Helgoland, Düne Süd und die Deutsche Bucht

Unter unserer Steuerbord-Saling hängt inzwischen die holländische Gastland-Flagge. Die Deutsche Bucht hat uns also doch noch losgelassen. Aber es fühlte sich an, wie wenn sie das nicht so recht wollte.

Am Dienstag liess uns der Wind von Helgoland nicht wieder wegfahren. Es blies mit 6-7 Bft aus NW, was sowieso schon ungemütlich viel ist, und für unseren West-Kurs von ca. 90 SM bis an die Ecke der Deutschen Bucht bei Terschelling einfach nicht passte. Wir verordneten uns einen Hafentag auf Helgoland und liessen den Wind in allen Riggs, Antennen und um die Hausdächer pfeifen. Auf der Insel begegneten uns viele lange Kindergesichter: auch der Störtebeker-Cup für die Optis war somit beendet und bald schon ergab sich am Hafen ein reges Treiben, um die unzähligen Optis auf Anhänger (teils 12 Stück mit Dinghi!) zu laden und für die Verladung in den Bauch eines kleinen Frachters vorzubereiten. Wir erledigten in aller Ruhe unsere Einkäufe bei Engel (Siehe Bericht vom Vorjahr), tankten Diesel via Kanister, kauften ein, was uns noch eingefallen war und spazierten dann einmal rund um die Düne. Die Fähr-Crew rettete unterwegs noch einen weggeblasenen Plastikschwan unter dem Beifall der Passagiere. Das war eindrücklich, wie schnell das passiert war: die spielenden Kinder bei ablandigem Wind und Ebbe. Ein Mädchen hatte gerade noch bemerkt, dass es ihr unheimlich sei, wie schnell sie hinausgetrieben wurde, und war mit dem Schwan ans Ufer zurück gerudert. Sie stieg aus, liess ihn kurz los und schon war er weg. Aber zum Glück ohne sie. Die Fähre legte dann einfach ein paar Minuten früher als der Fahrplan sagte, ab, um ihn noch einzuholen, musste aber doch schon recht weit vom direkten Weg abweichen, um ihn noch zu erreichen.

Der Wind blies auf der Düne den Sand durch die Luft, so dass es anscheinend auch für andere Touristen eher weniger einladend zum Sonnenbaden war (Sandstrahlen als Hautverjüngungskur?); wir hatten weite Teile der Strände und Wege für uns. Obwohl schon Juli, waren trotzdem noch einige der Möwen (wir haben inzwischen gelernt, dass es Herings-Möwen und nicht Silbermantelmöwen sind) am Aufziehen ihrer Jungen. Auch sonst ist die Düne bezüglich Vögeln und Wildlife ein spannendes Umfeld, nur blies es an diesem Dienstag das meiste einfach weg. Die Kegelrobben sind nun doch etwas zu schwer, um weggeblasen zu werden. Sie tummelten sich in den geschützteren Südbuchten, spielten mit den Wellen, beäugten neugierig die Zweibeiner, die am Strand standen, oder robbten ab und zu zu einem Bruder/einer Schwester in der Gruppe. Beim entspannten Sitzen im Strandkorb wurde uns beiden bald klar, dass es noch entspannter an Bord in den Kojen sein würde. Zurück auf sea magiX wurde vorgekocht, vorgeschlafen, aufgeräumt, etc., um einen frühen Start am nächsten Morgen zu ermöglichen.

Um kurz vor 5h ging am Mittwochmorgen dann der Wecker los. Wetterwelt hatte uns ein Wetterfenster am Mittwoch bis Donnerstagabend vorausgesagt, in welchem der Wind nachlassen würde und bevor er am Donnerstagabend auf SW drehe. Es war dann auch so: ein schon fast lieblicher Morgen empfing uns im schon fast leeren Hafen; wir waren nicht die einzigen, die dieses Fenster nutzen wollten. Noch im Hafen wurde das zweite Reff eingezogen. Draussen war bald klar, dass das Fenster zwar günstiger, aber noch lange nicht Sommersegeln werden würde. Jede zweite Welle klatschte schräg vorne an den Bug und spritzte mit viel Verve und noch viel mehr Salz dem Steuermann bzw. der Steuerfrau ins Gesicht, wenn er/sie sich nicht schnell genug wegdrehte. Aber die Sonne kam bald heraus und sowohl Kurs als auch Wellen waren segelbar.

Unter Deck war es ruppig und mühsam wie immer auf solchen Kursen; aus unerfindlichen Gründen befinden sich immer alle Dinge, die man benötigt, im Luv in solchen Situationen (d.h. oben wenn das Schiff schräg liegt). In diesem Fall unsere ganze Küche. Ich war froh, dass wir noch im Hafen unsere Frühstücksbrötchen gestrichen hatten. Auch so war es mühsam genug, noch eine Tasse für einen Tee oder einen Becher für Orangensaft hervorzuholen, ohne dass sich das ganze Kästchen über die Suchende ergoss. Speziell unterhaltsam war es auch, den grossen Thermos, der mit Heisswasser gefüllt war, aus dem Schapp (=Kästchen) zu nehmen, ohne dass diverse Putzmittel sich auch noch im Schiff verteilten. Das ging dann meistens so, dass man mit einem Fuss die Kästchentüre halb blockierte, sich mit dem anderen Fuss nach unten abstützte, dann mit einer Hand den Kästchenknopf öffnete und mit der anderen die herausstürzenden Polier- und Putzmitteltuben versuchte, in Schach zu halten. Und dann war man perfekt in Position, um den Thermos herauszuheben, nur fehlte einem a) ein dritte Hand und b) kam dann gleich eine grosse Welle, die einen mit dem ganzen Körpergewicht gegen das Kästchen schleuderte, in dem man aber noch ein Hand drin hatte, wegen der Putzmittel… ☹ Seglerleben. Doch doch, wir machen das freiwillig!

Wir konnten den Kurs zwischen dem Traffic Separation System, d.h. einer «Autobahn» für grosse Pötte entlang der Ostfriesischen Küste, und den unendlichen Windparks 2-3 SM nördlich davon, gerade so halten. Manchmal trieb es uns wieder näher an die Fahrbahn der Pötte, manchmal konnten wir wieder etwas anluven zu den Windparks. Zu unserem Erstaunen wurden wir diesmal kein einziges Mal von irgendwelchen Wachhund-Schiffen angefunkt und vertrieben. Vielleicht lag das aber auch daran, dass wir den VHF nur ganz leise und später dann ganz ausgeschaltet hatten.

Im Verlauf des Tages liess der Wind allmählich auf 4Bft nach und wurde deutlich weniger böig. Trotzdem stellten wir bald fest, dass wir seit dem Start noch nie ohne zweites Reff unterwegs gewesen waren. Irgendwie hatte ich mir diese zwei Monate (für mich) auch anders vorgestellt: jedenfalls nicht, dass ich mit 2 Lagen Merino-Unterwäsche (und in der Nacht dann 3 Lagen plus lange Unterhosen) unterwegs sein würde. Ausserdem hatten wir mal etwas davon erzählt, dass wir «dann nur noch downwind (d.h. mit dem Wind) segeln würden»- Naja, das kann ja noch werden. In der Sonne und mit genug Kleiderlagen war es jedenfalls nicht zu kalt (das Thermometer zeigte 16 Grad im Schiff).

Das vorgekochte Ragout (mit bestem Fleisch von Engel) tat gute Dienste, als es (zwar spät, aber doch) einzudunkeln begann. Kochen wäre bei dieser Lage und Seegang ungemütlich gewesen. Allmählich legte sich jedoch der Wind. Bänz hatte Gisela in Betrieb genommen und so schnurrte sie am Heck fröhlich vor sich hin, und lud unsere Batterien, bzw. produzierte genug Strom, um auch den elektrischen Autopiloten in Betrieb nehmen zu können. Der braucht – wir merkten es in der Nacht – unbedingt auch noch einen Namen, sollte er weiterhin bei solchen Kursen zum Zug kommen.

Die Querung des Fahrwassers wollte dann schlecht gelingen: ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt liess der Wind so weit nach, dass wir mitten auf der Autobahn der dicken Pötte parkiert wurden, weil wir so stark abfallen mussten. Ungemütliche Lage, wenn man kaum Fahrt im Schiff hat und ca. 4000 Container auf einen zu dampfen… Wir mussten den Motor zu Hilfe nehmen.

Auf der anderen Seite angekommen versuchten wir es wieder mit Segeln, aber inzwischen war der Wind tatsächlich auch noch eingeschlafen (nicht nur der Skipper oder die Crew. Für meinen Teil musste ich diese Nacht ziemlich kämpfen in meiner Wache. Aufstehen, umsehen, hinunter gehen, Karte ansehen, wieder hoch kommen… nur ja nicht still sitzen, denn die Augendeckel waren bleischwer). 6 SM ausserhalb von Den Helder gaben wir dann auf, starteten um 5h morgens den Motor wieder und steuerten durch das Molengatt nach Den Helder. Natürlich war die Tide nicht so passend: nur 2h nach Niedrigwasser konnten wir mit nur ca. 70cm Wasser auf der WT von 3.7m rechnen. Und dies bei wenig Wind aber noch Restdünung aus NW. Es war mal wieder spannend, reichte aber gut, bei immer mehr als 4.1m gemäss Echolot.

In Den Helder angekommen wurde zuerst Schiff und Crew gründlich abgespült. Erstaunlich, wie schnell und dicht sich die Salzkristalle in diesen knapp 20h gebildet hatten! Alles war voll damit. Das anschliessende Frühstück genossen wir sehr im Cockpit, während allmählich um uns herum die Schiffe aufwachten und begannen, auszulaufen. Es dauerte noch ein Weile, bis wir das Schiff soweit aufgeräumt, uns angemeldet und auch uns selbst entsalzen hatten, aber bald darauf war Ruhe im Schiff und es wurde fleissig Schlaf nachgeholt.

Unser anschliessender Spaziergang nach Den Helder zeigte uns ein kleines Städtchen, das zwar sehr stark im Zeichen des Marinehafens steht, aber schon sehr viel investiert hat in die Renovation und Belebung des Hafenviertels. Wir spazierten ins Städtchen, das mit seinen Marine- und Rettungsmuseen sicher viel zu bieten hätte, genossen das renovierte Hafengebiet und spazierten entlang der kleinen Einkaufssträsschen. Dort zeigt sich klar, dass die kleinen Restaurants, Läden und Kneipen alle ums Überleben kämpfen oder schon aufgegeben haben. Es dominieren die grossen Ketten à la H&M, C&A und andere, und die Restaurants und Bars im Hafenviertel haben den alten traditionellen kleinen Beizen sicher das Leben sehr erschwert.

Zurück an Bord beim Apéro stellten wir fest, dass wir schon in der zweiten Hälfte unserer ersten Woche angekommen waren. Bisher sind wir sehr zufrieden mit unserer Fahrt: wir haben es aus der Deutschen Bucht geschafft, die uns gefühlt nicht hatte loslassen wollen, und haben jetzt eine Strecke nach SW vor bei angesagtem NW-Wind. Es könnte weiterhin salzig und nass werden, aber blockiert werden wir in den nächsten Tagen kaum sein.

Inzwischen sind wir auch beide etwas stärker in diesem Abenteuer angekommen: es sind nicht einfach 2 Wochen Ferien, sondern tatsächlich eine längere Reise. Und wenn wir – so wie heute – einen Tag lang nicht segeln, dann ist das a) kein Problem und b) auch ein Genuss. Ein völlig neues Gefühl! Wir sind sehr glücklich, dass wir diese Erfahrung gemeinsam machen können und freuen uns auf die nächsten Etappen.


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