Die Position heute Mittag hat es verraten: sea magiX fährt ohne Halt in den Kap Verdischen Inseln weiter und dreht den Kurs immer weiter nach Westen.
Soeben erreichten mich längere Berichte direkt von Bord der sea magiX, über die ersten 7 Tage, welche ich Euch nicht vorenthalten möchte. Viel Spass!:
Tage 1 bis 4: Unterwegs auf hoher See – wir werden angewoehnt
Samstag, 7.12. Wir sind schon an unserem vierten vollen Tag auf See und ich schreibe erst heute erstmals in unseren Blog – Langeweile ist bisher in keiner Art und Weise aufgekommen. Wir wissen auch noch nicht, ob wir diese Zeilen von unterwegs veroeffentlichen koennen, oder erst spaeter via lokale Wifis – on verra. Vor allem fuer unsere eigene Erinnerung wollen wir aber in jedem Fall schreiben und koennen ja dann auch andere an unseren Erfahrungen teilhaben lassen. Ich erinnere mich sehr genau, mit wie viel Interesse ich die diversen Beschreibungen von Atlantikueberquerungen in anderen Blogs gelesen habe. Soviel zur einleitenden Erklaerung – quasi als Mini-Vorwort zu diesem Abschnitt unserer Reise.
Im Rueckblick ueber die vier Tage wird deutlich, wie variabel die Verhaeltnisse bisher fuer uns waren: Start in Sta. Cruz bei dem ueblichen Duesen-verstaerkten thermischen Nordost-Wind und schoenem Wetter mit Wolken. Ueber Nacht nahm der Wind wie erwartet ab aber kam am naechsten Morgen nicht mehr zurueck; Mittwoch, Tag 1 war Tuempeln und dann sogar Motoren angesagt. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag kam der Wind zurueck und nahm immer mehr zu – aus Nordwest. Mit gereffter Genua stoben wir bei 25-30kn nach Sueden. Die Wellen waren hoch und etwas konfus, so dass Leonie grosse Muehe damit bekundete und Ausschlaege von je 20 Grad und mehr auf beide Seiten machte. Wir mussten fast staendig in Vollmontur daneben sitzen und quasi mitsteuern, damit wir nicht alle paar Wellen in den Wind schossen. Vollmontur bedeutet das schwere Nordsee-Oelzeug mit Kapuze bis oben zu, Faserpelz, Stiefel und die schwere Rettungsweste eingeklinkt. Wenn wir gerade zu sehr in den Wind gefahren waren, brachen die Wellen an der Bordwand und ergossen sich uebers Deck. Einmal kam auch eine bis zum Niedergang und traf zielsicher den Skipper, der soeben seine Wache beendet hatte, das Oelzeug gerade ausgezogen hatte und sich ueber den Kartentisch beugte. Nach einigen Stunden dieses Rodeos bemuehten wir unser Dreamteam: Gisela lieferte den Strom und Erich steuerte einen deutlich geraderen und ruhigeren Kurs, so dass Leonie (und der Rest der Crew) eine Erholungspause einlegen konnte. Ich stellte mir vor, wie wir nun die naechste Woche oder so bei diesen Verhaeltnissen weitertanzen wuerden und war mir ploetzlich nicht mehr so sicher, ob ich nicht mit selektivem Gehoer einen wichtigen Teil der Beschreibungen meines Skippers ueberhoert hatte, als er meinte, die ersten Tage seien halt so, bis man etwas weiter nach Sueden kaeme. Auf Nachfrage entpuppte sich das «etwas weiter» als ca. 7-800 SM, also etwa ein Viertel der Gesamtstrecke. Ich fragte mich, ob ich wohl genug Socken dabei habe – schliesslich hatte ich fuer die Barfussroute gepackt und nicht fuer wochenlanges Nordsee-Segeln. Schoen war, bzw. ist, dass wir beide bisher nicht die geringsten Anzeichen von Seekrankheit erleiden mussten. Und noch schoener war, dass sich der Wind in der Nacht von Donnerstag auf Freitag auf vernuenftige 5 Bft mit Boeen von 6 beruhigte und auch etwas Nordoestlich drehte, so dass wir nicht mehr Kurs Afrika sondern wieder nordwestlich der Kapverden zielen konnten.
Die Nacht auf Freitag und Freitag selbst – Samichlaustag – waren perfekt. Genau die richtige Windstaerke, erstmals klarer Sternenhimmel, keine Schauerboeen und tagsueber ebenso. In diesen Stunden verstand ich wieder, warum ich mich auf diesen Abschnitt unserer Reise eingelassen und gefreut hatte. Sehr beruhigend.
Ueberhaupt die Naechte – erst bei solchen Ueberfahrten merken wir, wie viel sich auch in diesen Stunden, die wir sonst im Schlaf «verpassen», abspielt. Ich war trotz inzwischen vielen Jahren, Seemeilen und auch Naechten Erfahrung, doch etwas nervoes gewesen, wie das denn mit unserer Zweiercrew gehen wuerde. Ich befuerchtete, dass ich alle paar Minuten den Skipper aus seiner Schlaf-Phase holen muesste, wenn es eine Verkleinerung der Genua brauchte, denn ich brauche alleine viel zu lang, um sie von voll auf zwei-drittel zu reduzieren. Um sie einzurollen, muss sie jeweils ganz entlastet werden. Dann schlaegt sie wie wild im Wind und geht dabei kaputt, deshalb sollte diese Phase moeglichst kurz und kontrolliert ablaufen. In der ersten Nacht musste ich Baenz einmal holen. Ab dann hatten wir jeweils rechtzeitig schon so verkleinert, dass ich das Segel alleine bedienen konnte und ich musste ihn seither bisher nicht mehr wecken. Das ist fuer mich eine grosse Erleichterung, auch wenn es bedeutet, dass wir nachts manchmal etwas weniger Segel fuehren, als es vertragen wuerde. Das Grosssegel haben wir uebrigens seit den Kanarischen Inseln nicht mehr hochgezogen. Es ist schoen verpackt unter seiner Persenning und wird wohl erst in ca. 3 Wochen wieder hervorgeholt.
Wir haben uns fuer ein Wachsystem entschieden, das dafuer sorgt, dass wir an aufeinanderfolgenden Tagen versetzt Wache haben, d.h. nachts viermal drei Stunden und tags dreimal vier Stunden. Das heisst, z.B., dass Baenz am Dienstag von 18h-21h Wache schob, waehrend ich versuchte, zu schlafen. (Das ging in der ersten Nacht nicht wirklich – wir mussten uns beide noch an die recht heftigen Schiffsbewegungen gewoehnen, wie auch an die vielen Geraeusche.) Von 21h-00h sass ich dann in Vollmontur im Cockpit und kaempfte ab der zweiten Stunde mit den schweren Augenlidern. Die Hundewache von 00h-03h hatte Baenz in jener ersten Nacht und ich uebernahm dann wieder von 03h-06h. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich dann einen ersten Sonnenaufgang oder zumindest eine Daemmerung erleben wuerde, aber weit gefehlt; als ich um 06h die Wache (in Form unserer einzigen Stirnlampe, da anscheinend die andere zuhause geblieben war) uebergab, war es noch stockdunkel. Von 06-10h uebernahm Baenz dann den ersten vier-Stunden-Abschnitt und konnte den Tagesanbruch beobachten, wenn auch kaum Sonnenaufgang wegen der starken Bewoelkung. Die zweite vier-Stunden-Wache von 10h bis 14h war dann meine und jene von 14h bis 18h ist unsere Gemeinsame, in der vieles am Schiff erledigt wird, fuer das zwei Personen gebraucht werden, aber auch gemeinsam das Abendessen genommen wird (ich hatte fuer vier Abende auf Teneriffa vorgekocht) und wir uns auch ein wenig mehr sehen als nur fuer die Uebergabe, die oft aus «Ist irgend ein anderes Schiff irgendwo?», «Was macht der Wind?» und «brauche ich Stiefel und Faserpelz oder geht’s schon ohne Stiefel?» besteht.
Die gemeinsame Wache waere auch die Zeit, die ich fuers Blogschreiben gedacht hatte – aber bisher war sie fast vollstaendig anderweitig genutzt worden. Am ersten Tag brauchte ich zwei Stunden, um unseren Duvetbezug zu naehen. Wir hatten im Carrefour ein duennes Duvet gekauft und einen Bezug dazu, mussten dann aber an Bord feststellen, dass der Bezug eben nur ein Leintuch war. Ich naehte ihn deshalb an beiden Seiten zu und so ist unser Duvet nun zumindest grossteils im Baumwoll-Bezug geschuetzt. Noch sind wir ganz froh ueber das Duvet – fuer mich sogar noch immer zusaetzlich zum Schlafsack. Die gemeinsame Wache am zweiten Tag verbrachten wir abwechselnd mit schlafen wegen der ungemuetlichen Verhaeltnisse. Am dritten Tag, d.h. gestern, wollten wir dann die Genua ausbaumen und stellten fest, dass bei den Windstaerken, die wir hier bisher erlebt haben, der Genuabaum zu lang ist. Es folgte eine mehrstuendige Verkleinerungsaktion: Nieten vom Kopf aufbohren, ca. 20 cm Alurohr absaegen, neues Nietenloch bohren, Kopf wieder annieten, alles schoen putzen und verkleben, dann der Test – und leider war der Baum noch immer zu lang. Die zweite Kuerzungsaktion (mit den inzwischen letzten Nieten an Bord) folgte dann heute Morgen.
Ebenfalls zur gemeinsamen Wache wuerde auch die taegliche Kontaktaufnahme mit Paddy gehoeren. Ich sage «wuerde», denn bisher fand sie immer frueher statt; jeweils um die Mittagszeit. Das geht so, dass wir das Satelliten-Telefon in Betrieb nehmen und gespannt schauen, ob Paddy ein sms geschickt hat. Wir freuen uns ueber jede Nachricht, vor allem wenn sie schoene Aussichten enthaelt wie z.B. heute: Vorhersage 48h NE 4-5. Das lesen wir sehr gerne. Wir schicken dann ein SMS zurueck mit unserer Position und Angaben ueber die Situation an Bord/vor Ort.
So vergeht die Zeit wie im Flug und Blogschreiben bleibt links liegen.
Zurueck zu den Naechten – es gibt so viele Adjektive, um sie zu beschreiben. Momentan ist Halbmond (der uebrigens hier wieder auf dem Ruecken liegt, wie eine Melonenscheibe) und wenn er nicht von Wolken verdeckt ist, dann legt er einen silbernen Teppich vor Sea magiX aufs Wasser. Dort, wo der Mond nicht so hell wirkt, funkeln die Sterne. Unzaehlige, hellere und weniger helle, groessere und kleinere. Einige der bekannten Sternbilder wie z.B. der Orion ziehen direkt ueber unserem Mast hinweg. Hinter uns ist der kleine Wagen, vor uns ein Planet, der auch bei hellem Mondlicht noch leuchtet. Das Wasser rauscht um uns herum – wenn der Wind aufdreht ist das hoerbar, bevor wir es spueren, und Brecher donnern meistens von hinten heran. Ihr Schaum ist auch bei Bewoelkung gut sichtbar. Unser Fahrwasser fluoresziert und funkelt, so dass die See aeusserst lebendig wirkt. Heute Nacht gab es Wolken mit Regen; eine willkommene Suesswasserdusche fuer Schiff und Oelzeug. Vorher und nachher aenderte jeweils der Wind, so dass Erich korrigiert werden musste. In der Nacht davor hatte ich keine einzige Korrektur zu machen. Bisher war noch keine Dreistunden-Wache gleich wie die Vorherige. Manchmal faellt es leichter, die drei Stunden lang wach zu bleiben, manchmal wird es schwieriger und die Augenlider druecken bleischwer hinunter. Dann muss man aufstehen, sich bewegen, hinunter an den Kartentisch, wieder hoch, etwas trinken, etc. etc. Aber allmaehlich haben wir den Rhythmus gefunden und die anstrengenden Wachen sind seltener geworden. Ich will nicht unbedingt zu haeufig ins Schiff steigen waehrend der Nacht, denn wir sind inzwischen schon so an die vielfaeltigen Geraeusche gewoehnt, dass wir aufwachen, wenn ein anderes, wie z.B. das Knarzen der Niedergangs-Treppe ertoent.
Heute wurde die gemeinsame Wache auch genutzt fuer eine erste Cockpitdusche. Das Meerwasser, das mit der kleinen in Portugal getesteten Pumpe in einem dicken Strahl an Bord geholt wurde, hat inzwischen schon 21.7 Grad und auch die Luft ist tagsueber schon so warm, dass die Cockpitdusche ohne Aufschrei genossen werden konnte. Mit etwas Suesswasser nachgespuelt fuehlen wir uns frisch und munter und bereit fuer den Ausgang? oder so.
Stichwort Suesswasser: unser Wassermacher hat bisher einwandfrei funktioniert. Wir haben nicht nur taeglich Trinkwasser gemacht, sondern auch den Wassertank wieder aufgefuellt. Ab und zu musste der Wassermacher in Betrieb genommen werden, wenn Gisela zusammen mit den Solarpanels zu viel Strom lieferte, den wir trotz Erich und Kuehlschrank nicht «wegbekommen» konnten. Heute hat er erstmals ein neues Klopfen entwickelt – bei jedem Pumpenstoss klopft es in der Pumpe. Hoffentlich bahnt sich da kein Problem an – das waere wirklich problematisch.
Auch unser Satellitentelefon musste schon geklebt werden – seine Antenne ist gebrochen. Aber bisher hat es weiter funktioniert; auch da hoffen wir das Beste.
Ansonsten ist aber die Lage an Bord aeusserst entspannt und angenehm: wir haben eher zuviel als zuwenig Energie, unsere Nahrungslage sieht noch immer quasi vollstaendig aus und wenn der Wassermacher ok bleibt, so haben wir Wasser in Huelle und Fuelle. Mit dem von Paddy angekuendigten weiteren Wetter der naechsten 48h koennen wir ebenfalls sehr entspannt weiter segeln und einfach den Moment geniessen. Es wird noch viele geben: unsere momentanen 24h-Strecken liegen etwa bei 120 SM, d.h. etwa 5kn Durchschnittsgeschwindigkeit. Die Gesamtstrecke bis Barbados sind etwa 2680 SM; das ergibt etwa 23 Tage, von denen wir jetzt gerade den Vierten erleben. Mal sehen, was die naechsten Tage und Stunden so bringen werden. Wir freuen uns darauf!
SO, 8.12. Tag 5: Eigentlich?
Eigentlich hatten wir uns dies etwas anders vorgestellt. Und dies nicht nur ich, sondern auch der Skipper. Wir sind heute an unserem fuenften Tag suedwaerts unterwegs und warten noch darauf, dass sich der Name ®Barfussroute¯ irgendwann seine Berechtigung verdient. Das hat er bisher noch nicht. Stattdessen hueten wir weiterhin in Vollmontur die geschuetzten Ecken hinter dem Sprayhood und versuchen, Leonie oder Erich auf Kurs zu behalten, waehrend uns ein Nordostwind, von dem Baenz behauptet, es koenne nicht der regulaere Passat sein, mit um die 25kn um die Ohren pfeift. Die Boeen mit um die 30kn sind dann jeweils so ausgedehnt, dass sie den Namen Boeen nicht wirklich verdienen. Im Schiff fliegt alles irgendwohin, das nicht niet- und nagelfest ist, und meine Schlafversuche in der Achterkoje habe ich heute Morgen mit maessigem Erfolg in den Salon verlegt, wo die Schiffsbewegungen am wenigsten heftig sein sollten.
Eigentlich haette diese Art von anstrengender Segelei in meiner sicher romantisierten Vorstellung nach etwa 3 Tagen spaetestens geendet und waere in die vielbesungene entspannte Passat-Fahrt uebergegangen. Eigentlich. Bisher jedenfalls noch nicht.
Was uns beide etwas nachdenklich stimmt, ist, dass unsere letzte 10-Tage Vorhersage von vor unserer Abfahrt fuer mindestens die naechste Woche auch bis weit hinunter in den Sueden nichts anderes vorhersagt. Vielleicht haetten wir heute Morgen das alte File nicht nochmals konsultieren sollen. Andererseits – so koennen wir uns vielleicht besser auf diese Aenderung unserer Vorstellungen einstellen. Jedenfalls haben wir soeben beschlossen, dass wir ein paar Grad hoeher an den Wind gehen und mehr Spritzwasser in Kauf nehmen, aber uns dafuer mit dem suedlicheren Kurs die Option, doch noch auf den Kapverden Halt zu machen, offenhalten. Vielleicht kommen wir so zum Besuch einer weiteren uns unbekannten Inselgruppe? Oder vielleicht werden die Verhaeltnisse frueher angenehmer und wir koennen beim urspruenglichen Plan bleiben? Oder wir entscheiden uns auch bei gleichbleibenden Verhaeltnissen zum Weitersegeln? Einmal mehr lehrt uns die Segelei, dass vorgefasste Plaene hier nie definitiv sein sollten.
An Bord ist eigentlich ja alles noch immer bestens. Nur Leonie macht uns Sorgen. Sie kommt mit dem aeusserst konfusen Seegang hier nicht zurecht und schiesst mit dem Schiff staendig in den Wind. Da ist manuelles Steuern schon fast weniger anstrengend als Leonie hueten. Seit heute Nacht war bis soeben deshalb wieder unser Dreamteam am Zug; Gisela fuer den Strom und Erich fuer den Kurs. Jetzt probieren wir’s nochmals mit Leonie mit dem etwas hoeheren Kurs. Waehrend ich hier unten am Trockenen sitze und schreibe, wird Baenz bei diesem Versuch gerade im Cockpit geduscht. Aber immerhin: es ist schon deutlich waermer als bei den Kanaren und auch die Sonne scheint meistens – eben; eigentlich gibt es gar nichts zu reklamieren. Wir sind wohl nur beide gerade im Tal jeder Entwicklungskurve und koennen uns dann umso mehr ueber die ganz sicher doch noch stattfindenden Traumsegel-Tage freuen.
MO, 9.12. Tag 6: Hin und Hergerissen
Wir sind gleich in mehreren Sinnen hin und hergerissen; draussen blasen weiterhin 6-7 Bft und Sea MagiX spielt Rodeo. Und drinnen studieren wir Optionen, traktieren Paddy mit SMS-Anfragen zum Wetterbericht und koennen uns schlicht nicht entscheiden, ob wir noch ca. 36 Stunden weiter mit diesen Verhaeltnissen segeln wollen, oder als Option B heute Nacht in den Kap Verden halt machen wollen.
Mit den Verhaeltnissen koennen wir gut umgehen. Das Boot ist noch immer in bestem Zustand, wie auch die menschliche und die technische Crew. Leonie kann seit gestern Abend wieder steuern, juhu! Sie benoetigte etwas Tender Loving Care durch den Skipper, denn wir hatten lange nicht bemerkt, dass ihr Pendelruder nicht mehr senkrecht ins Wasser ragte. Erst als sie eine Pause von den Versuchen bekam und hochgeklappt wurde, fiel uns dies auf. Seitdem dies berichtigt wurde und nachdem wir gestern Abend einen etwas hoeheren Kurs zum Wind eingestellt haben, hat sie uns viele Stunden lang ganz entspannt nach Sueden gesteuert und das Dreamteam Gisela/Erich konnte pausieren. Unsere Versorgungslage ist noch immer bestens; auch der Wassermacher ist sein Klopfen wieder losgeworden und wir haben heute den Tank schon zum zweiten Mal bis oben angefuellt. Es ist halt einfach immer wieder mal etwas ungemuetlich, wenn die Windstaerke auf 7 Bft steigt und die Querwellen das Schiff fast ueberrollen.
Fuer einen Besuch in Mindelo wuerde natuerlich sprechen, dass wir so eine neue Insel sehen wuerden, die wir so schnell wohl nicht mehr besuchen werden. Interessieren wuerde sie uns selbstverstaendlich sehr. Und auch eine Pause von dem Rodeo, bzw. vor allem von dem damit verbundenen Laerm, waere sicher nicht unangenehm. Ebenso die Moeglichkeit, neues frisches Brot und Gemuese zu kaufen. Gegen den Zwischenhalt spricht, dass die Einfahrt nachts stattfinden wuerde, und gemaess Pilotbeschrieb die Lichter nicht verlaesslich sind, sowie dass vor der Einfahrt die Duese zwischen den beiden Inseln Santo Antao und San Vicente passiert werden muesste, in der der sowieso schon starke Wind um ca. 2 Bft zunehmen koennte. Zudem haben wir die Befuerchtung, dass wir jetzt den guten Wind «verschwenden» koennten und dann spaeter zu wenig haetten, wenn die Verhaeltnisse sich normalisieren. Eben – wir sind hin und hergerissen. Wir haben ja viel Zeit und koennen uns auch mehr als ein zwei Tage Halt leisten. Aber ob wir das wollen? Inzwischen haben wir uns an die Bordroutine gewoehnt – muessten wir uns dann nochmals neu angewoehnen? Das war zwar nicht schwierig, aber wir hatten auch einen sanften Einstieg. Und eben – mit unserer Genua sind wir gluecklicher mit mehr als mit weniger Wind; wie Baenz meinte: mit viel Wind koennen wir umgehen – mit zu wenig Wind kommt zumindest der Skipper nicht wirklich zurecht. Ein Vorbeifahren an Mindelo wuerde die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios fuer die naechsten Tage schon mal stark reduzieren. Aber andererseits – es soll ein ganz huebscher Ort sein und so schnell kommen wir hier wohl auch nicht gerade wieder vorbei – und so geht’s hin und her und hin und her – genau wie Sea MagiX im Seegang. Vielleicht haben wir uns einfach schon zu sehr angewoehnt? Morgen um diese Zeit wird klar sein, welchen Entscheid wir faellten. Wir sind alle ziemlich gespannt.
DI, 10.12. Tag (und Nacht) 7: Die Nacht der Fliegenden Fische
Wir entschieden uns dann gestern am Nachmittag gemeinsam zum Weiterfahren. Bisher – es ist jetzt am 10.12. noch nicht ganz 24 Stunden her – haben wir den Entscheid noch nicht bereut. Und so schaukeln wir im Moment weiter mit einem Kurs etwas suedlich von West. Der Wind blaest noch immer mit 5-6 Bft und die Wellen sind noch immer hoch und teils «zu kurz», aber Leonie kommt wieder gut mit den Verhaeltnissen zurecht und auch sonst ist alles an Bord bestens, auch wenn ich persoenlich schon hoffe, dass es irgendwann dann einen Tick gemuetlicher wird. Wobei heute schon ein weiteres Anzeichen der suedlicheren Gefilde zu verzeichnen ist: in der Vormittagswache war es mir mit dem schweren Oelzeug zu warm, obwohl ich darunter schon nur noch Shorts und ein T-Shirt trug. Ein Oelzeug brauchts aber noch wegen der soeben beschriebenen Verhaeltnisse. Meine leichte Windjacke konnte Abhilfe schaffen. Lange geht’s also nicht mehr, hoffe ich.
Die Nacht auf heute – unsere Siebte auf dieser Reise – war einmal mehr ein Erlebnis fuer sich. Es fing damit an, dass der Skipper einem Knacken im Steuerrad dann doch die Aufmerksamkeit gab, die es verdiente – einfach leider erst nach dem Eindunkeln, mit Stirnlampe und so… Zuerst oeffnete er von der Achterkoje aus den Zugang zum Gestaenge, etc., und stellte dort keine Probleme fest. Das klingt einfacher als es ist: natuerlich finden solche Uebungen auf dem Ruecken liegend ueber dem Kopf bei rollendem Schiff und weil es nachts ist in Vollmontur statt. Aber Gut zu wissen, dass wir dort noch immer die gute Jeffa-Qualitaet haben. Dann montierte er den Kompass ab und kam so an das Radlager, aus dem es ominoes knackte. Viel WD40 loeste einiges von dem sich dort befindenden Rost. Das Wasser muss ueber die Kompass-Befestigung dort hineingelaufen sein und hat sicher jahrelang in dem Lager gewirkt. Nun, nach erfolgreicher Behandlung hat jedenfalls das Knacken im Steuerbereich aufgehoert – immerhin ein Geraeusch weniger! Heute Nachmittag wurde der Kompass nun nochmals abmontiert und Baenz doppelte mit neuem Oel nach, das vielleicht nicht so schnell wie WD40 wieder hinausrinnt. Dass er dabei etwas von «Verhindern, dass das Oel in die Koje tropft» gemurmelt hat, hat mich etwas nachdenklich gestimmt. Das ist immerhin wenn wir nicht im Salon schlafen unsere Schlafkoje im Moment. Hmmm, Getriebeoel statt Sonnenoel?
Kaum war ich in die Salonkoje hinter das Leesegel geturnt (ein Tuch, das entlang der Koje nach oben gespannt wird, damit man bei den heftigen Rollbewegungen nicht hinausfaellt. Wenn man mal drin ist, fast so bequem wie in einer Haengematte.), als es vom Wachhabenden oben laut und etwas erschrocken schimpfte. So schnell war ich noch nie wieder aus der Koje geklettert wie dann – ich dachte an vieles, aber nicht an das Bild, das sich mir bot: Baenz beugte sich ueber den Radsumpf (eine Vertiefung im Cockpitboden, damit das Rad drehen kann und nicht hoeher montiert werden muss). Darin zappelte ein fliegender Fisch. Natuerlich war der kaum zu erreichen, denn zwischen Rad und Sumpfrand sind nur wenige Zentimeter, in welche unsere Haende nicht hineinpassen. Ein grosser Kochloeffel war dann die Loesung, um den inzwischen stark erlahmten unfreiwilligen Passagier heraus und ueber Bord zu spedieren. Fliegende Fische sind wunderschoen anzusehen, mit ihren blaeulich-schimmernden Fischkoerpern und den filigranen, durchscheinenden Fluegelflossen. Aber – Entschuldigung fuer die klaren Worte – sie stinken zum Himmel. Den Kochloeffel wusch ich anschliessend mit sehr viel Abwaschmittel – was ich mir haette ersparen koennen. Wenige Stunden spaeter, bald nachdem ich meine Wache uebernommen hatte, zappelte es schon wieder im Radsumpf. Der Fliegende Fisch muss mit einer der uns stossenden Wellen durch die Cockpit-Abflussloecher hereingespuelt worden sein. Nun, ich kannte ja das Prozedere schon, und konnte auch diesen Patienten (das Zappeln tut ihnen ganz sicher nicht gut) ebenfalls wieder ueber Bord spedieren. Ich hatte mich gerade wieder auf die Cockpitbank gesetzt und dem fast vollen Mond zugeschaut, wie er hinter den Wolken verschwand, da traf mich ein Schlag an der Schulter. Vor Schreck schrie ich auf, aber es war schnell klar, was passiert war – ein weiterer der Fische hatte das kleine Hindernis unseres Bootes uebersehen und zappelte nun im Cockpit umher. Diesmal konnte ich ihn mit einem Papier greifen – ohne war er viel zu rutschig – und hinausspedieren. Das anschliessende Putzen meines Oelzeugs hatte gemaess Skipper aber noch nicht gereicht, um die Gerueche ganz zu entfernen. Allmaehlich traute ich mich nicht mehr, den Kopf uebers Sprayhood hinaus zu heben – einen Fisch ins Gesicht kann ich mir auch bei Asterix nicht als angenehm vorstellen – an Bord von Sea magiX aber noch viel weniger. Ich hatte recht – es war nicht der letzte gewesen in jener Nacht, aber wenigstens traf mich keinen mehr persoenlich. Sie sind wirklich schoen, aber wohl doch etwas nachtblind. Und wenn sie nur nicht so stinken wuerden!