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Bericht von Bord von Uschi

Soeben erreicht mich ein Bericht von Uschi von Bord der S/Y sea magiX, den ich euch nicht vorenthalten will. Uschi will später noch Bilder ergänzen, sobald Internetverbindung an Land besteht.
Die aktuelle Position habe ich zusammen mit einem Kurzkommentar von Bänz auf der Karte (Link Wo ist sea magiX?/Etappe 2: November 2024 – …?» eingetragen.
Viel Spass beim Lesen.
Paddy

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Southward ho!

Heute ist (Blick auf die Uhr) Freitag, der 20.12. und Tag 3 unserer Überfahrt zu den Kap Verden. Es ist 14:45h, die Sonne scheint, es bläst ein Ostwind mit ca. 17-22 Knoten (5-6 Bft) und Leonie, unsere Windpilotin, steuert sea magiX mit Kurs Südsüdwest (ca. 205°) durch die Wellen. Letztere haben sich seit der Nacht auf heute von südlichen und südöstlichen Richtungen auf eher Nordost geeinigt und steigen nun deutlich seltener über die Backbordseite ins Schiff ein. Trotzdem – alle paar Minuten klatscht ein besonders freches Exemplar an die Bordwand und spritzt viel Salzwasser ins Cockpit – teils auch um die Ecke hinters Sprayhood. Deshalb sitze ich mit dem Laptop unter Deck; einen wasserfesten Laptop wollte ich mir dann doch nicht leisten.

Am AIS hatten wir soeben mal wieder eine „Schiffsbegegnung“; die erste des Tages und auf 12 SM nächste Distanz. Jetzt ist im Umkreis von 50 SM kein AIS Signal zu entdecken; deshalb können wir es uns leisten, auch ohne ständigen Ausguck hier auf dem weiten Wasser unterwegs zu sein. Kleinere Schiffe ohne AIS-Signal erkennt man sowieso erst wenn sie nah sind, d.h. alle 15-30 Minuten mal ein Rundumblick reicht.

Bei der Abfahrt von San Sebastián hatten wir deutlich weniger Wind als erwartet, aber dafür eine beachtliche und sehr konfuse See. Nach einigen Segelversuchen starteten wir für ein paar Seemeilen den Motor, um von der Insel mit ihren Windablenkungen weg zu kommen. Eine regelrechte Achterbahnfahrt, die auch seefeste Mägen auf die Probe stellte. Aber nach ca. 2 Stunden konnten wir die Genua ausrollen und nur mit dem Vorsegel gen Süden halten. Die Wellen blieben hoch, konfus und kamen teils von vorne, und der Wind war stark böig und kam anfangs aus Südsüdost, was einen Amwindkurs mit entsprechenden Bootsbewegungen ergab und drehte dann allmählich auf Südost bis Ost. Es war anspruchsvolles Segeln, auf das wir uns da sehenden Auges eingelassen hatten. Trotzdem waren wir etwas überrascht, dass es uns beiden nicht 100% gut ging. Wir hatten beide starkes Kopfweh, wenig bis keinen Appetit und ich auch noch Bauchschmerzen. Was war da los? Bekamen wir es nun doch auch noch mit Seekrankheit zu tun? Die Symptome waren aber nicht sehr klar und Übelkeit hatten wir beide keine. Es dauerte eine Weile, bis wir darauf kamen: wir haben einen ziemlich doofen Planungsfehler gemacht und mit der Typhus-Prophylaxe im falschen Moment begonnen. Dort steht auf dem Beipackzettel klar, dass Symptome wie unsere – nebst noch Übelkeit und Durchfall – zu den häufigsten Nebenwirkungen der Impfung gehören. Nun, wir hatten mit der getakteten Einnahme der Kapseln zu spät vor der Abfahrt begonnen und mussten die Sache nun wohl oder übel durchziehen. Anfängerfehler! Aber für ein andermal wissen wir es jetzt…

Unser etwas angeknackster Gesundheitszustand bewirkte auch, dass die übliche Angewöhnungs- und Routine-Findungszeit von drei Tagen wohl noch nicht ganz reichen wird. Wir sind zwar inzwischen in der Bordroutine mit den Wachen von drei Stunden nachts und vier Stunden tags angekommen und können inzwischen auch immer wieder mal gut schlafen in der Freiwache, vor allem seit die Wellenrichtung sich der Windrichtung angepasst hat. Aber noch fehlt die Energie und Motivation für anderes als die Basics. Zum Glück haben sich noch nicht viele wichtige Themen ergeben. Nur eines beschäftigt uns mehr als andere: gestern ging in einer Welle der Wasseralarm los. Der meldet sich, wenn sein Sensor sagt, wir hätten Wasser im Schiff. Nicht gut…

Ein Blick in die Bilge bestätigte: Wasser schwappt da rum. Immer wenn wir gerade mal auf einigermassen ebenem Kiel liegen, läuft es in den Kielsumpf und kann abgepumpt werden. Da wir meistens nach Steuerbord krängen, sammelt es sich aber eher auf jener Seite unter den Kojen. Regelmässige Bilgenchecks ergaben, dass es nicht sehr viel Wasser ist, das da kommt. Trotzdem – heute Mittag hatten wir schon etwas weniger Kopfweh und mehr Motivation, um uns dem Rätsel zu widmen. Den diversen Borddurchlässen, bzw. den Seeventilen waren wir gleich anfangs nachgegangen. Die Ventile sind ok. Was könnte dann sonst die Ursache sein?

Erster Verdacht: von unseren 8- und 5-Liter Wasserflaschen für Notfälle ist eine leck. Das hiess: Bodenbretter aufschrauben (während der Boden fröhlich Achterbahn fährt) und Flaschen kontrollieren. Aber nichts da – alle Flaschen sind intakt.

Zweiter Verdacht: beim neu eingebauten Wasserfilter für die Süsswasserzufuhr könnte es lecken. Auch der ist unter einem Bodenbrett. Dort schwappt zwar immer wieder Wasser durch die Bilge, aber der Filter ist trocken und ok.

Dritter Verdacht: der Wassertank leckt wieder, wie vor einem Jahr. Ergo: Abdeckung der Steuerbordkoje aufschrauben, um zum Wassertank zu kommen. Auch hier ohne Erfolg, bzw. ohne klare Aussage. Wo er zugänglich ist, ist der Tank aussen trocken. Und Wasser hat er auch noch viel drin.

Vierter Verdacht: das Wasser kommt von hinten via die Backskisten und Cockpit-Entleerung und läuft unter unserer Achterkoje den Schläuchen entlang nach vorne. Ergo: unter die Polster unserer gemütlichen Schlafstätte kriechen und dort nachsehen. Auch hier ist es schwierig, abschliessende Aussagen zu machen. Es ist nass da unten (oje, nicht gut für die kommenden Nächte…), aber man sieht kein stetiges Rinnsal.

Ohne des Rätsels Lösung eindeutig gefunden zu haben, aber doch mit der Gewissheit, dass nirgends ein grosses Problem besteht, das wir mit gelegentlichem Bilgenpumpen und „Aufschwammen“ nicht im Griff haben könnten, geben wir die Suche auf. Vielleicht finden wir die Antwort ja bei Gelegenheit in den nächsten Tagen.

Soeben hat der Skipper den Starlink für einen Wetterbericht-Download gestartet. Wir sind erfreut zu sehen, dass unsere Planung – abgesehen von dem „kleinen“ Impf-Fehler – aufzugehen scheint. Der Wind soll heute Abend auf Nordost drehen und noch etwas zunehmen, mit starken Böen bis 8 Bft. Wenn er tatsächlich so auf Nordost dreht, dass er von hinten kommt, können wir damit gut umgehen. Und Leonie auch. Und auch das Wetter soll trocken und teils schön bleiben – das chunnt guet!

Ein weiteres Thema nebst Wasser im Schiff und Wetterentwicklung ist immer auch die Energieversorgung. Unser Kurs ist – trotz schönstem Wetter – etwas ungünstig für unsere Solarzellen: dann, wenn die Sonne am höchsten steht, kommt sie so von vorne, dass unser Rigg ständig irgendwo Schatten wirft. Deshalb läuft nun schon seit gestern unser anderes, sehr treues Crewmitglied am Heck im Wasser mit: Gisela, unsere Wassergeneratorin schnurrt pausenlos am Heck und spult ihre Ampères in unsere Batterie, die so problemlos die Bordnavigation, den Kühlschrank und die Beleuchtung mit Strom versorgen kann. Auch den Wassermacher können wir somit täglich nutzen für unser Trinkwasser – es läuft gut!

Die Nächte sind wie so oft zwar anstrengend wegen der kurzen Schlaf-Phasen, aber dafür umso schöner wenn die Sterne so hell funkeln, dass sie auf dem Wasser glitzern, der Mond gegen 22h aufgeht und trotz abnehmender Stärke so hell leuchtet, dass das Rigg Schatten wirft und frühmorgens der Tag sich in allen feinsten Pastelltönen im Osten ankündigt, während der Mond im Westen noch seinen Abschied gibt. Hoffen wir, dass auch die nächsten Tage und Nächte weiterhin so friedlich und schön verlaufen! Es sind noch ca. 500 der ursprünglichen 800 Seemeilen. Wir sind gespannt auf sie.

Sa., 21.12. Wir nehmen die zweite Hälfte in Angriff

Heute Morgen um 06h zeigte der Plotter noch 400 SM bis zum Ziel: Bergfest! Und wir haben es in dem Moment nicht mal gemerkt. Zu sehr sind wir schon in der Routine von „Gibt’s was Neues? Wie ist der Wind? Brauchts den Fasi unter dem Ölzeug? Schlaf gut!“ Ja, Ölzeug haben wir immer an wenn wir draussen sind, und auch die Rettungswesten. Aber es war von Anfang an das leichte Ölzeug, bzw. die leichte Ölzeugjacke. Die Wellen sind weiterhin beachtlich, brechen häufig und klatschen noch immer gelegentlich mit grosser Wucht gegen die Bordwand, um dann den Rest des literweisen Spritzwassers im Cockpit zu verteilen.

Gestern Nachmittag drehte der Wind wie angekündigt von Ost auf Nordost und seither blasen ca. 6 Bft aus jener Richtung, mit gelegentlichen Böen um 7 und „Luftholpausen“ um 5 Bft. Da der Wind schneller ist, als wir vor ihm segeln, bläst er von hinten ins Schiff. Wir sind froh um die warmen Temperaturen (meistens ca. 21-22 Grad), denn es gibt fast keinen Windschatten wenn Leonie, die anstandslos seit Tagen steuert, auf Kurs ist. Ganz gelegentlich hebt sea magiX nicht schnell genug ihr Heck auf der Welle, so dass diese uns nicht nur von hinten stösst, sondern gleich noch teils ins Cockpit sprudelt. Das vom Skipper aus einem ehemaligen Cockpitfenster geschnittene Niedergangsbrett tut nun also seinen Dienst, um zu verhindern, dass eine solche Welle nicht nur ins Cockpit, sondern gleich auch ins Boot hinein steigt.

Bisher ist aber unter Deck alles normal und trocken geblieben. Die Herkunft des Wassers, das gestern in der Bilge schwappte, konnten wir nicht eindeutig bestimmen. Es hat aber seither nicht zugenommen und somit können wir gut damit leben.

Trotz den relativ heftigen Bewegungen im Schiff (wenn uns eine Welle von schräg hinten schiebt, dann beschleunigt sea magiX. Somit verändert sich der Windwinkel und Leonie steuert einen Bogen. Zu der Zentrifugalkraft kommt dann die nächste Welle hinzu, die uns dadurch von der Seite trifft, und sea magiX ins Rollen bringt. Unterdessen korrigiert Leonie den Bogen, um wieder auf Kurs zu kommen und wir machen den Slalom in die andere Richtung, wo wir von einer weiteren Welle, die diesmal vielleicht grösser ist, wieder umhergeschubst werden. Innen im Schiff bedeutet dies vor allem Rollbewegungen, die aber nicht regelmässig sind wie bei einer Wiege, sondern ihrem eigenen, bzw. eigenwilligen Rhythmus folgen. Und: alles, was nicht irgendwo fixiert ist, fliegt irgendwann durch die Gegend…) fühlen wir uns wohl und geborgen drinnen. Auch wenn die Typhus-Prophylaxe-Symptome noch teils da sind; uns geht’s täglich besser.

Gestern Abend gab es da zwar noch einen Moment, als die Routine gestört wurde. Es war gerade nach dem Eindunkeln. Der Mond war noch nicht aufgegangen und die Sterne hatten erst wenig Kraft, um die beginnende Nacht zu erhellen. Das ist ein Moment, in dem äusserliche Orientierungshilfen nebst dem Bordkompass fehlen. Wir steuern dann gefühlt blind ins Dunkle und verlassen uns auf die Instrumente. Und von eben diesen kam genau dann ein eindringlicher Alarm: der Kompass war ausgefallen. Zum Glück ist Leonie von den Instrumenten unabhängig. Sie steuerte unbeeindruckt weiter ihren Windwinkel, während der Skipper intensiv nach den Ursachen bzw. einer Lösung des Problems suchte. Um den durchdringenden Piepser endlich zum Schweigen zu bringen, gab es irgendwann nur noch die Lösung, dem betreffenden Instrument den Stecker zu ziehen. Natürlich ist der Stecker nicht einfach bequem beim Kartentisch zugänglich. Er befindet sich seitlich am Heck, und um ihn zu erreichen, muss man in die Backskiste klettern. Also alle Fender ausräumen und dann in die enge Box hinuntersteigen. Im Dunkeln, bei den schon beschriebenen Schiffsbewegungen… Der Skipper versuchte es, kam aber in der Vollmontur nicht hinein. Auch ich schaffte es – nur mit der Ölzeughose, ohne Jacke und Rettungsweste – nur mit Mühe in diesen Verhältnissen. Der Stecker war dann bald mal gefunden und die „Stille“ (bei Wind ist es an Bord ziemlich lärmig) tat erst mal gut. Aber: das Problem, bzw. die Lösung dazu war dadurch nicht gefunden. Und ist es auch bis jetzt nicht. Wir hoffen nun einfach, dass der Plotter weiterhin mit dem GPS gut funktioniert, und dass Leonie weiter nach Windwinkeln steuern kann. Erich, unser elektrischer Autopilot, würde wohl den elektronischen Kompass benötigen. Hoffen wir, dass wir (bzw. der Skipper) bis dahin entweder die Lösung des Problems gefunden haben, oder, dass wir Leonie bis zum Schluss das Steuer überlassen können!

So stürmt sea magiX weiter mit Garacho südwärts. Am AIS sehen wir in grosser Entfernung gelegentlich diverse Frachter, die dann wieder vom Bildschirm verschwinden. Beim Rundumblick aus dem Cockpit erstreckt sich auf alle Seiten bewegtes Wasser in allen Blautönen mit weissen Schaumkronen. Aber andere Schiffe, Segler oder Tiere haben wir bisher nicht gesichtet. Es gibt nur die unendliche Weite des Horizonts und die faszinierend abwechslungsreiche Landschaft der Wellen um uns herum. Und darüber der blaue Himmel mit gelegentlichen Wölkchen, Zirren und Schäfchen mit der strahlenden Sonne… Für uns kann das gerne so weiter gehen!