Es sind die Momente, die man als Segler am meisten hasst: du drehst den Motorschlüssel und es passiert – nichts. Den Motor lässt du ja normalerweise nur an, wenn du ihn brauchst, ergo ist das eine unangenehme Situation. Für uns war’s nicht so schlimm, denn wir waren noch am Anker in English Harbour, aber wir wollten weg. Nach mehreren Tagen mit viel Zivilisation, davon zwei intensiven Arbeitstagen für mich, und einer etwas nervenaufreibenden Ausklarierung für den Skipper, wollten wir gestern, Mittwoch 22.1., mal wieder in eine einsamere Bucht. Zudem waren wir noch immer ein wenig geschockt von des Skippers Einkauf: ein Sack mit 3 Romaine-Salathäuptchen und ein 500g-Brot hatten zusammen USD 17.- gekostet im Covent Garden Supermarkt… Nein, nicht XCD, sondern USD. Wir wussten das ja eigentlich schon, aber trotzdem – die Preise sind hier – vor allem für frische Esswaren einfach wirklich sehr hoch.
Da wir am Morgen das noch reichlich vorhandene Simkarten-Guthaben mit den Laptops weiter verbraucht hatten, und weil das Ausklarieren zwei Anläufe benötigte, weil noch ein Stempel in die an Bord gebliebenen Pässe gesetzt werden musste, waren wir etwas später dran als erwünscht, als wir eigentlich los wollten.
Es hatte schon eine Vorwarnung gegeben; als wir das Dinghi mit der elektrischen Fallwinsch an Bord hieven wollten, und die nach wenigen Umdrehungen einfach abstellte. Drum waren wir wohl beide auch nicht besonders überrascht, als dann das Ankerheben um 14:30h etwas ausgebremst wurde.
Zum Glück hatten tagsüber die Solarpanels gut gearbeitet und die Servicebatterie gut geladen. So konnte Bänz nach ein paar Messungen mit dem Voltmeter (Spannung fiel in sich zusammen, sobald die Motorbatterie belastet wurde) fürs Starten relativ nonchalant überbrücken und – wild entschlossen, wie wir inzwischen waren – es ging doch noch hinaus aus der Bucht. Wir zielten nur schnell um die Ecke, wirklich weniger als 2SM nach Osten (gegen Wind und Wellen), in den Indian Creek. Das ist eine super gut geschützte, kleine Bucht, mit schmalem Eingang um die Ecke, wobei man sich noch an einem sunken rock vorbeischlängelt. Die Einfahrt ist dann wirklich schmal und auch nicht besonders tief – das Niedrigste waren 2.8m und dahinter geht eine gefühlt kreisrunde kleine Bucht auf, mit Mangroven auf der einen Seite und Kakteen und Agaven auf der anderen. Und – oh Wunder – sie war leer bis auf uns. Als wir mitten drin, auf 3.2m Tiefe und mit 30m Kette geankert hatten und der Motor wieder abgestellt war (Skipper: «wir können ihn ja wieder überbrücken wenn nötig»), waren die einzigen Geräusche das Meckern einer Herde Ziegen und ein gelegentliches Platschen, wenn ein Vogel ins leider sehr trübe Wasser getaucht war. Nicht mal Wellchen gab es – die Bucht hatte überhaupt keinen Schwell, obwohl der Wind in der Nacht allmählich auf südlicher als Ost gedreht hatte. Ein wunderbarer Kontrast, den wir dann auch abends unter dem Sternenhimmel sehr genossen.
Nicht nur der Motor hat gerade andere Ideen als wir – auch das Wetter scheint etwas aus dem Tritt zu sein. Im Atlantik östlich der amerikanischen Südstaaten und bei Bermuda wütet im Moment gerade ein hässliches Tief mit Mittelwind von 45-50kn und Böen bis 60kn. Es scheint gemäss Wettervorhersage quasi stationär dort zu bleiben und sich dann etwa am Samstag mit Tendenz Richtung Nordosten «zu zerfleddern». Hoffen wir, dass es dort oben bleibt! Aber die Auswirkungen sind sehr unübliche Winde; es hat schon auf Südost gedreht und wird im Verlauf des Tages weiter auf Süd und vielleicht sogar Südwest drehen und auf wenige Knoten abnehmen. Unsere Idee, heute nach Barbuda zu segeln, an der wunderschönen langen Beach im Westen zu ankern, und dann vielleicht morgen oder übermorgen weiter nordwestwärts zu segeln, wurde einerseits wegen der Windvorhersage verworfen (bei Süd und Südwest liegt man an jenem Strand wohl nicht so gut, aber es wird dann auch am Freitag und Samstag sehr wenig Wind geben – zu wenig für 65-70SM für unseren Geschmack.) und andererseits auch wegen der Diagnose zu unserer Motorbatterie; die ist wohl schlicht hinüber und wir werden eine neue benötigen. Für solche Bedürfnisse ist St. Martin mit seinen diversen Chandleries sicher die beste Adresse, aber würde wohl nicht so viel bringen, wenn wir am Sonntag dort wären. Etwas enttäuscht sind wir schon, denn eigentlich hätten wir gerne nochmals Barbuda gesehen, auch wenn das Anlanden bzw. wieder Losfahren mit dem Dinghi dort bei einem vergangenen Törn schon mal extrem schwierig gewesen war. Aber dafür werden wir vielleicht dann mehr Zeit in den Spanish Virgin Islands oder für St. Croix oder so haben. Ich spüre inzwischen auch schon, wie meine Zeit läuft; ich habe «nur» noch 3 Wochen auf diesem Abschnitt vor mir, dann geht’s zurück in die momentan scheint’s ziemlich kalte Schweiz, in ein völlig anderes Leben.
So gondeln wir jetzt, am Donnerstagmittag, gerade vor dem noch reichlich aus Südost wehenden Wind mit 1x gerefftem Gross und der Genua nach Nordwesten – Kurs direkt von Antiguas Südwestecke nach St. Martin. Noch scheint die Sonne (heute Nacht soll nicht nur der Wind abnehmen, sondern auch der Regen kommen), Gisela lädt die (Service-)Batterie, die auch heute Morgen wieder fürs Motorstarten hinhalten musste, Erich steuert und wir nutzen die Zeit und das noch vorhandene WLan der Simkarte. Wenn alles so läuft wie erwartet, dann sollten wir morgen Freitag zum Sonnenaufgang bei St. Martin sein. On verra – wir haben ja jetzt gerade wieder gemerkt, wie wichtig Flexibilität ist.