Ferienmodus

Wir hängen am Anker in der Ría de Muros, sitzen/liegen im durch aufgehängte Tücher vergrösserten Schatten und lesen, schreiben, träumen, oder schauen dem bunten Treiben auf und am Wasser in unserer Umgebung zu. Ferienfeeling vom Feinsten. Gerade «fliegt» das grosse traditionelle Ruderboot des Clube de Remo von Esteiro mit der jungen Antreiberin am Steuer neben uns vorbei. Wir haben sie schon gestern Abend beobachtet – offensichtlich steht ein Wettkampf bald an – sie trainieren sehr intensiv, momentan das Umrunden einer roten Boje in unserer Nähe und dann die Beschleunigung danach. Die Steuerfrau ruft nebst rhythmischen Kommandos auch Aufmunterungen (oder Beschimpfungen?), die wir nicht verstehen. Einige der Ruderer rufen/ächzen laut ebenso rhythmisch zurück mit «uh» und «ah». Ich wäre gespannt, eine Regatta mit diesen Ruderbooten zu beobachten. Ob die ihre Steuerleute dann noch hören, wenn alle so schreien? Aber der Effekt ist offensichtlich wirksam.

Die Ruderer am Auslaufen vor dem nächsten Start

Am hellen Sandstrand tummeln sich die Badenden, alle ausgerüstet mit eigenen Sonnenschirmen, Kühltaschen und unzähligen Spielsachen für die Kinder. Im, bzw. auf dem Wasser paddeln die SUPler vorbei, darum bedacht, nicht ins Wasser zu fallen, denn es ist gelinde gesagt sehr erfrischend in dieser Distanz zum Ufer. Kleine Fischerboote führen die Mama und Oma spazieren und gelegentlich springt ein Fisch neben dem Boot aus dem Wasser, auf der Jagd nach einer Fliege. Kinderkreischen, Motorbrummen, das leise Plätschern der Mini-Wellchen gegen das am Heck hängende Beiboot. Gestern Abend gab es in der Strandbar ein Live-Konzert vom Feinsten. Heute ist im Ort die Fiesta de Marejillas de la Ría, d.h. auch heute wird’s wohl wieder Musik und Jubel/Trubel geben. Der Duft von Sonnencrème an Bord mischt sich mit salziger Meeresbrise und warmen Pinien- und Eukalyptuswäldern.

Sommer- und Ferienfeeling pur und wir geniessen es mit allen Fasern. Auch für morgen Sonntag ist nochmals warmes, sonniges und eher Wind-armes Wetter angesagt. Danach gehen die Temperaturen wahrscheinlich wieder auf die üblicheren ca. 20 Grad zurück und die Bewölkung kommt wohl auch wieder auf. Aber das kümmert uns dann wenns aktuell wird.

Wir sind deutlich im Trötschgeli-Modus unterwegs. Dies einerseits wegen eines kurzen gesundheitlichen Intermezzos meinerseits, das mit Hilfe der medizinischen Teleberatung meiner Krankenkasse inzwischen entschärft werden konnte, und andererseits weil uns die Langfristprognose für eine potenzielle Überfahrt auf die Azoren momentan nur ein müdes Lächeln entlocken kann. Das Wetter-Routing-Programm von Wetterwelt hinterlegt eine geplante Route jeweils in grün wenn sie segelbar oder in rot wenn sie dies nicht sein wird. Unsere Abfrage ergab eine Aufteilung von etwa 50-50, aber dies nur, weil für das letzte Viertel der Strecke keine Wetterdaten mehr zur Verfügung standen (weil es mehr als 10 Tage dauern würde)… Nee, das brauche ich wirklich nicht. Und der Skipper auch nicht. Damit ist zwar der schon früher erwähnte Grundsatzentscheid (Azoren ja oder nein?) noch nicht explizit gefällt, aber implizit schon. Und wir können somit den ab und zu auflebenden Sommer genau so geniessen, wie es die Locals hier tun.

Nee, nix für mich. Der letzte grüne Abschnitt basiert auf optimistischen Grundannahmen ohne Wetterdaten… 🙁

Die Rías Baixas hier in Galizien sind zwischen A Coruña und Vigo an der Grenze zu Portugal liegende tiefe Buchten, fast so tief wie die Fjorde Skandinaviens, aber breiter und meist auch flacher. Jede Ría hat ihren eigenen Charakter. Mal ist sie flacher und verwinkelter, mal hat sie höhere und steilere Hügel, mal ist sie bewaldeter, mal mehr bebaut. Die Ría von Muros, in welcher wir vor dem Strand von Esteiro gerade liegen, hat recht hohe Hügel an beiden Seiten und dazwischen, eben hier bei Esteiro, einen flacheren Mittelteil. Deshalb pfeifen hier weniger Fallwinde herunter als in den anderen Ecken der Bucht und wir lagen auch gestern, als es «draussen» noch ziemlich windete, hier drinnen völlig ruhig und geschützt. Einziger kleiner Haken: um vor diesen Strand zu kommen muss man zwischen den hier üblichen «Viveiros» hindurch navigieren. Viveiros sind ca. 20 x 20m grosse viereckige Muschelplattformen aus Holz, die in Gruppen im Wasser verankert werden und von deren Unterseite Muschelstränge ins Wasser hängen. Der Weg da zwischen durch ist manchmal mit 90-Grad Winkeln verbunden, die ein wendiges Boot wie die sea magiX zwar schafft, aber doch etwas anspruchsvoll sein können bei böigen Windverhältnissen. Aber auch daran werden wir uns sicher wieder gewöhnen – das klappte in der Vergangenheit auch.

Gestern blies uns ein recht starker Wind von hinten von der vorherigen Ría de Camariñas am Cabo Finisterre vorbei hierher. Mit halber Genua und doppelt gerefftem Gross gings zügig an den berühmten Klippen vorbei die Wellen hinab.

Ab jetzt gilt – solange wir weder zu den Azoren noch schon jetzt nach Madeira hinaus wollen – wieder ein Kurs nach Süden, und nicht mehr nach Südwesten. Das Cabo Finisterre ist auch hier, genau wie jenes in der Bretagne, der westlichste Punkt am Festland Spaniens. Die Menschen, die dieses Kap vor Jahrhunderten so benannten, schauten wohl wirklich in den Sonnenuntergang und dachten, dass dort, wo sie unterging, die Welt aufhören würde. Wie viel Mut brauchte es da, um trotzdem in jene Richtung loszusegeln!

Auch unsere Tage in Camariñas haben wir genossen. Die Hinfahrt von der Ría de Corme nach Camariñas war zwar etwas mühsam, da der Wind mit seinen ca. 10-12 Knoten nicht stark genug war, um in der hohen Dünung die Segel gegen das Schlagen still zu halten. Am besten gings mit dem Genni, aber auch der wurde hin und her geschaukelt, dass das Steuern viel Konzentration benötigte.

Der gut geschützte und schön flache (aber mit Felsen, die wir weder im Navionics noch auf der Papierkarte gefunden hatten und erst am nächsten Tag bei Niedrigwasser wirklich sahen. Wir bemerkten hier erstmals die Konsequenzen der ungeplanten Reise in dieses Gebiet: das detaillierte Hafenhandbuch für diese Region steht zuhause im Regal…) Ankerplatz war dann abends hoch willkommen.

Wir verlegten am nächsten Morgen von der schönen Ankerbucht in die kleine Marina, um bei dem starken Wind etwas näher an den Läden des Städtchens zu sein. Die Fahrt im Dinghy kann bei solchen Windverhältnissen schon ziemlich nass sein.

Zwei Wanderungen führten uns einerseits ins flache Flussdelta hinein und andererseits zum Faro am Cabo Vilan, den man gemäss Beschrieb vom Tourist Office besichtigen könne. Das war zwar dann nicht so – nur ein kleines Museum gab es da zu besuchen – aber die Wanderung entlang der Küste war trotzdem schön. Am Rückweg begegneten wir Dutzenden von Velopilgern. Alle grüssten freundlich und so tönte uns das übliche Olà in allen Tonlagen, von fröhlich über freundlich-offen oder angestrengt bis zum nur noch erschöpft geflüsterten ‘là entgegen.

Wir waren gerade rechtzeitig im Ort Camariñas zurück, um den Bus nach Muxia zu erreichen. Eine etwa halbstündige Überlandfahrt brachte uns für 2 x € 2.05 zum Ort an der Südseite der Ría von Camariñas. Auch hier gibt es eine Marina, die deutlich neuer und renovierter wirkt, als die teils zerbrochenen und sehr schwelligen kleinen Steglein des Club Nautico von Camariñas. Zu unserer Überraschung war die Marina fast leer. Und auch die Hafenkapitänin, die gleichzeitig auch die örtliche Tankstelle bedient, hatte keine Erklärung dafür. Manchmal sei es halt voll und manchmal wieder leer. Das sei nicht vorhersehbar. Am Preis kann es kaum liegen: in Camariñas zahlten wir € 22 pro Nacht, während es in Muxia (ausgesprochen «Muuschia» mit weichem «sch») nur 4 € mehr gekostet hätte. Ok, jetzt wissen wir auch das.

Auch der Ort Muxia gefiel uns bestens, mit seinen farbenfrohen Häusern mit Erkern fürs Treppenhaus, der Promenade mit Cafés und Bistrots und dem Fischer- und Sportboothafen an der schönen Bucht mit Sandstrand.

Bald schon fuhr unser Bus wieder zurück nach Camariñas, wo wir abends das Ferienfeeling mit feinen Tapas so richtig ins Schwingen bringen konnten.

Das Plakat erinnert an die Aufräumarbeiten nach der Tankerkatastrophe von 2002 an dieser Küste.

Wie es nun weiter geht? Pläne? Strecken segeln? Momentan steht uns der Sinn nicht so danach. Lieber ankern wir noch ein wenig in den wunderschönen Rías hier. Wir sind bestens ausgerüstet. Die Pantry ist mit Lebensmitteln für ca. 2-3 Wochen gut aufgestockt. Der Wassermacher kann beim momentanen Sonnenschein täglich laufen und genug gutes Trinkwasser produzieren. Die Energie dafür kommt von der Sonne via die Solarpanels. Der Wetterbericht sagt für diese Küsten in den nächsten Tagen keine schwierigen Bedingungen vorher. Und in den Rías drin wurden bisher noch keine Orcas gesichtet (nur wenn man von einer in die nächste segelt, werden sie wieder zum Thema). Also – alle Zeichen stehen auf Ferienfeeling geniessen. Drum jetzt: ab ins Wasser!