Etwa 25 SM, bzw. 50 km von der äussersten südwestlichen Spitze Englands entfernt liegt dieser Haufen von Felsen, Inselchen und Inseln. Gefühlt mitten im Atlantik und auch entsprechend dem Atlantikwetter ausgesetzt. Und trotzdem wachsen hier Palmen, Hortensien und Farnbäume, genau wie auf den Azoren. Im Unterschied zu den Azoren gilt dies jedoch nur an Wind- und Wettergeschützten Ecken, hinter hohen Strauchhecken und in sanften Tälern auf der Insel. Die fast 50° Nord (49.9°) statt ca. 38° N wie auf den Azoren sind – trotz des Einflusses des Golfstroms – eben doch ziemlich spürbar. Auch in der Wassertemperatur: hier sind es ca. 15°. Was aber die zahlreichen britischen Touristen nicht davon abhält, schwimmen zu gehen, zumal die Strände tatsächlich traumhaft schön sind, mit weissem feinem Sand (wäääh, das mögen Segler selten!) und viel Platz für jede/n.
Heute ist Freitag, 28.7., und seit Dienstagmorgen, 25.7. sind wir nun hier. Wir haben es sehr gemütlich angegangen seit unserer Landung. Da war (ist) wohl für beide eine Pause nötig. Und das Wetter beeinflusst dies sicher auch noch; bei nieseligem Westwindwetter zieht es mich derzeit nicht so zum Rock-Hopping von einem Inselchen zum nächsten.
Am Dienstag nach dem Morgenschläfchen begrüsste uns St. Agnes, wo wir an der Südseite in Gugh, the Cove, den Anker hatten fallen lassen, mit wunderschönem Sonnenschein. Das Dinghy war schnell aufgeblasen und schon bald vertraten wir uns zum ersten Mal seit 10 Tagen wieder die Beine an Land. Etwas wackelig und nicht immer ganz geradeaus, zwar, aber mit viel Energie gings rund um die Insel.
Zielstrebig führte der Skipper uns zum Pub, the Turk’s Head. Unser letzter Besuch auf den Scillies liegt inzwischen mehr als 10 Jahre zurück, aber der Standort des Pubs, aber auch aller anderer relevanter Gebäude, hat sich in der Zeit nicht verändert. Das Lunch-Angebot hingegen schon: wo früher selbstverständlich Fish & Chips und ähnliches zu erwarten war, gibt es jetzt diverse Quiches oder Sandwiches. Wir verzichten. Vielleicht morgen Abend dann? We’ll see.
Saint Agnes bietet wunderschöne Aussichten auf die nächste Insel St. Mary’s oder auf den weiten Atlantik hinaus. Verwinkelte Staubsträsschen führen an den Cottages vorbei, die sich in die Landschaft kuscheln. Hecken schützen die Felder vor dem Wind. Es gibt eine oder vielleicht zwei Farms, viele Guest Houses, das Post Office-plus-Shop in einem, natürlich die Kirche und auch den Leuchtturm und that’s it… Für uns absolut genug für den Moment und anscheinend auch für viele Touristen, wobei die meisten wohl mit einem der Taxiboote von St. Mary’s für einen Tagesausflug herüber gekommen sind. Internet- und Telefonabdeckung ist auf der ganzen Insel «patchy». Wir sind froh, dass wir keine eiligen Internet-Themen zu erledigen haben.
Für Mittwoch, 26.7., nachmittags und vor allem in der Nacht auf Donnerstag ist starker Südwest- und Westwind angesagt. Als unser Nachbar die Bucht verlässt, verlegen wir ein wenig weiter hinein und ziehen den Anker stark ein gegen die angesagte Richtung. Wir fühlen uns wohl an unserem Ankerplatz. Die Bucht ist nach Südosten offen, aber nach Südwest und West sollte sie gut geschützt sein. Erstaunt beobachten wir daher den einsetzenden Exodus der anderen Jachten… was wissen die, das wir nicht wissen? Bei Ute und Peter von der Ruby Tuesday, die in St. Mary’s an einer Boje hängen und dort auf ihr repariertes Vorsegel warten, erkundigen wir uns, wie es denn bei ihnen aussieht. Gibt’s noch Platz an Bojen, und wird das sehr unruhig dort falls der Wind tatsächlich bis auf 39 Knoten in Böen aufdreht? Platz gäbe es, aber die Unruhe abzuschätzen ist sicher sehr schwierig. Hmmmm, eigentlich wollten wir hier bleiben… Aber als auch der allerletzte Nachbar die Bucht verlässt, wird der Herdentrieb dann doch stärker. Zudem beginnen die Wellen um die Ecke in die Bucht zu schwappen: vielleicht gibt es einen Grund, warum der Reeds bei Gugh Cove keine Angaben zum Schutz gibt. Aber für die Watermill Cove an der Nordostseite von St. Mary’s schreibt er «excellent protection in SW and W». Ok, das werden alle anderen auch gelesen haben und wahrscheinlich hat es sich dort jetzt ziemlich gefüllt. Aber wir beschliessen, in einer Nieselpause doch auch den Anker zu heben und die ca. 5 SM zur nächsten Insel zu motoren. Und sollte kein Platz mehr sein, so hat uns die Auskunft von Ute und Peter den Plan B schon gegeben.
In der Watermill Cove liegen tatsächlich schon einige andere Boote – unter anderem auch Esti, denen wir sie empfohlen hatten, als sie bei ihrem Aufbruch vorbei kamen. Gleich davor am Rand gibt es aber noch einen wunderbaren Platz, bei dem uns niemand zu nah kommen wird, weil noch eine Untiefe zwischen dem Pulk ist und uns. So können wir wieder alle unsere 35m Kette und noch 10m Ankerleine setzen, den Anker sehr gut genau in Windrichtung einziehen und dann in aller Ruhe das Wetter über uns vorbeifliegen lassen. Wir sind beide überrascht, wie stark der Herdentrieb plötzlich wirkte, als wir die letzten Mohikaner in der anderen Bucht waren. Wahrscheinlich hätten wir gefahrlos auch dortbleiben können. Aber hier ist uns – oder jedenfalls der Crew – deutlich wohler. Wir haben sehr viel Platz zum Schwojen, absolut ruhiges Wasser und die Insel mit hohen Bäumen vor uns, die den Wind stark bremsen. Und sollte der Anker trotz allem nicht halten, so würde es uns aufs offene Wasser hinaustreiben, und nicht auf eine andere Jacht oder auf ein gegenüberliegendes Ufer.
Es ist sogar so ruhig, trotz inzwischen ca. 22Kn Messwert am Flughafen, dass wir wieder unser Dinghy satteln und – nicht zu weit, um sea magiX immer wieder mal im Blick zu haben – eine Runde an Land drehen. Im Windschutz der Hecken und Wäldchen wird es dort schnell warm und weniger nass, aber sobald man den Schutz verlässt, ist die Regenjacke nötig und sinnvoll. Gleichzeitig bewähren sich die – schon auf den Azoren angewöhnten – schnelltrocknenden Shorts: da wird weniger Stoff nass, der bald wieder trocknen sollte, und die Temperatur erlaubt es, so lange man sich bewegt.
Zurück an Bord nutze ich den einen kleinen Internetsignal-Strich, um den Bericht von der Überfahrt hoch zu laden, während der Skipper sich in einem Krimi vertieft. Wegen des langsamen Netzes dauert es ziemlich lange, aber das passt gerade, denn wir sind beide auch daran, unseren Anker ein wenig zu bewachen, während draussen der Wind stetig zunimmt. Trotzdem: wir liegen hier so gut geschützt und so ruhig, dass weder vom starken Mittelwind, noch von den noch stärkeren Böen viel zu spüren wäre. Beruhigt können wir schlafen gehen: es ist wirklich «excellent shelter» in dieser Bucht.
Am Donnerstag war der Spuk am Morgen schon vorbei. Wir liessen die Nieselwolken-Resten noch durchziehen und machten uns dann mit dem Dinghy auf den Weg, um nach Hugh Town zu wandern und unterwegs Ute und Peter zu treffen. So schön, dass ein Wiedersehen nach den Azoren nochmals möglich wurde!
Auch St. Mary’s ist von überschaubarer Grösse, wenn auch etwas grösser als St. Agnes. Hier gibt es tatsächlich Hügelchen und kleine Täler (der grösste Unterschied zu den Azoren ist sicher, dass diese Inseln nicht vulkanischen Ursprungs und an ihrer höchsten Stelle läppische 51m hoch sind). Die Single Trail Pfade, Staubsträsschen (ok, nach dem Regen der letzten Stunden sind es jetzt eher Schlammsträsschen) und kleinen Asphaltstrassen führen an Farmen, Vineyards, schönen öffentlichen Gärten und vielen Ferienhäusern vorbei. Oft sind die wunderschön hergerichtet, mit sorgfältiger Bepflanzung und süssen Bänkchen. Sehr spürbar ist, dass die Touristensaison hier äusserst kurz und sehr wichtig ist.
Mit Ute und Peter geht’s dann zu Juliet’s Garden, wo wir dem nächsten Nieselschauer trotzend im Garten unsere Caesar Salads und Quiches verspeisen. Einmal mehr wird uns der Preisunterschied zu den Azoren bewusst: der wirklich nicht üppige Caesar Salad mit Chicken, der andernorts eher als Vorspeise durchgegangen wäre, kostet £13.50… Dafür hätte es auf Terceira schon fast zwei Pratos da Dia gegeben, mit Vorspeise, Hauptgang und einem Getränk! Und was uns dabei besonders beelendet: die Löhne sind zwar etwas höher, aber dann doch nicht so markant, wie das bei solchen Preisunterschieden zu erwarten wäre. Was sind wir froh, dass wir uns dies leisten können!
Die Trennung von Ute und Peter nach dem gemeinsamen Spaziergang fällt schwer, aber irgendwann muss es ja eben doch sein. Sie kehren auf Ruby Tuesday zurück, um sich für ihre Überfahrt zu den Kanalinseln vom Freitag vorzubereiten. Wir spazieren zur Tourist Info, die schon geschlossen hat, und anschliessend zur Hafenpier, wo wir für je ein GBP eine luxuriös heisse Dusche mit viel Wasser geniessen. Der Luxus liegt in den kleinen Dingen: heisses Wasser im Überfluss, ca. 5 Minuten lang, gehört ganz sicher dazu!
Ein kleiner Einkauf beim Coop noch für frisches Brot, Gemüse und Früchte, und bald schon geht’s zurück an Bord. Schliesslich haben wir sea magiX nun doch schon einige Stunden alleine am Anker gelassen. Aber sie ist noch immer brav an ihrem Ort und macht nur ein kleines Schwoj-Begrüssungstänzchen als wir ankommen. So gemütlich kann es sein!
Inzwischen ist Samstag, der 29.7., und wir sind wieder bei ca. 5 Bft aus West unterwegs, mit Leonie am Steuer. Der Kurs zeigt nach Südosten: wir zielen an die bretonische Küste, nach Tréguier wenn’s geht, oder zur Ile de Bréhat oder so. Die Genua steht (ca. 2/3) alleine, das Gross bleibt möglichst weggepackt. Die Sonne scheint, der Himmel und das Wasser sind blau mit weissen Wolken bzw. Schaumkronen und die Wellen stossen von hinten an, bzw. treffen uns leicht schräg an der Ecke des Hecks und schieben das Boot in eine starke Roll-Schüttelbewegung, dass einem schlecht werden könnte wenn man empfindlicher wäre.
Gestern gabs auf St. Mary nochmals einen schönen Spaziergang entlang der Küste zu den 3-4000-jährigen Innisidgen Grabkammern und dem bronzezeitlichen Dorf Halangy Down bis nach Hugh Town, ein Ale bzw. ein Bitter auf der (windgeschützten) Terrasse des On the Quay Restaurant aussen auf der Pier und nochmals eine wunderbar warme Dusche.
Wir hätten auch noch länger auf den Scillies bleiben können und es gäbe noch viele weitere Ankerplätze (wobei nicht so viele, die bei starkem West- und Südwestwind so gut geschützt sind wie die Watermill Cove).
Aber der anhaltende Westwind der ganzen kommenden Woche lässt uns keine Ruhe mehr; könnte ja sein, dass danach nichts solches mehr kommt. Und wir wollen ja ostwärts. Deshalb packten wir gestern Freitag Abend unsere Siebensachen wieder ein und nun gondeln wir also Südostwärts, begleitet von diversen Delfinen und unzähligen Seevögeln, deren grosse Konferenz wir anscheinend versehentlich gekreuzt haben.
Vor der Abfahrt gings noch kurz mit sea magiX nach Hugh Town in den Hafen, um dort Frischwasser zu bunkern (Diesel haben wir noch viel) und die Backskiste auszuspülen. Das Wasser von dort läuft noch immer in der Bilge zusammen: wir sind inzwischen sicher, dass es kein zweites Leck gibt, sondern einfach alles Wasser von den überkommenden Wellen via die Backskisten ins Schiff gelangte. Das Anlegemanöver an der Pier in Hugh Town war etwas knifflig: zwei Meter vor der hohen Steinwand blieben wir mit dem Kiel im Sand stecken; noch ein wenig zu früh für die Tide… und ein zu grosser Schritt für mich an eine rostige Leiter. Der Hafenmeister sah unser Problem und nahm uns freundlicherweise die Leine ab und so konnten wir warten, bis die Tide uns ein wenig mehr anhob und wir uns näher zur Leiter ziehen konnten. Auch der Loggeber hatte anscheinend Urlaub nötig. Er zeigte seit der Abfahrt aus Watermill Cove nicht mehr an. Mit einer Leine und einem daran befestigten Lumpen rubbelten wir ihn wieder frei… aber gleichzeitig auch viel Antifouling vom Rumpf. Hoffen wir mal, dass es in diesen kühlen Gewässern nicht so schnell geht mit dem neuen Bewuchs.
Die Scillies waren wirklich schön, einmal mehr, aber beim Vergleich mit den Azoren stehen sie auf schwachem Posten wenn das übliche Westwindwetter herrscht. Da machen die Temperaturen eben doch viel aus. Trotzdem – schön wars, einmal mehr! Und nun sind wir gespannt, wie es uns in der Bretagne und auf der weiteren Reise zurück nach Norddeutschland noch ergeht. Wir haben noch 6 Wochen vor uns – was für ein Luxus!