Bikiniwetter an der Nordsee

(Anmerkung der Redaktion: schon lange stehen diverse Updates und technische Überarbeitungen der Webseite aus. Segeln war wichtiger. Nun wirken sich die aufgeschobenen Arbeiten aus. Es tut mir Leid, dass jetzt einiges nicht mehr richtig dargestellt wird. Irgendwann nach unserer Rückkehr werde ich mich dann darum kümmern. Bis dahin hoffe ich, dass es für diese letzten Berichte auch so noch geht.)

Es ist tatsächlich so: zum ersten Mal wieder seit den Azoren (?) hängen Bikini und Badehose an der Reling. Wir haben die Sonnencreme nochmals hervorgeholt und tragen T-shirt und Shorts von morgens bis abends… Und sind sehr dankbar um diesen Spätsommer-Abschluss für unsere Reise. Regen- und Nieselwetter und drei Lagen Wolle würden da wohl deutlich stärker auf die Stimmung drücken. Die ist – natürlich – leise wehmütig, aber gleichzeitig auch sehr dankbar: wir geniessen gerade den 108. Tag unterwegs und eben; noch immer können wir geniessen.

Auf der Elbe abwärts von Hamburg zur Nordsee zurück war das Wetter weiterhin so schön, dass wir kaum Wind bekamen. Wir schoben noch eine kleine Hafenrundfahrt zum Museumshafen ein und bestaunten zumindest von aussen die dort liegenden Schiffe. Kommentar vom Skipper: «Da ist ja sogar wenn er geschlossen ist noch mehr zu sehen als in der Maritimen Meile von Vegesack!».

Die erste Nacht verbrachten wir hinter dem Pagensand bei der Krückau-Mündung, nachdem irgendwann auch dem Skipper die Lust am «mit dem Strom treiben» vergangen war. Bei so wenig Wind konnten wir gemütlich zusehen, wie die Sände rundum bei Niedrigwasser begannen, aufzutauchen, und die unzähligen Vögel sich im Schlick ihr Mittagessen pickten. Vom Tatendrang gepackt, holte der Skipper das Dinghy hervor und schon bald tuckerten wir zuerst in die Krückau, um den kleinen Sportboothafen dort hinter der Schleuse zu besuchen, und danach ein wenig Elbe-abwärts (aber Strom-aufwärts) zum Mini-Hafen Kollmar, wo es Glacé, Eiskaffee und Getränke gab.

Dass dieser kleine Hafen Strom-aufwärts lag, hatte seine Relevanz, denn allmählich wird der Benzintank des Dinghys sehr leicht… und gegen die 1.5-2 Knoten Strom der Elbe können wir beim besten Willen nicht rudern… Aber das Benzin reichte (Skipper: «Das wäre ja noch gaaanz weit gegangen – wollen wir nicht nochmals los?») und wir genossen einen wunderschönen, friedlichen Abend auf der Elbe, beobachteten die Tausenden von Vögeln (ob es Stare waren? Wir wissen es nicht.), die sich in riesigen schwarzen Schwarm-Wolken sammelten und nach ein paar Runden über die Elbe auf den Bäumen des Pagensands übernachteten, schauten dem Sonnenuntergang zu und flüchteten dann vor den Moskitos hinter die Moskitonetze ins Boot.

Auch am nächsten Tag fehlte der Wind. Wieder trieben wir Flussabwärts. Eigentlich hatten wir vorgehabt, bis Cuxhaven zu kommen, um dann am Donnerstag von dort hinauf zur Eidermündung segeln zu können. Die Strecke ist nämlich Tidenabhängig, nicht nur wegen des Stroms, den man hier nicht gegen sich haben will, sondern auch wegen der Höhen: Wir wussten, dass wir am Donnerstag etwa um 19h beim Eidersperrwerk Hochwasser haben würden und das dort auch benötigten, um über flache Stellen gleich hinter dem Sperrwerk zu kommen. Und wir wussten auch, dass auf der Barre ca. 10 SM davor etwa die halbe Gezeit nötig sein würde, um dort drüber zu kommen. Zudem war uns bekannt, dass etwa 5 SM nach dem Sperrwerk die erste von mehreren Brücken kommen würde, die wochentags nur bis 19h geöffnet werden. Wir hatten also einen Zeitplan und einige Seemeilen zu segeln, wenn wir via die Eider in den Nordostsee-Kanal und nach Rendsburg zurück gelangen wollten. Deshalb war es relevant, ob wir bis Cuxhaven kämen und damit «nur» ca. 25 SM bis zur Ansteuerungstonne und der Barre danach hätten, oder eben nicht, und somit deutlich weiter hätten bis dahin. Trotzdem – Das Tümpeln ohne Wind bei Grossschifffahrts-Verkehr und ca. 30 Grad Hitze auf der Elbe brachte auch keinen Lustgewinn. So gings dann eben doch wieder rechts ab in die Stör, durchs Sperrwerk nach Wewelsfleth. Dort ist ein kleiner Wassersportverein mit Steg, Dusche, WCs, etc., und sehr netten Mitgliedern, die Gäste freundlich willkommen heissen. Das hat sich in den Jahren seit unserem letzten Besuch nicht geändert und wir genossen die ruhige Nacht an dem Steg, während das Wasser, das hier stark mit der Tide strömt, an der Bordwand vorbei gluckerte.

Am Donnerstag, 7.9., gings dann zur Sache: würde es klappen mit unserem Zeitplan und würden wir einen Ort finden, wo wir übernachten und die nächste Gezeit abwarten könnten? Der Wetterbericht hatte für diesen einen Tag 3-5 Bft aus Ost und Südost versprochen. Umso enttäuschter waren wir, als der Windmesser einmal mehr draussen auf der Elbe nur 5 Knoten Wind zeigte… Grummelnd tümpelten wir mal wieder Flussabwärts. Der Skipper zwar mit Engelsgeduld, die Crew eher skeptisch, ob wir das noch schaffen würden, da wir jetzt ja nicht 25 sondern ca. 35-40 Seemeilen bis zur besagten Ansteuerungstonne und Barre hatten. Aber einmal mehr ging alles auf. Den Genni setzten wir schon bald nach der Ausfahrt aus der Stör und kreuzten vor dem Wind (und vor den Frachtern) im möglichst starken Strom hinaus, bargen ihn kurz, als es (aus Sicht der Crew 😉) zu hoch an den Wind für das blau flatternde Tuch ging und setzten ihn bald darauf wieder, um noch rechtzeitig vor der Stromkenterung durch das Lüchterloch in die freie Nordsee hinaus zu gelangen. Die Namen der diversen Rinnen, die die Elbmündung durchziehen, sind einfach fantastisch: «Lüchterloch», «Süderpiep», «Norderpiep», «Zehnerloch», etc.

Bei schönstem Wetter und endlich auch mit 15 Knoten Wind zieht uns der Genni nordwärts. Pünktlich etwa zwei Stunden vor Hochwasser sind wir an der Barre und haben immerhin 4.4m unter uns. Nicht gerade viel bei unruhiger See, aber bei dem Wetter heute reicht das bestens. Anschliessend geht es an den Wind und dann genau gegenan und wir müssen die Segel – wohl zum letzten Mal auf dieser Reise – endgültig bergen. Ok, der erste Schritt wäre schonmal geschafft! Jetzt noch mit genug Tide durchs Sperrwerk und dann einen Platz fürs Übernachten finden mit genug Wassertiefe.

Die Eider-Einfahrt ist ganz oben, gleich südlich von St. Peter Ording

Der betonnte Weg zum Sperrwerk führt in einer riesigen Schlaufe von ca. 10 SM um die Sände hier in der Eidermündung. Wem hier bei schlechter Sicht der GPS ausfällt, muss sich wohl mit viel Gefühl von Tonne zu Tonne hangeln. Die sind aber nicht beleuchtet – wäre also wirklich knifflig. Aber für uns scheint die Sonne aus blauem Himmel und unser Plotter arbeitet auch brav.

Das Sperrwerk erreichen wir etwa um 18:30h, ca. 45 Minuten vor Hochwasser. Bänzs Versuch, den Beamten vom Wasser- und Schifffahrtsamt dazu zu bewegen, uns die Erlaubnis zu geben, am Steg des Sperrwerks festzumachen, schlägt fehl. Der will nichts von uns wissen und bleibt auch beim zweiten Versuch hart. (Es heisst, das Festmachen sei «nur mit Genehmigung vom WSA erlaubt» und wir hatten auf diese Genehmigung gehofft.) Wir sollen weiter nach Tönning und dort hinein (das fällt vollständig trocken)… Hauptsache, nicht an seinem Sperrwerk. Na, das kann ja lustig werden diese Nacht… Ich sehe uns schon irgendwo im Schlick sitzen – oder noch schlimmer – liegen… Mit hängenden Köpfen fahren wir weiter und sind dann froh, dass wir bei Hochwasser da sind: die flache Stelle beim Sperrwerk ist noch flacher als gedacht und wir haben wohl zeitweise nicht mehr als 20 cm unter dem Kiel… Danach wird’s aber wieder tiefer. Ok, schauen wir uns doch mal die Aussenmauer vom Hafen Tönning an – vielleicht geht’s ja dort?

Als wir eine Stunde später – noch immer mit leicht auflaufendem Wasser – dort ankommen, schöpfen wir schon Hoffnung: da liegt ein grösseres Schiff an der Mauer, an dem wir vielleicht längsseits gehen könnten. Die Mauer ist nämlich eine grobe Spundwand mit rostenden Ecken und Kanten, an die wir uns nicht wirklich legen wollen, um dann mit der Tide ab- und wieder aufwärts zu rutschen. Aber die Hoffnung zerschlägt sich, als wir näher kommen: es ist ein Ausflugsschiff der Adler GmbH mit viel zu hoher Scheuerleiste für unser kleines Boot. Skeptisch fahren wir ein wenig auf und ab… Nee, da wollen wir wirklich nicht festmachen.

So bleibt nur noch eines – wir ankern wieder. Direkt vor der Hafeneinfahrt, weil wir sonst zu wenig Platz zum Schwojen haben in dem Kanal, und halt ziemlich im Strom, der hier vorbei und unter der Brücke gleich dahinter durchzieht. Wegen der Motorboote, die hier mit Garacho aus dem kleinen Hafen geschossen kommen, hängen wir nicht nur unsere übliche Ankerlaterne auf Augenhöhe auf, sondern lassen auch das Ankerblinklicht im Masttop blitzen. Und weil Strom gegen Wind herrscht und für die Nacht starke Böen angesagt sind, läuft ausnahmsweise mal wieder der Ankeralarm.

Aber die Vorsichtsmassnahmen erweisen sich als eigentlich unnötig. Der Anker hält bombenfest in dem Fluss-Schlick. Die Böen halten sich zurück und der Wind schläft über Nacht fast vollständig ein. Und einmal mehr erleben wir einen wunderschönen Abend und eine äusserst friedliche Nacht, hier vor Tönning. Es ist trotz allem alles aufgegangen – auch wenn ein wenig anders als ursprünglich geplant. Einmal mehr eine Lektion in Gelassenheit.

Freitags öffnen die diversen Brücken, die wir noch zu durchfahren haben, bis zur Schleuse Nordfeld, ab wo die Eider Tiden-unabhängig wird, erst ab 07.00h. Aber Hochwasser in Nordfeld soll etwa um 09h sein – das passt also bestens so. Und klappt auch wunderbar bei jeder Brücke: kurzer Anruf davor und schon wird für uns geöffnet. Mit dem Refrain «über sieben Brücken musst du gehen» von Peter Maffay im Hinterkopf tuckern wir Nordostwärts, im wunderschönen Fluss, mit hohen Bäumen, Schafen auf dem Deich, Fischern am Ufer und vielen Enten und Wasservögeln. Mehr als einmal stellen wir fest, wie friedlich es hier alles wirkt.

Gleich hinter der Schleuse Norfeld liegt der kleine Hafen mit drei Bootsstegen des WSV Lunden. Auch hier, wie an vielen anderen Orten vor allem in der Binnen-Eider, hängt ein Schild mit «Gäste willkommen». Wir machen am Kopf des einen Stegs fest; da hat auch ein etwas grösseres Boot wie unseres gut Platz. Der WSV Lunden bietet seinen Gästen nicht nur tadellose WCs, Waschbecken, Wasser am Steg und sogar Strom falls gewünscht (brauchen wir bei dem super Wetter nicht – unsere Solarpanels produzieren auf Hochtouren und motort haben wir jetzt auch schon wieder zwei Stunden lang), sondern auch gratis Leihfahrräder. Damit radeln wir bald nach dem Festmachen ein paar KM zurück nach Friedrichsstadt, wo wir vorhin wegen der Tide vorbei getuckert waren.

Friedrichstadt ist ein schmuckes Städtchen, das gemäss Wikipedia inzwischen fast vollständig auf den Tourismus ausgelegt ist. Es erinnert stark an holländische Städtchen mit seinen Grachten und den holländisch anmutenden Häusern. Das kommt nicht von ungefähr: im 17. Jahrhundert und danach lockten die Herzöge Menschen aus diversen Ländern als Arbeitskräfte an, indem sie ihnen Religionsfreiheit gewährten. Insbesondere aus Holland kamen deshalb viele Vertriebene und prägten das Stadtbild ganz entscheidend mit. Wegen der grossen Diversität an Religionsgemeinschaften vor Ort galt Friedrichsstadt lange als «Stadt der Toleranz». Ob das heute noch so ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir radeln mit unseren Leihvelos durch die Strassen und Strässchen, gönnen uns in der «Holländer Stube» einen feinen Pannfisch (nur für die Crew – der Skipper blieb vernünftig und gesund und wählte eine schöne Salatbowle) und etwas später beim Italiener zwei Kugeln Eis.

Nach der Rückfahrt in der heissen Nachmittagssonne brauchen wir ein Bad im kühlenden Kanal… Ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch! Einziger kleiner Wermutstropfen ist das Abschlagen der Genua, nachdem auch sie abgespült worden war und gut trocknen konnte. Das ist ein ziemlich endgültiges Gefühl, wenn das Vorsegel herunterkommt und weggeräumt wird…

Am Samstag, dem 9.9., haben wir noch die letzten ca. 30 Seemeilen bis zum Nordostsee-Kanal vor uns. Eine Brücke (jene von Pahlhude) und zwei Schleusen (Lexfähre und Gieselau) sind noch unterwegs zu «überwinden». Wieder geht es stundenlang durch schönste Landschaften, an einladenden kleinen Häfen und Gaststätten vorbei, durch viele Kurven und Windungen, und dann ist sie da, die letzte Schleuse, die Gieselau. Einmal mehr staunen wir über die uralte Technik, die noch immer bestens funktioniert (und der Schleusenwärter hat passend dazu ein grosses Buch, in das er handschriftlich noch immer jedes Boot, das er durchschleust, von Hand einträgt). Dann sind wir durch – zurück im Nordostsee-Kanal und nur noch einen Steinwurf von Rendsburg und unserem Winterlager-Ort entfernt.

Mit den Klappvelos geht’s nochmals ein paar Km zurück zur Gaststätte «Altes Fährhaus», wo wir Glacé und Kuchen geniessen und die schöne Zeit Revue passieren lassen können.

Es waren mehr als 3700 SM in etwa 15 Wochen. Wir haben viel Schönes und nur ganz wenig nicht so Gutes erlebt, liebe Menschen kennen gelernt, viel gesegelt, gewandert und Sightseeing gemacht und sind froh, dass sowohl sea magiX als auch ihre Besatzung wohlbehalten und zufrieden zurück ist. Es war eine wunderbare Reise. Nun kommt die Einwinterungswoche auf uns zu. Und gleichzeitig stellt sich natürlich auch schon die Frage nach dem «What next». Denn: nach dem Törn ist bekanntlich vor dem Törn. Mir wei luege… und noch ein wenig in schönen Erinnerungen schwelgen. Schön wars!


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