«Äs besserät…»

…sagen wir im Ostschweizer Dialekt , wenn das Ziel näher kommt. Etwa so kann man es auf sea magiX auch nennen. Noch etwa 370 Seemeilen liegen zwischen der heutigen Mittagsposition und Barbados. Das Routing-Programm, welches ich von Bänz zur Verfügung habe, rechnet mit einer Schiffsgeschwindigkeit von etwa 6 Knoten für die verbleibende Strecke mit den prognostizierten Bedingungen. Wenn ich Uschis Bericht und Bänz Mitteilungen lese, dann ist diese Geschwindigkeit zu optimistisch. Realistischer sind 4.5 bis 5 Knoten bei den herrschenden Bedingungen. So würde es für eine Ankunft an Heiligabend nicht mehr ganz ausreichen. Aber am Weihnachtstag vielleicht….? Es bleibt spannend.

Die Windprognose jedenfalls gibt für die verbleibende Zeit und Strecke stabile 20 Knoten Wind aus Osten an. Ich denke, damit sollte sea magiX 4.5 bis 5 Knoten auch praktisch platt vor dem Wind zu machen sein. Es gibt ja da auch noch einen Parasailor an Bord… – nicht wahr Uschi?

Gestern Mittag ist die übliche tägliche Positionsmeldung von sea magiX ausgeblieben. Glücklicherweise hat eine Nachricht aus der Schweiz an sea magiX die Situation rasch geklärt. Offenbar ist eine SMS über die Satellitenverbindung nicht ordentlich übermittelt worden. Dafür habe ich an einem Tag gleich zwei Positionen von sea magiX eintragen können, weshalb nun 3 Positionen in der Karte sehr nahe beieinander erscheinen.

Und nun das Highlight vom Tag. Uschis Berichte zum 20. und 21. Dezember 2019. Viel Spass!:

Fr., 20.12., Tag 17: So solls sein

Genau so hatte ich mir diese Reise vorgestellt: Wind Ost, 5Bft., Genua voll ausgerollt und ausgebaumt, blauer Himmel mit Passatwolken und 31 Grad im Schiff, bzw. 27 Grad im Wasser. Baenz hat soeben den kleinen 12V-Ventilator eingeschaltet, der mir die heisse Luft nun um die Ohren blaest.

Die Goetter haben offensichtlich beschlossen, uns wieder zu beruhigen. Auch die Nacht war schoen. Wenn ich nicht bei jeder Wolke gleich sehr misstrauisch geworden waere, haetten wir vielleicht etwas frueher die Genua ganz ausgerollt. So fand dies erst etwa um 5h, eine Stunde vor meiner Wachuebergabe an Baenz statt. Vorher, dh zu Beginn jener Wache um 03h noch, hatten wir aber eine der wenigen Schiffsbegegnungen – via AIS – seit langem mit einem anderen Segler. Zu vor allem des Skippers Elend ist es ein etwa gleich grosses Boot, das etwas schneller als wir unterwegs war und erst noch genau den Kurs steuern konnte, den wir auch wollen, aber nicht koennen: 260 Grad, Barbados direkt. Wir halsten stattdessen und sind seither auf suedlicherem Kurs unterwegs. Auch mit der ausgebaumten Genua koennen wir die gewuenschten 260 Grad nicht anliegen. Leonie steuert so tief es geht und macht deshalb Kurven im Wasser wie im schoensten Tiefschnee-Hang, aber die 260 Grad sollens einfach nicht sein. Das einmal in den Raum gestellte moegliche Ankunftsdatum vom 24.12. erscheint mir bei unserem Zickzack-Kurs von einmal 240 und dann 280 nicht realistisch. Naja, mit voller Batterie, kuehlem Kuehlschrank, vollem Wassertank und noch immer genuegend Vorraeten fuer einige Wochen, finde ich es persoenlich nicht so schlimm. Aber eben – da war noch die andere Jacht?

A propos Vorraete: soeben habe ich stundenlang den Weisskabis in Coleslaw-Salat geschnitten. Der muss genau so weg wie der Rotkabis, der noch immer im Netz haengt und vor sich hin mueffelt. Heute Morgen dachte ich mir aber, dass ich vielleicht auch so mueffeln wuerde, wenn ich seit 17 Tagen in dem Netz haengen wuerde. Es ist erstaunlich, wie lange sich unser Gemuese und die Fruechte gehalten haben. Die 7 uebrigen Orangen sind noch immer ok, die Granny Smith-Aepfel und zwei grosse Spanische auch, aber die Golden Delicious sehen nur noch schoen aus, sind es aber nicht mehr wirklich. Heute Morgen gabs das erste Mueesli-Zmorge weil kein frisches Brot mehr da ist und wir oeffneten die zweite Milch seit dem Start. Fuer meinen Morgentee hatte ich naemlich Kondensmilch genommen und so konnten wir den Milchkonsum auf quasi null reduzieren. Fuer eine naechste laengere Ueberfahrt empfiehlt sich Kondensmilch sicher nochmals. Auch bezueglich Orangen- und andere Saefte war unser Verbrauch bisher viel geringer als angenommen. Und draussen haengt zum ersten Mal ein Koeder an der Leine im Wasser, in der Hoffnung auf Sushi oder aehnliches zum Mittagessen (zum Coleslaw waere das sehr fein!). Das war vorher strikte verboten, weil wir gar nicht gewusst haetten, wohin mit dem potentiell zu fangenden Fisch, vor lauter frischen Nahrungsmitteln, die noch weg mussten.

Kurz – es geht uns sehr gut und wir geniessen die Fahrt noch immer in vollen Zuegen, auch wenn mit dem heutigen Datum der Alltag zuhause etwas staerker in den Vordergrund rueckt als sonst. Die Gedanken ans Geschaeft und auch an die Familien zuhause begleiten uns ja staendig und wir sind immer froh zu hoeren, dass dort alles mehr oder weniger unter Kontrolle zu sein scheint. Heute ist in meinem Geschaeft der letzte offizielle Arbeitstag und auch der Tag, an welchem die Loehne sehr verdankenswerterweise von jemand anderem gemacht werden. Bei allem Vertrauen schwingt da halt doch ein wenig Sorge mit. Aber gleichzeitig gibt auch das Bewusstsein, von hier aus sowieso nichts aendern zu koennen, die Freiheit, die Gedanken auch wieder beiseite zu schieben. Wenn ich nicht gut genug vorbereitet habe, dann wird sich das jetzt zeigen, aber aendern kann ich es nicht mehr. Und wie schon erwaehnt – das Vertrauen ins Team vor Ort ist gross und seit dem Sommer noch mehr gewachsen.

Aehnliches gilt auch fuer unsere Gedanken zu unseren Familien; auch da koennen wir nur hoffen und wuenschen, dass alle weiterhin so gesund wie moeglich bleiben und es ihnen allen gut geht. Die unendliche Weite um uns herum zwingt uns, zu erkennen und akzeptieren, wie wenig wir so oder so daran aendern koennen. Deshalb ist es umso schoener, wenn wir ab und zu in der Morgen- oder Abendpost auch Nachrichten zu diesen Themen bekommen. Ein grosses Merci an alle Sender!

So, und jetzt muss ich wieder hinaus an die «kuehle» Passatbrise. Der Ventilator laeuft allmaehlich heiss hier drin. Wir wuenschen allen ein wunderbares letztes Adventswochenende!

Sa., 21.12., Tag 18: Sonnencreme, Bikini und Cockpitduschen

«Ich weiss, dass wir nicht in einem Race sind, aber heisst das, dass wir deshalb unbedingt langsam fahren muessen?» Toent es, kaum komme ich am spaeten Vormittag nach den ersten 1.5 Stunden meiner langen Freiwache hoch. Ein Blick auf den Speedo; wir sind wie immer mit ca. 5.5kn unterwegs. Ein Blick rundum – aha, man sieht die andere Yacht. Nun, ich finde nicht, dass wir langsam segeln muessen, und habe grundsaetzlich nichts gegen den Parasailor. Gleichzeitig liegt mir viel daran, dass Leonie selbstaendig steuern kann und nicht einer von uns beiden nonstop oben hueten muss. Meistens sieht dies der Skipper auch so. Mal sehen, wie sich die Diskussion weiter entwickelt…

Inzwischen hatten wir eine weitere, groesstenteils Squalls-freie Nacht mit oft unglaublichem Sternenhimmel. Und – das Nordsee-Oelzeug kam diesmal fuer beide nicht zum Zug. Anfangs war es noch so warm, dass ich einfach in Shorts und T-shirt weiterfuhr. Und ab Mitternacht bestand die Wachuebergabe nicht nur im Uebergeben der Taschenlampe, sondern auch von Baenzs kurzen Oelzeughosen. Dies eigentlich nur, damit wir nicht die ganze Zeit im Nassen sitzen muessen. Nass wird das Cockpit aber nicht vom Spritzwasser im Moment, sondern von der sehr hohen, allgemeinen Luftfeuchtigkeit. Kombiniert mit dem Salz, das auf allem liegt.

Die Sterne sind so zahlreich und hell, dass ihr Licht sogar reicht, um die Konturen der Wellen und des Bootes zu erkennen. Einer, der genau im Osten aufging, funkelte gruen und weiss, so dass ich eine Zeitlang dachte, es naehere sich uns eine Megayacht – bis ein Woelkchen den Stern voruebergehend verdeckte. Ganz so hohe Masten haben auch hier die Megayachten nicht, soviel ich weiss. Nur der Sonnenaufgang faellt dann morgens jeweils etwas flauer aus, als es die Nacht davor erhoffen laesst. Morgens liegt am Horizont und einem Teil des Himmels meistens eine Wolkenbank. Ganz selten reicht dann das fruehe, rosarote Sonnenlicht, um die Wolken rundum zu faerben. Meistens dauert es bis die Sonne ueber der Bank angekommen ist, damit sie stark genug ist, um die Feuchtigkeit aufzuloesen, und so das Licht besser durch zu lassen. Dann ist es aber nicht mehr so fotogen. Nun ja, wir klagen nicht!

Im Moment sind wir bei etwa 4Bft Ost-Passat, hohen Temperaturen und durchzogener Bewoelkung unterwegs. Baenz kaempft gerade mit den Solarpanels, nachdem nun auch das Vierte in Betrieb ist, weil Gisela bei so wenig Wind zu stark bremst. Inzwischen scheint das Problem aber geloest und sie produzieren zusammen 11A Strom. So koennen wir auch den Kuehlschrank und/oder den Wassermacher laufen lassen, sind aber ziemlich nahe an der Grenze der Sicherung. Es ist ein staendiges Beobachten und Justieren. Wobei – in diesem Moment kommt ein kurzer Schauer mit Starkregen; da ist die Ueberproduktion von Strom wohl kein Thema mehr. Ob wir stattdessen mit dem Duschmittel hinausstehen sollen? Aber es sieht aus, als ob der Spuk schon gleich vorbei waere. Zusaetzlichen Wind haben wir jedenfalls nicht, im Moment. Ist wohl eher eine Gelegenheit, um mal wieder ein wenig Salz vom Schiff zu wischen.

Zu unserer Ueberraschung haben wir gestern Abend ein SMS von Paddy erhalten, in dem er uns mitteilte, dass er unsere Mittagspositionsangabe nicht erhalten habe. Wir schickten sogleich das Mittags-SMS nochmals, wie auch ein Separates mit der Abendposition. Der kleine Aussetzer zeigte einmal mehr, wie duenn unsere Kommunikationslinie eigentlich ist, wenn das Satellitentelefon aus irgendwelchen Gruenden nicht tut, was wir von ihm wollen, so bricht der Kontakt gleich ab und sofort entstehen Fragezeichen. Wir hoffen, dass sich niemand grosse Sorgen gemacht hat. no news is good news gilt weiterhin.

Wir sind eigentlich auch nicht mehr alleine. Nebst der anderen Segelyacht, die auf gleichem Kurs wie wir unterwegs ist, sehen wir nun jeden Tag auch Frachter und haben die Frequenz unserer AIS-Kontrollen wieder stark erhoeht. Und  heute Morgen wurden wir von zwei weissen Schwalben (oder so) besucht. Schon seit den Kapverden hatten wir regelmaessig Besuch von einem kleinen braunen Vogel und einer weissen Schwalbe mit ganz langer, duenner Schwanzfeder. Sie haben sich nie aufs Boot gesetzt, aber ich bin fast sicher, dass es immer die beiden gleichen Voegel waren, die uns umkreisten. Heute Morgen nun kamen gleich zwei solche Schwalben – es ist wohl wirklich nicht mehr so weit bis an irgendwelches Land wie auch schon. Gemaess Plotter sind es noch ca. 368SM bis Barbados. Hoffentlich werden das noch 2-3 schoene Tage!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: