In Anbetracht der vorhergesagten «trümmligen Winde» vom Donnerstag starteten wir von Le Havre relativ spät und sehr gemütlich, nachdem wir am Morgen sogar den (elektrischen) Strom am Steg noch zum Laufen gebracht hatten und extra deshalb nochmals eine Stunde lang blieben, um alle möglichen Geräte am Landstrom zu laden. Auffällig ist, dass die Liegeplatzgebühr mit jedem Schritt west- und südwärts um ein/zwei Euros teurer geworden ist. Natürlich noch überhaupt nicht vergleichbar mit anderen Gewässern wie dem Mittelmeer, aber doch spürbar. Waren wir in Nord-Deutschland noch bei ca. 15 Euro pro Nacht für unsere 11.5m, so sind wir inzwischen in Le Havre bei € 38 angelangt. So wollten wir eben auch noch den darin inbegriffenen Strom nutzen, was uns wie gesagt erst am Morgen nach einem Neu-Kalibrieren der dafür nötigen Code-Karte durch den Hafenmeister gelang. Mit dem Wasser klappte es dann wieder nicht, bzw. wäre der nächste Gang zum Hafenmeister nötig gewesen – den sparten wir uns dann aber doch und legten bei einer ganz leichten Brise ab.
Draussen war wirklich nicht viel los und wir stellten uns auf eine lange Fahrt für kurze Wege z.B. nach Ouistreham ein, doch dann frischte der Wind immer mehr auf und unser Ziel verschob sich mit jeder Stunde weiter westwärts, bis wir irgendwann den schwierigen Entscheid treffen mussten, ob wir uns auf den Wind verlassen und sogar an die NW-Ecke der Baie de Seine zielen sollten oder doch eher früher abfallen und nach Port en Bessin oder so hinein. Für Letzteres sprach, dass es auf dem «Plateau Calvados» liegt, was uns natürlich sofort anzog. Aber für Ersteres sprach die Nähe zur Ecke von Barfleur, die am nächsten Morgen dann bei wenig Wind umfahren werden könnte. Dies empfiehlt sich bei Wind gegen Strom Verhältnissen an dieser Ecke ziemlich. Im Reeds, der «Seglerbibel» mit Küsten- und Hafeninformationen, steht sehr deutlich, dass hier auch bei moderaten Winden gegen den Strom eine sehr unangenehme, «stopping» See entstehe. Somit werden die Segel so dicht genommen wie möglich und wir nehmen Kurs auf St. Vaast-La-Hogue, was wir fast schaffen, bevor der Wind wieder nachlässt und genau auf die Nase dreht. Wir kommen deshalb in St.Vaast etwas später an als erhofft, aber es hätte sowieso nicht mehr in den Hafen gereicht und eigentlich gefällt uns das Ankern sowieso besser bei guten Verhältnissen, welche wir hier auch haben. Es wird ein wunderschöner Abend am Anker. Das Abendlicht verzaubert die Landschaft und dazu ertönt vom Land her die Musik eines Konzerts, während der Wind allmählich einschläft und nur noch die kleinen Wellchen an die Bordwand schwappen. Einfach wunderbar.
Der nächste Morgen empfängt uns dann mit grauem Himmel, aus welchem es gelegentlich drizzelt. Der leichte Wind kommt aus SW-West und wir können tatsächlich an Barfleur vorbei nach Norden segeln. An der Ecke sind wir genau zur Zeit, als der Strom für diesen Tag am stärksten ist. Es schüttelt uns trotz der noch immer leichten Winde von ca. 3 Bft doch recht durch und die Steuerfrau wird nicht nur vom Drizzle sondern gelegentlich auch vom Spritzwasser nass, aber das Ganze wird durch den Speed over Ground von mehr als 10kn wett gemacht. So werden die 30 SM von St. Vaast nach Cherbourg, das wir für einmal vorher als Ziel festgelegt hatten, zu einer sehr kurzen Fahrt.
Bis wir in Cherbourg ankommen hat sich auch das Wetter wieder erholt und die Sonne kommt hervor, wie wir das inzwischen gewohnt sind. In Cherbourg kommt dann auch der Wurm ein wenig in unseren Tag. Beim Bergen des Grosssegels kommen wir noch gaaaanz knapp an einem ZS durch die Police Maritime vorbei, als wir ungebührlich nah ans militärische Sperrgebiet geraten. Das Boot der PM nimmt schon drohend Fahrt auf uns zu, als wir das Segel gerade fertig aufgebaumt haben und Kurs ändern können. Uff, noch mal Glück gehabt!
Das Anlegemanöver geht dann gründlich schief – zum ersten Mal mit unserer X-37. Im Nachhinein ist uns klar, was wir alles hätten anders machen sollen. Aber im Moment verkommen wir zum absoluten Hafenmanöverkino für die unzähligen Briten und Holländer am Steg. Zuerst will mir das rückwärts Einparkieren nicht gelingen, weil ich den Bug nicht mehr gegen den Wind hoch kriege. Als ich entnervt das Ruder dem Skipper übergebe ist er wohl auch noch etwas genervt und verwechselt schlicht im falschen Moment das Rückwärts- und das Vorwärts-Gas, dass es mit unserem Heck an der Badeleiter eines anderen Boots ordentlich kracht. Die zahlreichen «hilfreichen» Zurufe vom Steg mit «en avant, en avant!» und «en arrière, en arrière!» lösten dabei das Problem nicht wirklich und Bänz meint später, er hätte sich lieber aufwärts in Luft aufgelöst oder abwärts im Wasser versunken, als vor- oder rückwärts zu fahren. Beim anderen Boot hat die Badeleiter den Schock grossteils absorbiert, bei uns leider nicht; wir haben eine tiefe Schramme im Heck. Wir sind beide auch noch geschockt, dass uns das so passieren kann und suchen beide danach die Beruhigung in bekannten Beschäftigungen. Bänz spritzt das Boot ab und ich gehe Mittagessen machen. Danach geht’s uns wieder besser und als der Nachbar auf sein Boot zurück kommt und auf Bänzs Hinweis auf die Verbiegung seiner Badeleiter (sie geht nicht mehr ganz ins Wasser im Moment…) mit britischem Understatement festhält, dass «sh.. happens», sind wir wieder soweit ok, dass wir uns um Einchecken, Einkauf (blauer Gelcoat-Filler muss her) und erste Reparaturen kümmern können.
Beim Einchecken wird uns ein ganzes Paket von Informationen, kleinen Guetzli, ein Plastikbeutel für die Sammlung von Plastikabfall und die Einladung zum Welcome-Apéro am Abend gegeben. Der Tag bessert sich allmählich… ?
Cherbourg erlebe ich bei diesem Besuch ganz anders als im April, als wir mit dem CCS-Boot hier waren. Es wirkt – wie jeder Ort – in der Sonne und mit mehr Menschen auf den Strassen halt lebendiger und freundlicher. Mir gefallen die normannischen Steinhäuser, aber auch die teils sehr farbig gestalteten Läden und Geschäfte. Auch hier gibt’s viele, die geschlossen sind, aber irgendwie wirkt es hier nicht so trist im Moment. In den Cafés und auch auf den Plätzen sitzen viele Menschen in der Sonne und geniessen den schönen Tag. Mit Mühe kann ich Bänz am schönen Gemüse- und Früchteladen vorbei lotsen (er hat mich vorher an einer schönen Boulangerie vorbei geschleppt). Im grossen Carrefour an der Ecke des Fischereihafens besorgen wir uns frische Baguettes, Nachschub beim Rosé und eine schöne Pâté – davon hatte ich schon länger geträumt. Den Abend verbringen wir an Bord (nach dem Apéro in der Capitanerie – eine sehr sympathische Tradition, die anscheinend im Juli/August jeden Freitag stattfindet) und fangen mit den Reparatur- und Büroarbeiten an.
Der Samstag war sowieso als Hafentag eingeplant. Ich hatte es so geplant, dass ich nach zwei Wochen Abschalten diesen Tag einlegen würde. Dass der Hafentag nun auch wegen der Heckreparatur nötig wurde, «passte» somit in den Plan, wenn auch unnötigerweise. Bänz klebte und schliff fleissig und kümmerte sich dazwischen um andere Installationsfragen wie z.B. die Fernbedienung für den Autopiloten, während ich mit dem Laptop im Cockpit beschäftigt war.
Für einen zweiten Spaziergang durch Cherbourg reichte es auch am Samstag noch. Offensichtlich ist der Tag vor dem 14 Juillet in Frankreich ein beliebter Hochzeitstag – es waren so viele Hochzeitsgesellschaften gleichzeitig unterwegs, dass man schon fast annehmen musste, dass hier in Multipacks geheiratet wird.
Für den Abend haben wir im Le Plouc ein Tischchen für zwei reserviert – dorthin machen wir uns jetzt gleich auf den Weg, sobald dieser Bericht hochgeladen ist. Ich freue mich schon auf ein feines Fisch-Essen!
Es war wie erwartet und wie immer einfach Spitze. Das Le Plouc 2 können wir jedem noch immer empfehlen!