sea magiX ist weiterhin flott unterwegs. Heute Mittag waren es noch 650 Seemeilen bis Barbados. An Bord geht es erlebnisreich zu uns her. Doch lest selbst die jüngsten Berichte der Bordautorin. Viel Spass!:
Mi., 18.12., Tag 15: Kleiner Indoor-Tsunami
Seit gestern segeln wir im Passat, bei oft blauem Himmel, mit Passatwolken und 5-6 Bft Wind aus Ost. Gestern noch ab und zu ENE, seit heute klar E und ab und zu ESE. Heute haben wir auch die Genua erstmals seit langem wieder ganz ausgerollt und ? erstmals ueberhaupt fuer mehrere Stunden auch ausgebaumt. Der zweimal gekuerzte Genuabaum ist zu unserer Ueberraschung noch immer zu lang. Aber wie schon erwaehnt; jetzt sind keine unverarbeiteten Edelstahlnieten mehr verfuegbar an Bord. Und andere koennen wir dafuer nicht brauchen.
Es ist richtig heiss wenn die Sonne scheint und auch nachts inzwischen so warm, dass auch die Naechte des Oelzeugs – mindestens der Jacke – allmaehlich zur Neige gehen. Heute Nacht trugen wir sie, weil es zu Beginn der Nacht aus einigen der Wolken regnete und wir hofften, das Oelzeug so etwas spuelen zu koennen. Aber der Regen war zu schwach und weichte die Salzkrusten im Oelzeug nur etwas auf, statt es auszuspuelen. Nicht nur wir, auch das Schiff ist sehr salzig. Im Cockpit nutzen wir Suesswasser vom Wassermacher-Vorlauf, oder auch sonst «uebriges» Suesswasser, um gelegentlich mit einem Schwamm die Baenke und die Stuetzen, an welchen wir uns immer festhalten, abzuwischen. So kann man sich meistens auch ohne Oelzeug hinsetzen, ohne gleich mit Salz bedeckt zu sein. Aber ausserhalb des Cockpits macht das ohne richtigen Regen keinen Sinn. Und eigentlich wuenschen wir uns den ja nicht wirklich, bzw. nur in ganz begrenztem Mass.
Gestern wollten wir den ersten Passat-Tag auch so richtig geniessen, mit Cockpitdusche, Lesen in der Sonne bzw. im Schatten, je nach Praeferenzen, etc. Aber das Programm wurde durch aeussere Umstaende etwas geaendert, bzw. verschoben. Wir hatten soeben die Berichte fuer diesen Blog bereitgestellt, um sie an Paddy zu senden. Um den Laptop noch aufzuladen, hatte ich ihn soeben im Kartentisch verstaut und war daran, das Mail am Mobile zu schreiben. Baenz stand im Niedergang mit dem Satellitentelefon und dem Satelliten-Hotspot. Sea magiX kam mal wieder ins Schwingen: bei bestimmten Wellen-Wind-Kombinationen schaukelt sie sich so richtig hoch, dass irgendwann die Fussleisten abwechselnd auf beiden Seiten ins Wasser eintauchen. Das machte sie auch diesmal und wir stuetzten uns wie immer irgendwo ab und gingen daran, das Mail zu senden. Da klatschte aussen eine Welle ans Bord und im gleichen Moment flog innen das vom Ueberlauf gesammelte und ebenfalls aufgeschaukelte Wasser aus dem Abwaschbecken in hohem Bogen von rechts nach links und ergoss sich in einem kleinen Tsunami literweise ueber das Schaltpanel, den Kartentisch und mich mit Handy. Im Kartentisch bildete sich sofort ein kleiner See, der dann auch froehlich weiter hinunter und bis unter die Bodenbretter schwappte. Laptop und Handy retten, Kartentisch, Schaltpanel und Seitenfach ausraeumen und trocknen, Bodenbretter heben und darunter trocknen – der Nachmittag war gelaufen.
Ein Gutes hatte das Ganze aber schon: da wir sowieso auch die Bodenbretter weiter vorne aufschrauben und darunter trocknen mussten, konnten wir gleich die Gelegenheit nutzen und unsere Vorraete begutachten. Wir werden wirklich auch bei mehreren Tagen Flaute nicht verhungern. Und fast das Wichtigste: auch die restliche Schokolade kam zum Vorschein; wir hatten uns schon gewundert, als das Paeckchen, das wir regelmaessig nutzen, auf «nur» noch 8 Tafeln geschrumpft war. Inzwischen sind wir wieder bei etwa 20 Tafeln. Da kann die Reise noch lange dauern! Auch wenn Baenz ueber unsere Lindt u Spruengli Tafeln schnoedet, da auf den meisten steht, sie seien in Frankreich hergestellt – wir essen trotzdem sehr gerne ab und zu in der Nachtwache ein Stueck davon und schauen den Sternen, den Wellen oder dem Mond zwischen den Wolken zu.
Heute haben wir das letzte frische Brot zurechtgestutzt und eine Peperoni entsorgt. An frischem Gemuese haben wir jetzt noch immer etwas Stangensellerie, eine Peperoni, sowie den Weiss- und den Rotkabis. Die letzten zwei Kiwis werden heute gegessen und dann haben wir noch einige Orangen und viele Aepfel. Ich bin noch immer erstaunt, wie lange sich diese Sachen gehalten haben. Immerhin sind wir jetzt schon seit mehr als zwei Wochen unterwegs.
Auch zwischenmenschlich haben wir uns bisher sehr gut gehalten. Es gibt keinen Anlass fuer Streit oder Spannungen. Wir geniessen die Fahrt beide gleichermassen und wiedereinmal haben wir bisher viel Glueck mit Wind und Wetter gehabt. Auch wenn die Atlantik-Querung bisher kein Spaziergang gewesen ist; bisher lief alles so gut wie wir nur hoffen konnten und wir druecken uns selbst die Daumen, dass es auch so weiterlaeuft. Gefuehlt kommt Barbados momentan in grossen Schritten naeher.
Do., 19.12., Tag 16: Eine Nacht in der Waschmaschine
Gestern hatte ich wohl zu viel Optimismus versprueht. Wir hatten auch einen wunderschoenen Tag gehabt, abgesehen vom Indoor-Tsunami. Aber das mit dem «die Naechte des Oelzeugs sind gezaehlt» und so, das war wohl eine Herausforderung an die Goetter. Die Nacht hat uns mal wieder gezeigt, wie es auch noch sein kann. Schon beim Eindunkeln begannen sich die Wolken zu sammeln und dicker und dunkler, d.h. naesser zu werden. Kaum war es dunkel, begann dann der «Spass» mit den Squalls. Vom Mittelwind von ca. 20kn ging es sprunghaft auf 30 bis 35kn. Und aus den Wolken kam der Regen, und zwar nicht zu knapp. Jede Wolke hatte ihren eigenen Wind, auch bezueglich Richtung, und ihre eigene Regenstaerke. Im Unterschied zu den mir bekannten Beschreibungen und unseren bisherigen Erlebnissen, blieb es aber nicht bei einzelnen Wolken mit laengeren Pausen dazwischen, sondern die Wolken gingen in einander ueber. Gefuehlt regnete und stuermte es jeweils die ganzen 3 Stunden Wache fuer jeden von uns. Ab und an stuerzte so viel Wasser aufs Mal herunter, dass wir wohl keine 2m weit gesehen haetten, aber da der Mond inzwischen erst gegen Mitternacht aufgeht, war es sowieso so pechschwarz, dass wir nichts sahen, und wenn nach Mitternacht gerade ein solcher Wolkenbruch runterkam, konnte sich auch der so helle Mond nicht mehr durchsetzen. Wir sassen jeweils stundenlang im Regenwasser und freuten uns, wenn der Wind mal kurz von 30 auf 25kn zurueck ging, oder der Regen etwas leichter wurde. Das inzwischen sehr gut gespuelte Oelzeug kann so stundenlanges Sitzen im Wasser nicht ewig wegstecken und so waren wir dann bald auch mal innen nass, nicht nur aussen. Aber im Gegensatz zum Norden war es nie wirklich kalt; das ist ein riesiger Unterschied. Leonie bekundete etwas Muehe mit den starken Wind-Aenderungen, und steuerte auch oft zu weit nach Norden, aber ohne sie waere es gar nicht gegangen.
Unter Deck waren die Bewegungen sehr heftig, zumal die Windrichtungen oft nicht im Einklang mit der «Grundwelle» standen. Schlafen war deshalb auch nicht ganz so leicht moeglich wie sonst. Also alles in allem eine Nacht, wie wir sie nicht allzu haeufig erleben moechten. Wir waren sehr froh als mit dem Tagesanbruch die Wolken sich zu lichten begannen und der Regen aufhoerte und sind beide sehr gespannt, was heute Abend/Nacht sich entwickeln wird.
Bezueglich Abspuelen des Oelzeugs und auch des Schiffs wurden wir dann beide etwas enttaeuscht: Sea magiX hat zwar in gewissen Bereichen etwas weniger Salzkruste, aber da wir im Dunkeln das Cockpit nicht verlassen, und schon gar nicht, wenn wir alleine auf Wache sind, konnten wir nicht mit einem Lappen abwischen gehen, und so wurde das Salz eigentlich nur ein wenig besser verteilt. Und das Oelzeug brauchte bis Mittag, um trockener zu werden, aber das Salz ist noch nicht ausgewaschen; da waere wohl Seife bzw. Waschmittel noetig. Nun, eigentlich hoffe ich, dass wir heute Nacht nicht gleich wieder Gelegenheit bekommen werden, weiter zu spuelen. Aber denkbar ist es schon. Obwohl: im Moment ist es noch immer fast wolkenlos und der Passat blaest mit ca. 5-6Bft aus Ost. Wie kann auf einen so schoenen Tag wieder eine so ungemuetliche Nacht folgen? Wir werden sehen!
Der Morgen brachte zwar Erholung auf der Wetterfront, leider aber nicht sonst. Als ich Gisela, unseren Wassergenerator, gerade ins Wasser gelassen hatte, um die Batterien wieder zu laden, rutschten wir gleich darauf mit mehr als 9kn Fahrt eine Wellengruppe hinunter. Das war Gisela dann zu viel. Sie piepte wie wild und liess sich danach nicht mehr beruhigen. Der Skipper, anstatt die zweite Haelfte seiner Freiwache zum Schlafen zu nutzen, verschwand unter dem Kartentisch fuer die Reparatur. Baenz hatte den Controller von Gisela dort unten platzsparend, aber nicht sehr bequem fuer Reparaturen, eingebaut. Etwa eine Stunde lang kamen nur dumpfe Geraeusche von unten, dann, mit einer neuen Sicherung, gings an den Test. Der funktionierte aber nur, wenn Baenz das Gehaeuse des Controllers wieder einbaute. Ok, auch das machte er, Gisela kam nochmals ins Wasser, und es dauerte nicht lange, da knallte es unten gleich nochmals und begann, haesslich nach heissem Plastik zu stinken. Nun hatte es einen Kurzschluss beim Gehaeuse gegeben und die grosse Sicherung unserer Lade-Installationen, also auch der Solarpanels, gab nach. Puh, gar nicht gut. Inzwischen war es Mitte des Morgens und der Skipper schaute besorgt nach, ob er solche Ersatzsicherungen an Bord habe. Ja, er hatte, zum Glueck (naja, haette mich ja auch gewundert?) Wieder verschwand er fuer laengere Zeit unter dem Kartentisch und gegen Mittag kam dann die erloesende Meldung, es sollte alles wieder funktionieren. Der Test ? ich wagte Gisela kaum ins Wasser zu lassen (wie viele solche Ersatzsicherungen haben wir wohl an Bord?) klappte tatsaechlich und endlich konnte Baenz, schweissueberstroemt, hinaus an die frische Luft, und ich, inzwischen ziemlich hungrig, konnte mich ums kombinierte Fruehstueck und Mittagessen kuemmern? Fazit des Skippers: wenn er nicht selbst das alles eingebaut haette, dann waere es wohl extrem schwierig gewesen, die Ursachen und Loesungen zu finden. Fazit der Crew: noch ein paar Ersatzsicherungen mehr wuerden uns vielleicht ein noch besseres Gefuehl geben.