Vorbereitungen, Kontrollen und Pendenzen – und wir sind wohl einfach nie ganz bereit

Sea magiX schwimmt wieder! Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, wieder die leisen Wellen am Heck zu hören, das sanfte Schwanken zu spüren und die warme Seeluft zu atmen. Dass wir uns schon wieder an Bord bewegen können, zeugt von den ungeahnten Dimensionen unseres schönen Bootes. Sie schwimmt wieder, wenn auch gefühlte 10cm tiefer im Moment (ein kurzer Kontrollblick ergab vorhin aber, dass die drei Streifen an der Wasserlinie noch sichtbar sind – uff, noch mal Glück gehabt!) – wir haben nämlich schon den grössten Teil unseres Einkaufs für 3-5 Wochen Atlantiküberquerung an Bord und auch schon verstaut; aber jetzt mal schön der Reihe nach…

Ende Oktober war Sea magiX ja in Radazul ausgewassert und an Land gestellt worden. Bänz hatte das Antifouling schon da gestrichen, Getriebe- und Motorenöl gewechselt, den Propeller geputzt und abmontiert und generell hart an unserer Schönen gearbeitet. Im November ging dann die Schufterei gleich weiter – einfach dann in der Schweiz an Haus und Garten. Wie schon im Juni erlebten wir beide die letzten paar Tage (und Nächte) vor unserer gemeinsamen Abreise als sehr intensiv, so dass wir uns trotz bester Vorsätze kaum Zeit für Ruhe, Sport oder auch Schlaf nehmen konnten. Wieder hatten wir den Aufwand unterschätzt, den unser Vorhaben mit sich zieht. Das ging vom nochmaligen Studium der Krankenversicherungsdeckung weltweit, über die erneute Organisation unserer Post, nachdem nun noch zusätzliche Adressen hinzugekommen waren, via viele Treffen mit der Familie, lieben Freunden und Nachbarn und auch mit Geschäftspartnern, bis zur Einrichtung der Weihnachtsbeleuchtung. Als wir am frühen Morgen des 28. Novembers in Zürich in den Flieger stiegen, waren wir wieder so k.o. wie im Juni – und mindestens wieder so voller Vorfreude wie dann. Das Beschleunigen unseres Edelweiss-Fliegers für den Start auf dem Runway war ein höchst emotionaler Moment; ein Loslassen und Abschiednehmen einerseits und ein Öffnen für Neues andererseits.

Auf Teneriffa empfing uns das subtropische Meeresklima etwa um 14h mit 25 Grad und Sonnenschein, so dass die Erinnerung an die graukalten Novembertage sogleich verblasste und der Faserpelz durch T-Shirts ersetzt wurde. Mit dem Mietwagen gings dann schnurstracks nach Radazul und schon bald konnten wir an Bord unserer Schönen klettern. Sea magiX hatte in dem Monat eine dicke Staubschicht zugelegt, die zu allererst mit viel Wasser und Schrubben entfernt werden musste. Die Schraube wurde noch bei Tageslicht montiert und die backbord-Achterkoje freigeräumt, damit wir irgendwo schlafen konnten. Ein Kurzeinkauf im Shopping Center in der Nähe für Frühstück und Mittagessen an den nächsten Tagen fand schon nach dem Eindunkeln statt und unser Abendessen beim Spanier in der Marina war kurz und ruhig – wir schliefen schon fast am Tisch ein, schafften es aber doch noch ohne Unfälle die Leiter hoch aufs Schiff und waren wohl beide noch bevor unsere Köpfe die Kissen berührt hatten, im Land der Träume angekommen.

Am Freitag war auf 15h das Einwassern vereinbart. Wir konnten das Prozedere dann in zwei Teile teilen und machten ab, dass Sea magiX um 13h im Travellift hochgehoben würde, die Marineros dann zur Mittagspause gehen würden, wir unterdessen das Antifouling malen könnten wo die Stützen gewesen waren, und um 15h Sea magiX dann ins Wasser käme. Unser Wecker ging entsprechend um 7h los und schon bald waren wir an der Arbeit. Das Freibord wurde nochmals gewaschen und mit dem Schwamm abgewischt; dann wurde poliert, was das Zeug hielt. Wir waren aber um 12:20h noch nicht ganz rundum, als der Travellift schon dahergebrummt kam – wow, 40 Minuten zu früh, hatten wir auch nicht so erwartet! Ich radebrechte uns nochmals eine halbe Stunde heraus und wir legten einen Gang mehr zu, so dass uns der Schweiss nur so in Strömen herunterlief. Um 12:54h waren wir einmal rundum und um 12:58h brummte das Monster wieder daher. So viel Pünktlichkeit beeindruckte uns beide sehr, sofern wir noch die Puste hatten, überhaupt etwas zu sagen.

Nachdem im Oktober die Gurten des Travellifts tiefe Kratzer am Boot hinterlassen hatten, waren wir diesmal mit 4 Leintuchstreifen bewaffnet, die wir mit dünnen Leinen um die Gurten festbinden konnten. Es wäre wohl gar nicht nötig gewesen, denn die Gurten waren nigelnagelneu. Trotzdem – nach all dem Polieren und Malen sagten wir uns «better safe than sorry» und ignorierten die belustigten Blicke der Marineros geflissentlich. Schon bald hing Sea magiX in den Gurten und Bänz warf sich nochmals in den inzwischen etwas ramponierten Maler-Überzug und brachte die letzten Deziliter Antifouling an. Pünktlich um 15h schwebte das Boot dann zum Wasser und wurde sanft herabgelassen. Bis hierher war alles wie am Schnürchen gelaufen, doch hier brach die unbeschwerte Stimmung plötzlich ab: als Bänz den Motor startete, spuckte dieser zuerst in einem Schwall das drin gelagerte Kühlwasser aus, aber dann war Ende Wasser. Mit hohlem Ton lief der Diesel und blies heisse Luft ohne Kühlwasser aus dem Auspuff. Nicht gut… Die Marineros setzten sich mal mit sorgenvoller Miene an den Bassinrand, in dem Sea magiX vom Schwell hin und her geruckt wurde, und Bänz legte sich – schon wieder schweissüberströmt – eine halbe Stunde lang mächtig ins Zeug. Immer wieder startete ich auf Kommando oben den Motor und schaute zum Auspuff und immer wieder musste ich «nix!» in den heissen Motorraum hinunter rufen. Der kleine Messing-Wasserhahn fürs Kühlwasser war zwar «verhockt» aber doch offen. Die Impellerpumpe war richtig montiert und hatte noch alle ihre Flügel. Das mit der Flasche in den Wasserfilter eingefüllte Wasser kam nicht irgendwo Falsches heraus. Es war wie verhext. Dann gab Bänz das Kommando, im Leerlauf voll Gas zu geben, und nicht schon nach kürzester Zeit wieder abzustellen. Unsere Nerven waren zum Zerreissen gespannt… noch eine Sekunde… und noch eine… und noch eine… und siehe da, plötzlich kam ein Schwall daher! Wir waren unglaublich erleichtert, aber ich glaube, noch immer weniger froh als die Marineros, denn nun konnten sie ins Wochenende losziehen. Wir verlegten an den uns zugewiesenen Platz beim Marina-Eingang und konnten uns endlich freuen, dass wir wieder im Wasser waren, auch wenn die Marina sehr viel Schwell hat und Sea magiX ordentlich an ihren Gummiruckdämpfern riss.

Den Abend verbrachten wir im Carrefour einige km in Richtung Sta. Cruz, und kauften ein, was wir an Büchsen und Mineralwasser benötigten. Die Pizza beim Italiener neben dem Spanier in der Marina rutschte anschliessend sehr schnell und problemlos hinunter, und auch an diesem Abend waren wohl die Träume da, bevor die Köpfe ganz im Kissen gelandet waren.

Der Samstag stand im Zeichen des Verlegens von Sea magiX nach Sta. Cruz, denn Radazul war wie schon lange zuvor angekündigt zum Bersten voll mit Charteryachten, die Törnwechsel hatten. Das bedeutete, dass einmal mehr der Wecker wieder um 7h losging (es ist hier übrigens noch dunkel um 7h morgens) und wir noch vor dem Frühstück bei Windstille die Genua (d.h. das Vorsegel) montierten. Bis wir damit, und mit dem Frühstück, sowie dem (provisorischen) Verräumen der gestrigen Einkäufe fertig waren, war es schon Zeit, dass das Marina-Office öffnete und wir auschecken konnten. Sogleich danach gings los – juhu, die ersten Meilen bei blauem Himmel, blauem Wasser und der Sonne im Nacken! Es war zwar klar, dass wir diese 6 SM motoren würden (sie sind genau gegen den Wind und Sea magiX war noch nicht segel-bereit; unter Deck noch nichts schön aufgeräumt und das Rigg noch nicht kontrolliert), aber immerhin – vor lauter Freude platzte ich schier am Steuer. In Sta. Cruz bekamen wir problemlos einen Fingersteg; Bänz hatte schon im Oktober von Samstag bis Montag reserviert. Bald nach der Ankunft ging es gleich wieder los, aber diesmal zu Fuss, in die Stadt und dann auf den Bus, der uns wieder nach Radazul bringen sollte, um das Auto zu holen. Für die € 1.45 p./P., welche wir für die Fahrt zahlten, bekamen wir dann mehr zu sehen, als wir erwartet hatten. Die Route ging recht direkt bis zum Eingang von Radazul und dann drehte sie ab hinauf in die Hügel. Ich wurde nach vorne geschickt, um nachzufragen, ob wir hätten aussteigen sollen (es wären wohl noch einige Höhenmeter hinunter ans Meer gewesen von dort), aber die Buschauffeuse meinte nur lakonisch, es dauere noch etwa 20 Minuten bis Radazul Bajo. Ok, so kamen wir in den Genuss einer Sightseeing-Fahrt, die wir nicht erwartet hatten. Und so war es auch schon etwa 17:30h, als wir mit dem Auto im Supermarkt vorfuhren, um unseren Haupteinkauf zu machen. Wir hatten die Liste schon im Flugzeug erstellt und errechnet und hinterfragten sie nur noch punktuell wenn wir die Mengen sahen; 4kg Teigwaren, 4kg Reis, etc… (Vielleicht gleiche ich dann irgendwann mal die Liste des Einkaufs mit dem tatsächlich Benötigten an Esswaren ab.) Insgesamt (inkl. den Besuch im Carrefour vom Vorabend) benötigten wir nur 3 Stunden für den Einkauf von allem Haltbaren. Auch der Transport der fünf grossen Taschen vom Auto zum Schiff ging glatt, da der Parkplatz direkt vor der Marina ausnahmsweise zugänglich (d.h. die Barriere offen) war.

Am Sonntag musste dann der ganze Einkauf im Schiff verstaut werden. Jeder Winkel wurde auf seine Stau-Tauglichkeit erforscht; auch die Bodenbretter wurden aufgeschraubt. Nun ist die Backbordseite unter dem Boden mit den «Notration-Wasser-Petflaschen», Orangensaft in Petflaschen, Bier- und Colabüchsen und sogar einem vakuumierten Karton Wein gefüllt, nebst diversen anderen Dingen, an die wir uns wohl bald nicht mehr erinnern werden. Es sind alles Vorräte, von denen wir nicht annehmen, dass wir sie bald oder überhaupt auf der Überfahrt benötigen werden. Die Büchsen fanden ihren Bestimmungsort im einen Kleiderschrank der Achterkoje und die Teigwaren, Reis, Mehl und Müesli-Säcke sind im anderen. So füllten sich allmählich alle Ecken und Schapps mit möglichst sinnvoll versorgten Nahrungsmitteln, während die Unordnung im Schiff allmählich wieder etwas übersichtlicher wurde. Im Verlauf der Stunden hatten wir aber gemerkt, dass wir nicht einfach nur «krampfen» wollten, um dann am Montag mit hängender Zunge und leerem Blick loszulegen. Deshalb schoben wir die Abfahrt auf Dienstag und gönnten uns am Sonntagnachmittag einen Sightseeing-Ausflug ins Landesinnere und an die Nordküste. Der wunderschöne Pinienwald, die atemberaubenden Aussichten, die beeindruckende Mondlandschaft auf der Hochebene am Fuss des Teide, und auch die völlig andere, grüne Vegetation auf der Nordseite – Teneriffa zeigte sich wieder von seiner besten Seite, wie damals, als wir vor 7 Jahren mit Sandra und Paddy hier gewesen waren.

Zurück an Bord ging Bänz der nächsten Pendenz nach, nämlich dem Testen unseres Iridium-Satelliten-Telefons, dessen Abo am 1.12. begonnen hatte, während ich die ersten Blogzeilen seit langem schrieb. Leider klappte das Iridium-Testen schlecht bis gar nicht, so dass wir bis spät in die Nacht herumpröbelten. Irgendwann fanden wir dann heraus, dass es zwar mit Bänzs Handy nicht geht, aber mit meinem doch. Die Verbindung ist manchmal etwas wackelig und anscheinend verschwinden in der Schweiz gesendete aber an Bord noch nicht empfangene Mails und SMS im Nirwana, aber manchmal funktionierte es doch.

Am Montag, als wir eigentlich hätten starten wollen, war klar, dass das nicht vernünftig zu schaffen wäre. So konnten wir einen Gang herunterschalten, mussten dann aber doch rechtzeitig los, um nun die frischen Lebensmittel (Früchte, Gemüse, frisches Fleisch) noch einzukaufen, und rechtzeitig zurück zu sein, um am Mittag das Mietauto wieder abzugeben. Der Nachmittag wurde dann mit weiteren Iridium-Tests (es funktionierte besser), viel Vorkochen (naja, jetzt weiss ich wenigstens, wie die Kartoffeln hier reagieren; zuerst beinhart beim Schneiden und dann in wenigen Minuten unter Druck total zerfallen, aber mit unglaublich viel Stärke. Interesting…), Gisela-Tests, Einrichten der Solarpanels, der Rigg-Kontrolle (alles bestens, nur der Windex wird sich wahrscheinlich irgendwann verabschieden) und nochmals Einräumen verbracht. Ich bin sicher, dass wir im Januar immer wieder mal neue Orte finden werden, wo Esswaren auftauchen; Überraschung..!

Jetzt ist es schon wieder 19:45h Lokalzeit, die Unordnung an Bord ist deutlich überschaubarer (und meine Zweifel ob wir wohl genug Spaghetti haben werden schon wieder da) und morgen steht nur noch der Einkauf von frischem Brot an, sowie eine letzte Kleiderwäsche, das Aufhängen der Früchte in Netzen, und was uns sonst alles noch in letzter Minute einfällt. Wir sind beide allmählich ungeduldig und wollen los, und gleichzeitig werden wir wohl nie vollkommen bereit sein. Aber wir freuen uns sehr auf das «Leinen Los!» und rechnen damit, dass es morgen Dienstag, 2. 12. 19, um Mittag so weit sein wird.


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