14.1. Gestern stand ganz im Zeichen der Frage, ob unsere Routenwahl aufgehen würde, oder ob wir nach 150 SM Umweg nach der Halse wieder mit 2-3 Knoten Gegenstrom konfrontiert würden. Und dann? Müssten wir noch weiter südlich fahren? Und wenn ja, wie weit? Wir wollten ja eigentlich nicht nach Brasilien…? Ein Va-Banque-Spiel, auch wenn wir diverse (grossmasstabliche) Karten hatten, um uns daran zu orientieren. (Die hatten wir auch vorher gehabt, nur nicht genau genug studiert… Der Counter Current Pfeil geht halt einfach unter zwischen den grossen globalen Strömen.)
Die Gedanken kreisten oft um dieses Thema und wir beobachteten das Wasser und den Strom genau, in dem wir uns gerade bewegten.
Es bliesen weiterhin 5 Bft mit teils kräftigen 6-Bft-Böen aus Ost. Das Wellenbild war konfus, mit grosser Dünung aus (Nord-)Ost und beachtlichen Wellen aus allen möglichen anderen Richtungen. Gegen Mittag begann sich das Wasser zu verändern. Entdeckten wir da eine Beruhigung der Strom gegen Wind Situation? Oder war das nur Wunschdenken? Während wir die Instrumente studierten, um weitere Anhaltspunkte zu bekommen, stieg der GPS aus. Es piepste aufgeregt und meldete „lost fix“… was denn nun?
Wir suchten mehr Information im Wetterrouting-Programm. Dafür wurde die Kommunikationsrunde spontan auf den Morgen verlegt und Starlink aktiviert. Wetterwelt bestätigte den Bericht vom Vortag nochmals: wenn wir auf 5°13 N hinunter kämen, sollten wir dort auf den westwärts setzenden Strom treffen. Und schon vorher würde er in südliche Richtung drehen, d.h. uns auf dem Weg nach Süden unterstützen.
Unterdessen hatte der Skipper die Instrumente ein paarmal aus- und wieder eingeschaltet und nach einer gespannten Pause zeigten die Anzeigen wieder glaubhafte Werte an. Skippers Kommentar: „War wohl zu lange immer eingeschaltet“… Naja, hoffentlich wollen Instrumente mit zunehmendem Alter nicht auf Teilzeit-Arbeitsmodelle umstellen.
Nachmittags stellten wir freudig fest, dass der Strom uns tatsächlich nach Süden mitnahm und wir frohlockten über die Fahrt über Grund – Angaben, die der Plotter zeigte, und die wir schon lange nicht mehr gesehen hatten: 6.5 Knoten, 7 Knoten, … so solls sein!
Gegen Abend stieg die Spannung ins Unermessliche: wir näherten uns der Linie, ab welcher gemäss Routingprogramm der Strom nicht nur südwärts, sondern auch westwärts ziehen sollte. Gespannt beobachteten wir Wellen und Plotter. War das nun ein Anzeichen, wenn der Schaum der Brecher nach links zog, oder nur Zufall oder Einbildung? Und wo würde der Strompfeil vom Plotter zur Ruhe kommen, wenn er aufhörte, ständig Kreise ums Boot zu ziehen?
Unterdessen ging das Bordleben in gewohnten Bahnen weiter. Der Skipper kümmerte sich um Bootspendenzen, die Crew begann, die vorbereiteten Moskitonetze weiter zu verarbeiten. Wir haben beschlossen, dass wir im Durchgang zur Vorschiffskoje, in der wir wenn wir stationär sind normalerweise schlafen, ebenfalls ein Moskitonetz montieren werden. Vielleicht hilfts ja dort, wo es dann relevant wird (in den Flussläufen von Franz. Guyana und Suriname). Wenn wir dort überhaupt ankommen…
Am Nachmittag begann der Optimismus, sich zu regen: das Wellenbild hatte sich wieder verändert. Und wir näherten uns unserem Halse-Waypoint. Sollten wir es noch vor dem Eindunkeln wagen und halsen, oder doch noch ein wenig warten?
Es wurde ein wunderschöner Abend und wir beschlossen, den frühen Sundowner noch auf dem alten Bug zu geniessen. Der Skipper hatte bis um 21h Freiwache und legte sich zum Schlafen, ich genoss das Schauspiel mit dem Mondaufgang im Osten und dem pastellfarbenen Sonnenuntergang im Westen.
Kaum hatte es eingedunkelt, gesellte sich unser blinder Passagier wieder zu uns: ein schwarzer Vogel, der schon in der Nacht zuvor eine sehr unruhige Fahrt auf dem Bimini mitgemacht hatte, setzte sich zuerst auf den Aussenborder am Heck, dann später passend auf den Baum. Jede Welle musste er ausgleichen, mit zahllosen Ausfallschritten, Hüpfern und Flügelhebern. Ob das wirklich entspannt war? Er blieb uns aber auch diese Nacht treu, sogar während der Halse noch auf dem Aussenborder und verliess uns erst wieder, als der nächste Tag zu dämmern begann. Das Foto wurde schwierig: schwarzer Vogel kontrastiert schlecht mit Mondnacht.
Kurz vor neun Uhr wurde der Skipper geweckt. Zum Wachwechsel hin war die Halse geplant. Sie gelang auch im Dunkeln problemlos. Sea magiX drehte mit dem Heck durch den Wind und legte sich auf die neue (Backbord-)Seite. Und zog wie auf Schienen mit 6.5 und 7 Knoten Fahrt nach Westen… Uff, aufgegangen! Der Strom hatte tatsächlich gedreht, zog jetzt nach Westsüdwest und half uns, endlich wieder direkt aufs Ziel hin zu fahren. Welch schönes Gefühl!
14.1. Heute Morgen früh liess der Wind mit dem Sonnenaufgang allmählich nach. Das schöne Schauspiel – diesmal mit dem Mond im Westen und der Sonne im Osten – konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass wir allmählich an Fahrt verloren.
Wir brauchten mehr Segel. Kaum war der Tag ganz da, machten wir uns daran, das Grosssegel zum ersten Mal auf dieser Überfahrt zu setzen. Eine Operation von etwa einer Stunde. Zuerst mit zwei Reffs (Verkleinerungen), dann nach dem Müeslifrühstück nur noch mit einem. Schweisstreibende Knochenarbeit bei schon jetzt ca. 29 Grad!
Der Wind ist leider schon wieder ziemlich löchrig. Leonie kommt damit (und mit den noch grösseren Ausschlägen wegen der viel grösseren Segelfläche) nicht recht zurecht, deshalb steuert jetzt Erich wieder, unser elektrischer Autopilot.
Wir sitzen beide im Cockpit, von Kopf bis Fuss mit Sonnencreme beschmiert, und suchen Schatten. Zum Glück ist momentan noch genügend Wind da, so dass er etwas kühlen kann. Der Skipper liest und hütet gleichzeitig die wieder ausgelegte Fischerleine, wie auch Erich. Und ich schreibe offensichtlich. 😊
Je nach Windstärke (die zwischen 10 und 16 Knoten schwankt), fahren wir mit 5 bis mehr als 7 Knoten durchs Wasser. Und freuen uns, dass da noch etwa ein halber Knopf Strom dazu kommt. Die Segel „flappen“ gelegentlich in den Wellen, aber es ist noch erträglich. Noch sind es ca. 420 SM bis zum Ziel. Wir hoffen, dass der Wind noch lange hält, denn für so viele Meilen reicht der Diesel sicher nicht. Es bleibt spannend!