Noch sind wir unterwegs und somit wäre es sicher verfrüht, ein abschliessendes Urteil über unsere Überfahrt über die Biskaya zu fällen. Was ich bisher nur sagen kann ist, dass ich sie als «Meer der ungezählten Wellen- und Windarten» erlebt habe.
Es ist (kurz im Logbuch nachsehen…) Samstag, 27. Juli kurz vor Mittag und seit bald 10 Stunden läuft – mit einer Unterbrechung von gerade mal 20 Minuten – der Motor. Wir sind wohl gerade mitten in einem kleinen Tiefdruckgebiet. Dort, wo die Wetterkarten kleine Kreischen zeigen, die 0 Wind bedeuten, bzw. kurze kleine Pfeilchen aus allen Richtungen. Rund um uns ist graues, fast glattes Wasser, das nur durch die noch immer beachtliche und konfuse Dünung bewegt wird. Kein Schiff, keine Möwe und momentan auch kein Delfin oder Wal (siehe weiter unten…). Am Himmel hängt die einzige Abwechslung: da stehen immer mal wieder dicke Wolken mit schwarzen Strichen nach unten; Schauerwolken. Weshalb ich auch in der Oelzeughose hier sitze und nicht im T-Shirt. Das ist wohl das längste zusammenhängende Gesicht der Biskaya, das wir in dieser Fahrt erlebt haben und wie Bänz auch über die anderen Versionen gesagt hat: wir sind offenen Auges in dieses Fenster gestartet und wussten, was kommt. Das heisst aber aus meiner Sicht noch lange nicht, dass es uns gefallen muss. Trotzdem – die Stimmung an Bord ist entspannt und es geht uns beiden bestens, auch wenn wir nicht gerade ausgeschlafen sind.
Angefangen hat diese Überfahrt bei schönstem Wetter und mit 2-3 Bft genau aus SW, wohin wir wollen. So segelten wir eben südwärts, immer hoch am Wind. Das bedeutet, dass das Boot und somit unsere kleine Welt schräg hängt (Du hattest recht, liebe Madeleine!) und in die Wellen fährt und es ist auch kein Kurs, den Leonie gut steuern kann. Die Folgen für das Leben an Bord habe ich schon früher beschrieben. Kurz zusammengefasst: anstrengend.
Die Biskaya ist vor allem bekannt für ihren Wellengang und wir verstanden schon nach wenigen Stunden genauer, warum das so ist. Die Bucht bildet der französischen Küste entlang bis etwa 70-90 Seemeilen hinaus ein Plateau, das etwa 150m tief ist, dann folgen etwa 30 SM mit dem Abhang ins Tiefe, der von «Canyons» durchzogen ist, und dann folgt das wirklich tiefe Wasser mit ca. 3-4000 m (nein, keine Null zu viel). Durch diese Unterwasserform bildet sich eine hohe Dünung, die im französischen maritimen Wetterbericht für diese Gegend jeweils sogar angegeben ist. Für unsere Zeitspanne war «houle» von zwischen 3 und 5-7m angekündigt. Diese Dünung vermischt sich dann mit den Wind-Wellen, die völlig quer zur Dünung stehen können, und diese werden dann noch durch den Strom, der auch hier draussen mit etwa 1/2kn Stärke wirkt, teilweise noch aufgeschaukelt. Der Vermerk im Logbuch: «holprig». Das Boot erklimmt die hohen Dünungswellen wirklich wie einen kleinen Hügel. Oben angekommen beschleunigt es auf der anderen Seite wieder hinunter. Dazu kommen dann die Wind-/Stromwellen, die es in unserem Fall von rechts oder genau von vorne treffen, stoppen, schubsen, anheben oder ins Leere klatschen lassen. Das gibt nicht nur viel Bewegung für Schiff und Crew, sondern auch viel Lärm: ein Knallen, Knarzen, Knirschen, Quietschen und Pfeifen, an das man sich jedoch irgendwann gewöhnt.
Am späteren Nachmittag drehte der Wind dann auf weiter westlich, so dass wir bald ungefähr den Kurs anlegen konnten, den wir für die West-Ecke der riesigen Bucht brauchten. Es folgte bald dann auch ein Reff und die Verkleinerung der Genua. Der Wind pendelte ständig um ca. 30° hin und her und war mal stärker, mal schwächer; es erforderte konzentriertes «von-Hand-Segeln».
Aber eben – wir waren ja mit offenen Augen dahinein gestartet. Obwohl wir uns von Anfang an darum bemühten, stellte sich auch die Schlafroutine noch nicht so ein wie gewünscht. Einerseits verständlich, da es wirklich schwierig war, bei dem Geholpere überhaupt in gleicher Stellung liegen zu bleiben, geschweige denn zu schlafen, andererseits doch ungünstig, denn wir wissen ja schon, wie wichtig die Schlafphasen sind bei diesen Überfahrten.
Kaum wurde es dunkel, fing es auch noch an zu regnen. Es war wirklich wirklich dunkel – so, dass man weder Konturen von Wellen, noch irgendwelche Sterne oder Wolkenränder zur Orientierung entdecken konnte. Ähnlich wie bei unserer Nebelfahrt von Roscoff fehlte der Horizont und wir waren absolut auf die Instrumente angewiesen; Blindflug im Wasser. Es war klar, dass zumindest ich dies nicht eine Nacht lang so steuern können würde und somit kamen Gisela und Erich als Dreamteam zum Zug. Unser elektrischer Autopilot kann seit dem Hafentag in Douarnenez jetzt auch in Abhängigkeit zur Windrichtung eingestellt werden. Diese Funktion war auf jenem Kurs unglaublich nützlich, denn sie erlaubte es, weiterhin hoch am Wind zu bleiben und gleichzeitig piepste Erich immer, sobald eine grössere Kursänderung durch eine Windänderung erfolgt war. Das hielt den Wachhabenden wach, denn er musste alle paar Minuten das Piepen quittieren ?. Unterdessen produzierte Gisela jeweils den nötigen Strom für Erich und mindestens ein Crewmitglied konnte dann auch etwas schlafen – oder zumindest liegen. Eben – Dreamteam.
Am Freitag kamen wir dann allmählich in die gewünschte Routine. Das Wetter klarte im Verlauf des Morgens auf und gegen Mittag waren wir im tieferen Wasser angelangt, so dass die Dünung länger und der Wellengang weniger «bumpy» wurde. Während eine/r draussen steuerte oder Leonie hütete, die dann auch irgendwann übernehmen konnte, als der Wind endlich auf westlicher drehte, schlief der/die andere – zumeist noch im Salon, d.h. in der Mitte des Boots, wo die Bewegungen am kleinsten sind. Ein wichtiger Punkt bei dieser Fahrt war bisher auch die Temperatur: nicht einmal ich hatte je kalt auf dieser Strecke; auch nicht, wenn es regnete und wir am Wind steuerten: das sind normalerweise die kältesten Verhältnisse wenn Wind-chill und Regenkälte zusammen kommen. So kam auch der routinemässig mit heissem Wasser gefüllte Thermos nicht zu seinen üblichen Diensten mit Quicksoups und heissem Tee. Mit dem vorgekochten Ragout, das nur kurz aufgewärmt werden musste, entspannte sich die Lage weiter.
Bis zum ersten von drei Wal-Alarmen: wir sahen tatsächlich dreimal Wale und waren doch nicht geistesgegenwärtig genug, zu fotografieren. Die ersten zwei Sichtungen waren sehr nah, weil wir die Tiere wahrscheinlich im Schlaf überrascht hatten und sie direkt auf unserem Kurs lagen. Die zweite war mir sogar etwas zu nah, denn ich fürchtete, dass er sich für die Störung durch einen leichten Schlag mit der Schwanzflosse bei uns «bedanken» könnte. Sein grosser, schwarzer Rücken lag nur wenige vor und neben uns fast direkt auf unserem Kurs.
Aber der grosse, schwarze Rücken tauchte nur mit einem kurzen – wohl etwas empörten – Blasen und einem Aufheben der Schwanzflosse ab. Die dritte Sichtung war noch etwas Spezieller: ich hatte im Gegenlicht die hohen Fontänen gesehen und Bänz aus der Koje gerufen. Wir standen im Cockpit (einer von uns in Unterhose… ;-)) und schauten angestrengt zu den Fontänen, da platschte es im Augenwinkel: gleichzeitig zog eine Delphin-Schule vorbei und sprang hoch und freudig aus dem Wasser. Leider kamen sie nicht zu uns, um uns zu begleiten. Ihr Kurs zeigte offensichtlich wo anders hin.
Am Freitagabend vor genau vier Wochen waren wir in der Schweiz losgefahren. Zeit, kurz innezuhalten (Naja – quasi en route und bitte nur im übertragenen Sinn) und zurück zu schauen. Wir können auf vier wunderbare gemeinsame Wochen zurückblicken. Noch sind wir wohl noch immer nicht im Langzeitsegler-Modus angekommen. Wir haben viele SM gesegelt in dieser Zeit und viele schöne Hafen/Buchten/Orte gesehen. Was wir in der Vorbereitung in anderen Blogs oft gelesen hatten, dass die Reisenden sich ab und zu ein-zwei Tage Zeit nahmen, um auch Inland Orte und Sehenswürdigkeiten zu besuchen, haben wir bisher nicht gemacht. Gefehlt hat uns das aber bisher auch nicht; das liegt wohl an unserem eben doch recht klar definierten Zeitplan wegen meiner begrenzten Beteiligung. Vielleicht ändert sich das ja jetzt in Spanien und Portugal. Ebenso haben wir bisher auch noch nicht viel Anschluss bei anderen Langzeitseglern gesucht oder gefunden. Erstens hatten wir nicht viel Gelegenheit, diesen zu begegnen (die Orte, wo sich solche Boote treffen, liegen noch vor uns) und zweitens geniessen wir derzeit vor allem unsere Zeit zu zweit. Davon hatten wir in den letzten Jahren aus beruflichen Gründen nicht übermässig viel und so passt es gerade bestens für uns. Auch nach konkretem darüber Nachdenken kommen wir auf keine wesentlichen Änderungen, die wir vornehmen würden, wenn wir jetzt nochmals am 28. Juni wären. Sea magiX ist in wirklich sehr gutem Zustand für unser Vorhaben. Die Ausrüstung ist vollständig und funktioniert wie geplant. Die Solarpanels und Gisela liefern den Strom, den wir benötigen, Wasser haben wir jeweils genug und auch Küche und Werkzeug sind gut ausgerüstet. Kleider haben wir beide zu viele dabei, aber das, was wir brauchen, ist in jedem Fall da. Bei Gelegenheit werden wir einmal die wichtigsten Details, die sich besonders bewährt haben, auflisten. Für den Moment gilt vor allem: wir freuen uns sehr auf die nächsten vier Wochen.
Inzwischen sind wir angekommen – in Cedeira, einem Ort ca. 25SM nördlich von La Coruña. Es ist wunderschön hier am Anker. Nach etwas Hin und Her haben wir uns darauf geeinigt, dass uns die Landschaft an die Französischen Alpen erinnert. Nur die Musik, die vom Land her zu uns geweht wird, passt nicht so. Das sind nach meinem Dafürhalten nebst Trommeln auch Dudelsäcke, also sehr keltisch. Wahrscheinlich verpassen wir gerade das Fest der Feste am letzten Samstag im Juli… Aber für heute wäre das wirklich nicht mehr gefragt. Wir haben wohl doch noch nicht ganz so viel geschlafen, auch wenn die letzten 17 Stunden leider nur der Motor lief. Immerhin hat’s noch für eine Cockpitdusche gereicht: so waren wir frischt geputzt und frisiert für die Ankunft.
Eine leichte Brise bläst aus dem Tal, wir liegen sicher am Anker und schwoien ein wenig umher, das Wasser schwappt gelegentlich ans Heck und ab und zu hört man einen Hahn krähen (naja, hat sich wohl in der Tageszeit etwas vertan, oder vielleicht sind auch für Hühner und Hähne die Zeiten in Spanien anders als im Rest Europas) und wir haben soeben einen (ähm, doppelten) Ankertrunk genossen. Nun freuen wir uns auf Gschwellti mit Chäs, gefolgt von einer ganz ruhigen, langen Nacht am Anker und werden dann schauen, was morgen und in den nächsten Tagen so laufen wird. Ab jetzt gilt klar: Ferienmodus… Und zumindest der erste Ort dafür gefällt uns sehr.