Der Start am Freitag war wie üblich gedrängt und intensiv. Doch dann waren irgendwann die letzten Virtuellen Meetings und Telekonferenzen vorbei. Unsere liebenswerten Nachbarn Vroni und Paul lösten unser Logistikthema für uns und ersparten uns die komplizierte Organisation mit Velo- und Autotransport. Wie schon so oft freuen wir uns über unser Nachbarsglück.
Bis zum und am Flughafen werden noch die letzten Mails und Powerpoints abgeschickt, dann legen wir beide den Schalter um auf „Out of Office“. Tom ist ebenfalls auf dem gleichen Flug und gegen 21h sind wir – etwas abgekämpft aber glücklich am Steg des Eideryachtclubs bei Rendsburg und steigen auf unser geduldig wartendes Boot. Da ertönt auch schon ein Pfeifen und Rufen vom Ufer her; unsere Freunde Alex und Ursula haben uns schon erspäht und kommen uns sogleich begrüssen. Es ist schön, sie an Bord zu sehen – sie werden morgen nach Osten aufbrechen und wollen nach St. Petersburg, wo wir mit der X-35 vor etwa 10 Jahren gewesen waren, und wir haben ihren Parasail Spi von ihnen zum Ausprobieren bekommen und hoffen nun, dass der uns bald nach Westen blasen wird. Hmmm, Ostwind? Naja, hoffen wir mal. Gemeinsam leeren wir im Cockpit eine Flasche Prosecco und Aperol als Ferienstart-/Ankertrunk und verpflegen uns mit Aperogebäck, weil alle viel zu müde sind, um noch irgendwelche Spaghetti zu kochen.
Den Samstag nutzen wir zum Einkaufen mit dem Mietauto am Morgen und bescheren der Dame an der Kasse einen Tagesumsatz mit unseren prallvollen Wägelchen. Siie fragt scheu, ob wir denn Urlaub in der Gegend machen würden, und ist etwas beruhigt, als wir ihr erklären, dass wir mit dem Boot unterwegs seien. Tja, sonst fragt man sich wohl tatsächlich etwas, angesichts der vielen Frischkäse-, Butter-/Margarine- oder Sandwichfleischpackungen, die sie da durchzählt. Am Nachmittag verpassen wir den kleinen Fussball-WM-Final im Nord-Ostsee-Kanal und mich schläfert das monotone Brummen des Motors fast gewaltsam ein, so dass ich gleich zwei weitere Stunden Schlaf aus den letzten Wochen nachhole. Von der Fahrt bekomme ich nicht viel mit, ausser dass das Wetter am späteren Nachmittag aufklart und bis am Abend wieder schönster Sonnenschein herrscht. Wir kennen den NOK inzwischen doch recht gut, aber ich finde ihn immer wieder schön, mit seinen hohen Bäumen, dem Radweg und vielen fröhlichen Ausflüglern, und mit den schmucken Fähren und Kneipen am Ufer. Vor Brunsbüttel beginnen dann die Industrie- und Werftbauten wieder Überhand zu nehmen und die Baustelle der noch immer zu reparierenden grossen Schleuse ist ebenfalls ziemlich auffällig. Der kleine Wartehafen vor den Schleusen ist schon gut gefüllt, aber hier ist man das Päckchenliegen gewohnt und wir werden sehr hilfsbereit und freundlich längsseits an einer Najad empfangen. Es entwickelt sich nur ein kurzes Gespräch, denn wir sind alle hungrig und wollen in Brunsbüttel einen Pannfisch suchen gehen. Das Ergebnis ist allerdings dann zwar Pizza und Spätzlepfanne in der Pizza Factory, aber auch die sind durchaus empfehlenswert.
Am Sonntagmorgen geht der Wecker um 4.00h los, um möglichst viel der auslaufenden Tide in Richtung Helgoland zu erwischen. Es herrscht eine wunderbare, friedliche Morgenstimmung. Noch schläft der grösste Teil der Seglergemeinde im kleinen Hafen. Das Wasser ist glatt wie poliert, und darin spiegeln sich die rosa-blau-roten Töne des Morgenhimmels. In die Schleuse dürfen wir zwar relativ bald, nach etwa einer Viertelstunde, aber drinnen warten wir dann nochmals mindestens eine halbe Stunde, die wir gerne noch weiter verschlafen hätten. Auf der Elbe läufts dann mit bis zu 9kn Westwärts, obwohl wir nur ca. 5kn Wind haben. Angesichts des strahlenden Sonnenscheins über dem morgendlichen Seenebel, der angenehmen Sommerbrise und des mitlaufenden Stroms erwachen auch bald – zugegeben, auch nach einem Kaffee und Tee – an Bord die Lebensgeister. Friedlich kreuzen wir die Elbe abwärts und geniessen das leise Plätschern des Wassers am Rumpf, die leichten Krängbewegungen des Bootes, das Glitzern der Sonne auf dem Wasser und auch den schönen Anblick unserer neuen Genua. Die steht wirklich vorbildlich!
Unterwegs werden wir nach ein paar Stunden von einem Pulk von motorenden Segeljachten überholt – das war wohl die nächste Schleusung. Aber sie halten, soweit wir das erkennen können, alle direkt auf den Hafen von Cuxhaven zu. Wir ziehen weiter daran vorbei und nehmen dann bald danach die Abzweigung ins Lüchterloch, um dort hinauf aus der Elbemündung zu zielen. Karte, Plotter und Peilkompass in den Ferngläsern passen nicht ganz zusammen; wir tümpeln aber gemütlich entlang der Bojen. Bei diesem ruhigen Wetter sind die untiefen Sände rechts und links des Fahrwassers recht gut am Wasser erkennbar. Wir tümpeln so lange bei immer mehr nachlassendem Wind, bis wir ein erstes Mal eine Volldrehung machen – dann wird’s auch dem Skipper zu blöd und wir lassen die Maschine an. Leider haben wir etwas lang gewartet und müssen bald gegen den Strom motoren – es werden bis zu 3kn Gegenstrom in dem schmalen Fahrwasser!
Allmählich taucht Helgoland vor dem Bug auf. Das Wasser wird wieder spiegelglatt, und die Jungs finden alle möglichen Basteleien auf der To-Do-Liste, während ich den Autopiloten hüte, der einmal plötzlich einen Aussetzer hat und uns in einen engen Kreis fährt. Genau als der Wassermacher erstmals in Betrieb genommen wird, fängt es rundum an, ganz grässlich nach Fisch zu stinken. Ich habe zuerst irgend einen grossen Fischfabrik-Sünder im Verdacht, aber dann stellt es sich heraus, dass wir gerade mitten durch einen riesigen Algenteppich pflügen. Das Wasser wird zu einer bräunlichen Brühe und stinkt wie 1000 Thunfischdosen. Mich schüttelt es – in dieser Nordsee bade ich nicht so schnell!
Der Wassermacher produziert aber absolut sauberes, geschmacksneutrales Trinkwasser. Wir sind beeindruckt von der Technik. Bald sind alle leeren Wasserbehälter gefüllt und der Wassermacher wieder ausgeschaltet.
Helgoland empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und einmal mehr netten Menschen; obwohl wir 5 Minuten nach der Schliesszeit der Tankstelle ankommen, machen die beiden den Laden extra für uns nochmals auf – wir sind sehr dankbar, denn Hochwasser wäre morgen sonst wieder zu einer ungünstigen Zeit. Im Hafen ist dann mal wieder Päckchen-Time; wir sind das 7. Boot im Päckchen und unsere nette Nachbarin meint, sie hätten schon eine Landleine und wir bräuchten nicht auch noch eine zu verlegen. Sehr entspannt hier!
Bald nach dem Ankertrunk machen sich die Jungs auf, auf die Suche nach einer Sport-Bar mit Fernseher und WLan für den WM-Final. Wir treffen uns in einer Bar, die gerammelt voll ist mit Fussball-Beobachtern, die erstaunlich ruhig den Final beobachten. Aber vielleicht ist da nicht mehr so viel Emotion drin seitdem Deutschland ausgeschieden ist…
Wir nutzen das WLan für alle möglichen Wetterberichte und auch für das Hochladen dieser Zeilen. Die Fotos müssen etwas später folgen.