Wir nähern uns dem Ferienfeeling

Wer weiss – vielleicht schaffen wirs ja noch, in Ferienstimmung zu kommen? «Wenn ich jetzt noch die Schuhe und Socken ausziehe, kommt schon fast Karibikgefühl auf», meinte Bänz soeben, bevor er sich im Windschutz des Sprayhoods im Cockpit hinlegte. Vlieland «zwingt» uns gerade zu einem Ferientag (naja, einem halben), am Anker. Denn als wir vorhin dort zur Hafeneinfahrt kamen, hingen zwei rote Flaggen und der Hafen zeigte zwei rote Lichter. Voll! Das erklärt, warum schon etwa 5 oder mehr Jachten vor der Einfahrt ankern, trotz des auflandigen Windes. Wir sind am Hafen, am Ankerfeld und an der Fährstation vorbei und etwas weiter den Priel hinauf gefahren und ankern nun ein wenig abseits des Juli-Weekend-Gewusels am Rand des Fahrwassers kurz bevor es für unseren Tiefgang zu wenig tief wird. Es blasen etwa 15kn Wind aus Süden und momentan scheint die Sonne und lädt unsere Solarzellen. Eigentlich der perfekte Wind, um gleich weiter in die Deutsche Bucht zu segeln, aber der Wetterbericht behauptet seit Tagen, dass es heute Nachmittag (also ab jetzt) keinen Wind habe und wir für die Fahrt nach Cuxhaven etwa 38 Stunden rechnen müssten. Wir haben beschlossen, dem Herrn Schrader zu glauben und ankern nun eben hier, während uns die perfekte Brise um die Ohren bläst. Es herrscht wirklich Ruhe und Entspannung an Bord; die schon erwähnte Brise, das Schwappen und Gluckern des ablaufenden Wassers in unserem Priel, gelegentliche Möwenschreie und – ganz selten – ein kleines Schnarchen von der anderen Cockpitseite her. So kommen tatsächlich allmählich Feriengefühle auf. Die haben wir bis gestern irgendwie vermisst. Im Vordergrund stand immer das Ziel, sea magiX bald und unkompliziert nach Rendsburg zu bringen und Wind und Wetter wurden täglich konsultiert, um diesem Ziel möglichst einfach näher kommen zu können. Bis wir am Donnerstag in Den Helder feststellen mussten, dass wir entweder auf bessere Winde warten könnten, oder die 150 SM nach Cuxhaven mehr oder weniger pausenlos motoren müssten. Und mit der Erkenntnis, dass wir durchaus auch erst am Montag um die Ecke und in die Deutsche Bucht einfahren könnten, kam dann endlich auch etwas Entspannung auf. Es ist erstaunlich, wie schwer uns dieses Loslassen und Zeit nehmen im Moment fällt. Der Unterschied zum Gefühl, viele Wochen vor sich zu haben ist halt eben markant, obwohl wir uns das Ziel, am letzten Juli-Wochenende wieder heim zu kommen, selbst gesetzt haben. Der Luxus, den wir vor einem Jahr erleben durften, hat uns wohl auch ziemlich verwöhnt. Aber gestern und heute hat das Umgewöhnen und Umschalten im Kopf schon ziemlich gut funktioniert. Hoffen wir, dass das in diesen nächsten Tagen weiter klappen wird.

Von Vlissingen waren wir am Mittwoch, 15. Juli im Morgenlicht etwa eine halbe Stunde später als geplant losgetuckert. Wir hatten plötzlich Zweifel bekommen, ob wir zu dieser Zeit überhaupt genügend Wasser über dem Sill hätten, um nicht daran hängen zu bleiben. Da die beiden Wasserstandsanzeigen (die eine geht auf NAP; neuer Amsterdamer Pegel) nicht lesbar waren, geben wir uns eine halbe Stunde mehr Zeit und halten die Luft an, als wir über die Schwelle fahren. Aber es reicht gut – das Echolot zeigt immer knapp 3m und wir haben uns unnötig Sorgen gemacht.

Wir hatten gehofft, dass vielleicht an der Ecke vorne, wo es ins offene Wasser geht, der Wind dann käme. So war es leider nicht und wir motorten stundenlang weiter. Zum Glück haben wir unseren Autopiloten – er übernahm den grössten Teil des Steuerns. Nur als wir nach dem Mittag die Einfahrt zu Rotterdam passieren und den dicken Pötten links und rechts ausweichen müssen übernehme ich vorübergehend das Steuer. Mitte Nachmittag sind wir endlich die ca. 45 SM bis Scheveningen gekommen, da frischt doch noch die Brise auf. Wir wollen den Wind nutzen und setzen Gross und Gennacker und segeln weiter in Richtung Ijmuiden.

Leider ist nach zwei Stunden und ca. 12 SM schon wieder vorbei. Als wir nach 20h in die riesige, halb leere Marina von Ijmuiden einfahren, haben wir von den zurück gelegten 80 SM nur diese 12 gesegelt. Puuuuh, nicht unser bevorzugter Modus!

Am Donnerstag dürfen wir ausschlafen: die Tidenströmung hinauf nach Den Helder erlaubt uns einen späten Start erst um 11h. Nach den Erfahrungen des Vortages tanken wir noch schnell voll – wer weiss… Aber diesmal können wir die 5 Stunden bis nach Den Helder tatsächlich segeln. Es blasen 4 Bft aus NNW und Bänz gibt das Steuer bis zur Hafeneinfahrt nicht mehr frei.

Unterwegs hat er gleich mehrere andere Jachten überholt und wir schaffen es mit nur zwei kurzen Holeschlägen durchzukommen. Zur Belohnung gibt es mal wieder einen längeren Spaziergang an Land und auch gleich einen Einkauf für die nächsten paar Tage. Wir erinnern uns gerne an den letzten Spaziergang, den wir hier unternahmen, als wir soeben der Deutschen Bucht «entronnen» waren und bei guten Bedingungen in 20 Stunden von Helgoland hierher gesegelt waren.

Das abendliche Studium des Wetterberichts ergibt dann eben den Click in unseren Köpfen und den Entschluss, es ab jetzt etwas entspannter zu nehmen. Wir haben zwar schon ein Auto gemietet, um am letzten Juli-Wochenende heim zu fahren, aber das kann auch noch storniert und auf später geschoben werden, falls nötig. Warum also weitere 150 SM von Den Helder um die Ecke und dann nach Cuxhaven motoren, wenn vielleicht am Sonntag besserer Wind und am Montag sogar besseres Wetter mit passendem Wind kommen sollte?

So kamen wir gestern Freitag, 17.7. zu unserem ersten Feriensegeltag dieser Rückführung. Nach langem Ausschlafen und der Nutzung der Marina-Waschmaschine geht es am Mittag bei schönstem Wetter und wunderbaren 3 Bft aus SW los ins Wattenmeer.

Wir folgen (naja, mehr oder weniger – der Skipper optimiert gelegentlich die Navigation etwas) den ganzen Nachmittag den Fahrwassern, lassen dabei ganze Armadas von anderen Seglern links und rechts stehen und kommen kurz vor 18h tiefenentspannt in Harlingen an, wo sich die Brücke genau vor unserer Nase gerade schliesst. Wir nehmen es – eben – tiefenentspannt und sind schon daran, am Warteponton festzumachen, da geht die Brücke nochmals auf. So nett – da fand der Hafenmeister wohl auch, dass er die Zeit (die Öffnung findet immer um .55 und .25h statt) etwas knapp berechnet hatte, und lässt uns doch noch einfahren.

Das schmale lange Hafenbecken von Harlingen ist schon ziemlich gut belegt und der Hafenmeister weist uns einen Platz als zweites Boot im Päckchen an. Beim Abendspaziergang stellen wir fest, dass wir dieses holländische Städtchen noch immer sehr mögen, auch wenn es etwas sehr touristisch ausgerichtet ist. Von Corona spürt man hier nichts: die Restaurants sind voll, an den Stehtischen wird gebechert und diskutiert, am Hafen bei der Fähre nach Terschelling ist ein wirklich grosses Gewusel… nun, die Niederlande hat momentan eine Ansteckungsrate von etwa 5 Personen pro 100’000, also eigentlich wirklich keinen Grund, sich die Sommerferien vermiesen zu lassen.

Unsere Päckchen-Nachbarn wollen am Samstagmorgen mit der 08.25h-Brückenöffnung los. Das ergibt auch für uns einen Start um diese Zeit. Bänz besorgt vorher noch schnell genug frisches Brot aus der nahen Backery und schon geht’s los ins sonnige Wattenmeer. Diesmal bei strammen 4 Bft aus Süden, die uns in schneller Fahrt (wir überholen unterwegs auch mal die eine oder andere Bavaria 41) nach Vlieland bringen, wo wir eigentlich auf den passenden Wind bei schönem Wetter von Montag warten wollten. Nun hängen wir da am Anker und schwojen im Strom und Wind, während das Ankerfeld vor dem Hafen beachtlich gewachsen ist. Was die weiteren Pläne sind, d.h. ob wir morgen nochmals hier bleiben oder tatsächlich schon die ca. 30-36 Stunden zur Elbe segeln wollen, wird sich erst zeigen. Wie wir im letzten Jahr doch des öfteren sagten – mir wei luege. Jetzt wird zuerst mal der sonnige, freie Nachmittag genossen.


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