den Wind plötzlich von der falschen Seite bekommen und das Vorsegel mit einem lauten Knall vorne herumklappt. Das ist dann eine sogenannte Patenthalse. Das sind ziemlich grosse Kräfte, die da auf das Rigg und das Segel wirken, weshalb man solche Halsen möglichst zu vermeiden versucht. Deshalb hat Leonie momentan Freiwache und der elektrische Autopilot Erich ist im Dienst. Er steuert „einfach“ einen definierten Kompasskurs und lässt sich von Winddrehern nicht beeindrucken, was bei diesem böigen Passat (er pendelt zwischen 15 und 22 Knoten und dreht jeweils um 20-20° hin und her) auch wieder ein Problem sein kann. Trotzdem flappt die Genua vorne seltener, seit Erich dran ist, und wir zucken nicht alle paar Minuten wegen des grossen Knalls von vorne zusammen.
Am Heck schnurrt auch Gisela mit und produziert Strom. Immer wieder kommt sie aber fühlbar ins Schwingen, so dass das ganze Schiff leicht vibriert. Wirft man einen Blick aufs Heck, so sieht man den Grund dafür sofort: Gisela wirbelt derzeit in einer Sargassogras-Wiese und lädt sich alle paar Meter eine dicke Algengirlande auf. Das stört nicht nur ihre Energieproduktion, sondern bremst uns zusätzlich nochmals spürbar. Momentan ist ständiges Herausholen fast zwecklos: wir segeln gerade durch richtige Sargassogras-Weiden. (Seekühe haben wir jedoch noch keine gesehen.) Hoffentlich sind das nur kleinere Gebiete, denn natürlich bleiben die Büschel kaum nur an Leonie und Gisela hängen, sondern wahrscheinlich auch am Ruder von sea magiX. Und als alte Regatteure wissen wir, wie sehr eine solche „Mutte“ bremsen kann. Naja, auch das können wir nicht ändern. Wenn ich irgendwo an Land dann mal wieder Zeit für etwas „Ask Google“ habe, werde ich versuchen herauszufinden, woher diese braun-gelben Büschel eigentlich tatsächlich kommen und warum sie hier draussen so geballt auftauchen.
Ansonsten gibt es derzeit wenig zu berichten, was ja eigentlich ein sehr gutes Zeichen ist. Auch die vierte Nacht unterwegs war wieder wunderschön mit all den Sternen und anfangs dem hellen, noch nicht mal halben Mond vor dem Mast. Ich habe mir ein Sternenbuch heruntergeladen und lese die Legenden zu den diversen Sternbildern, aber bei all dem Überfluss an funkelnden Diamanten im Himmel finde ich die entsprechenden Konstellationen nur selten. Leider habe ich das kleine Büchlein mit den einfach zu verwendenden Karten zuhause gelassen – wenn es nicht sogar beim Zügeln entsorgt worden ist – oh Schreck. Auch die extra noch heruntergeladene Sternen-App fürs Handy hilft mir da nicht viel. Erstens mag ich das Handy unterwegs nicht hervornehmen und draussen im Cockpit verwenden. Ein Albtraum, wenn ich es über Bord fallen lassen würde! Und zweitens bin ich wohl zu doof, um die Offline-Version zu verstehen. Also einfach weiter staunen, träumen, geniessen, und mich freuen, wenn ich gelegentlich eines der bekannteren Bilder erkenne.
Wenn wir nicht am Schlafen, Träumen, Kochen oder Essen sind, so verbringen wir viel Zeit mit Lesen. Diesmal mehr als vor 5 Jahren, scheint mir (auf meinem Kindle sind soo viele ungelesene Bücher… jetzt wird eingeteilt: Krimis und Romane für die Nachtwachen und spannende Sachbücher für tagsüber. Mindestens theoretisch… 😊). Der Skipper hat sich schon intensiv mit den wenigen Quellen zu Franz. Guyana und Suriname befasst und schmiedet Pläne für unsere Tage und Wochen dort. Und auch die Crew beginnt, sich mit den Gebieten dort zu befassen. Damit steigt die Vorfreude und das Interesse.
Zum Glück noch keine Ungeduld. Im Gegenteil – wir geniessen diese Tage momentan sehr und hoffen, dass wir weiterhin so sonnig, problemlos und mit genau der richtigen Windstärke unterwegs sein können. Der Wetterbericht von gestern sieht jedenfalls erfreulich aus für die nächsten Tage.
Aber – genau wie die Sargassogras-Büschel und den Gegenstrom: wir nehmen sowieso das, was kommt, denn wir können es nicht ändern. Das ist die wichtigste Lektion, die dieses unendliche Blau immer wieder von neuem zu geben hat.
Nun ist schon wieder halb zwei und die Kommunikationsrunde steht an. Also schnell noch ein Bild für diesen Bericht finden und dann diesen Text an Paddy schicken, der ihn bald hochladen wird. Unsere Wetterfee vom Bodensee ist eben auch unser Hermes. Oder habe ich nun zu viele Sternenlegenden gelesen? In jedem Fall – danke lieber Paddy!