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No Shortcuts

Das ist bezüglich sea magiX meistens für uns die Devise: no shortcuts, denn die fallen oft im falschen Moment auf einen zurück und verursachen dann Probleme, wenn man sowieso schon eines hat. Aber die Devise hat auch ihren Preis: gefühlt waren wir nun vom 28. November, als wir aus der Schweiz wieder in Radazul ankamen, bis gestern, dem 10. Dezember quasi pausenlos am Vorbereiten unseres braven Bootes für die nächste grössere Etappe. Zugegeben – ab und zu gönnten wir uns einen „freien Nachmittag“, um Zeit mit lieben Verwandten oder Freunden zu verbringen.

So war ein schönes Highlight dieser Tage am Sonntag der Nachmittag mit Familienmitgliedern, deren Kreuzfahrt gerade einen Stopp auf Teneriffa einlegte. Ein gemütlicher Spaziergang durch Santa Cruz und zum Auditorium, mal nicht auf Einkaufstour. Oder der Apéro an Bord des Schweizer Bootes Scoop mit Pierre und seiner Crew von Journalisten.

Trotzdem – das Gefühl war, dass wir wohl nie loskommen würden, wenn wir nicht bald einfach ablegen, auch wenn all die Pendenzenpunkte auf der To-Do-Liste wichtig und richtig sind.

Zum Beispiel baute der Skipper einen Aktivkohle-Wasserfilter ins Tankwassersystem ein. Oder es gab neue Fenster auf beiden Seiten. Die sind jetzt so klar, dass wir beide ständig erschrecken und meinen, sie seien noch offen. Aus dem einen alten Fenster schnitt Bänz dann noch eine Einstiegsluken-Erhöhung, damit wir im Fall von grossen einsteigenden Wellen ins Cockpit die Schwelle erhöhen können. Das war zwar bisher erst selten nötig, aber in jenen Fällen ist es halt doch besser, nicht unser einziges Luk verwenden zu müssen, an dem man beim Ein- und Aussteigen häufig anstösst mit den Füssen.

Das Genua-Fall bekam einen neuen Spleiss und wurde bis zur angescheuerten Stelle gekürzt; das sieht jetzt wieder aus wie neu. Und auch die Cockpitbänke erhielten einen weiteren Teaköl-Anstrich und sehen ebenfalls sehr gepflegt aus.

Unter Deck (und in den Backskisten) wurde alles neu eingeräumt, inklusive der üppigen Vorräte, mit denen wir wohl deutlich länger als zwei drei Wochen unterwegs sein könnten. Und auch für deren Einkauf nahmen wir uns die nötige Zeit. Lang haltbares Brot à la Pumpernickel suchten wir z.B. in diversen Geschäften, bis wir im grossen El Corte Ingles dann fündig wurden.

Auch einige Büroarbeiten brauchten Zeit, und einige Stunden verbrachte ich beispielsweise mit diesem Blog, der noch immer unter einem Shortcut von vor etwa einem Jahr leidet. Noch habe ich nicht alle Lösungen für dadurch entstandene Probleme gefunden. So z.B. die Funktion zu erneuern, mit welcher unsere Position auf der Google Karte verfolgt werden könnte. Aber wer weiss – vielleicht klappt das ja auch noch irgendwann.

Als unser geplantes Abfahrtsdatum näher rückte, ging es auch ans Vor-Kochen: wie üblich sind damit die ersten 4 Tage mit nur noch aufzuwärmenden Mahlzeiten abgedeckt. Und zuletzt stellten wir eine «Gratis – zum Mitnehmen – Schachtel» beim Marina-Office hin mit lauter Dingen, die wir nicht brauchen und andere vielleicht besser nutzen könnten. Sie leerte sich erstaunlich schnell!

Gestern Morgen, am Dienstag, 10.12., war es dann so weit. Wir warfen nochmals einen genauen Blick auf unser Wetterberichts-Programm. Und legten daraufhin gleich wieder den Rückwärtsgang ein… nach viel Hin und Her und dem Studium nicht nur von Wetterwelt, sondern auch von den anderen einschlägigen Wetter- und Windsites war klar – mit der Abfahrt nach Mindelo wurde das nichts. Wir haben zu wenig Zeitdruck, um bei einer so instabilen Wetterlage losfahren zu müssen.

Der Wetterbericht zeigt nämlich nun nicht mehr „nur“ ein-zwei Tage potenzielle Windstille und tagelang viele Windänderungen an, sondern danach gleich auch noch möglichen Gegenwind in unangenehmer Stärke. Ein Tiefdruckgebiet bewegt sich momentan ungewöhnlich weit südlich auf die Kanaren zu und könnte, je nachdem, wie stark und wie südlich es tatsächlich kommt, für viel Instabilität und eben sogar für die umgekehrte Windrichtung sorgen. Wenn wir nicht müssen, dann lassen wir uns inzwischen nicht mehr auf solche Prognosen ein. Für einen kurzen Moment haderten wir mit der Situation („so bereit wie jetzt sind wir wohl nie mehr – sind wir denn jetzt schon zu Angsthasen degeneriert – wollen wir eigentlich den Winter auf den Kanaren verbringen – gibt es die idealen Verhältnisse vielleicht gar nicht mehr“ – etc. etc.), aber dann besannen wir uns einmal mehr auf die meist sehr lohnenswerte Devise „No Shortcuts“. Die gilt nämlich auch oder gerade bei der Routenplanung.

Da wir aber trotzdem in Santa Cruz nicht anwachsen wollten, beschlossen wir, eine Marina zu suchen, in der wir auch bei starkem Südwind geschützt sein sollten. Las Palmas auf Gran Canaria meldete „voll“. Tazacorte auf La Palma schien uns dann doch etwas weit (ca. 140 SM). Aber San Sebastian auf La Gomera reagierte sehr schnell und sehr freundlich mit der Bestätigung für ab Donnerstag, dem 12.12. bis Dienstag, 17.12. Vor Donnerstag ist San Sebastian ausgebucht: dann startet dort nämlich die „toughest race of the world“: die Ruderregatta über den Atlantik nach Antigua. Vor fünf Jahren erlebten wir dort die Ankunft einiger der teilnehmenden Boote. Gänsehautmomente pur. Die Abfahrt zu beobachten wäre sicher auch sehr spannend, aber eben – vor Donnerstag gibt es dort keinen Platz.

Dann wurde es doch noch kurz stressig mit unserer Abfahrt. Gestern blies sehr kräftiger Wind. Für heute Mittwoch war viel weniger und für Donnerstag fast keiner angesagt. Wir teilten die 60 SM bis San Sebastian deshalb in 3 Teile auf und zielten gestern, nur unter halber eingerollter Genua, noch vor dem Eindunkeln die ca. 30 SM südwärts entlang der Küste von Teneriffa zum „hässlichsten aber praktischsten Ankerplatz Teneriffas“ hinter der riesigen Mole des Industriehafens von Granadilla.

Noch schnell die Wäsche aus dem Trockner holen, im Hafenbüro die Magnetkarten abgeben und uns abmelden, und dann gings los hinaus aufs aufgewühlte Wasser. Quasi als kleine Testfahrt gleich bei anspruchsvollen Bedingungen… und es klappte alles bestens.

Es geht los aus Santa Cruz de Teneriffe. Danke an Pierre von der Scoop für das Bild!

Der Wassermacher produzierte zwar zuerst viel Wasser für die Bilge, weil eine Dichtung nicht gut aufgesetzt war, und einzelne Gegenstände flogen bei den heftigen Bootsbewegungen anfänglich aus ihren doch nicht so sicheren Aufbewahrungsorten, aber ansonsten zeigten sich keinerlei gravierende Probleme. Bei allmählich auflockernder Bewölkung rauschten wir südwärts und konnten uns ein zufriedenes „so solls doch sein“ nicht verkneifen.

Wie schon anfangs Oktober war es auch diesmal eindrücklich, hinter dem verlassen wirkenden Hafen um die Ecke zu kommen und bei ganz glattem Wasser aber weiterhin um die 30 kn Wind den Anker fallen zu lassen. Mit 45m Kette konnte sea magiX fröhlich im Wind tanzen, aber der Anker hielt bestens und der Wind liess bald nach, so dass wir eine sehr gute Nacht verbringen konnten.

Nun hängen wir noch immer hier am Anker, denn momentan ist kaum Wind. Den versprechen die Wetterprogramme etwa ab Mittag. Mal sehen, ob das stimmt und was wir dann daraus machen können.