Vorwärts – es geht zurück – nach Osten

Wie angesagt bläst ein strammer Passat aus Ost beim Auslaufen aus Puerto del Rey Marina – nach Osten… Auch wie angesagt habe ich am Tag davor Uschi nach unseren super schönen gemeinsamen 11 Wochen auf sea magiX in San Juan auf den Flughafen gebracht und Anouk im Hotel abgeholt. Auf der Rückfahrt besorgen wir uns in einem unterkühlten Supermarkt den Proviant für die nächsten Tage und an einer Tankstelle werden die Kanister aufgefüllt – 10Liter Benzin fürs Dinghi und 18Liter Diesel sind nicht schlecht für zwei Wochen Törn seit St. Martin durch USVI, Spanish VI nach Puerto Rico – sea magiX ist halt immer noch ein gutes Segelboot. Dies kann sie auf dem seit langem nicht mehr gesegelten Kreuzkurs nach dem Auslaufen aus PDR unter Beweis stellen. Die Bedingungen sind allerdings schwierig, 5-6Bft Wind, recht hohe Wellen, etwas Strömung gegen den Wind und gelegentliche Schauer sind für das schwer beladene Boot und die Crew grenzwertig. Anouks «Februarblässe» vertieft sich noch etwas und sie hält sich in regelmässigen Abständen an der Reling auf und übernimmt nur noch für Manöver das Steuer. Schon bald bietet aber Culebra, unser Tagesziel, etwas Wellenschutz, so dass wir trotz allem die 30Sm ins Luv schneller gesegelt sind als ein Katamaran, der den direkten Weg unter Motor gegenan gebolzt ist. An der Ostseite von Culebra können wir etwas abfallen, sausen entlang des Riffs zur Passage in die geschützte Ensenada Honda und sind bald darauf vor Dewey hinter Cayo Pirata am Anker. Ein kurzes Bad, um das Salz von Kopf und Körper zu spülen, Nachtessen an Bord und noch eine kurze Besprechung zum nächsten Tagesprogramm und der besten Strategie zu Seekrankheitsmitteln – dann ist Ruhe im Schiff.

Der nächste Tag startet mit etwas weniger Wind und wir früh, um von den noch ruhigen Bedingungen zu profitieren. Die Ausfahrt durch den Riffpass aus Ensenada Honda erfolgt unter Motor, dann kreuzen wir bei angenehmen 4Bft weiter nach Osten Richtung St. Thomas, USVI. Kurz vor Mittag ist der kräftige Passat direkt auf die Nase aber wieder da, und zwischen den Inseln bremst auch eine kräftige Gegenströmung mit bis zu 2Kn, so dass Anouk schon fast wieder bleich wird und ich mich entscheide, dass für ein paar Meilen doch noch der Motor gegen Wind und Strom mithelfen muss. (Anouks Kommentar: Dieser Entscheid hat ihren «Tag gerettet»). Kurz nach dem Mittag fällt der Anker vor einem hübschen Strand in einer nach drei Seiten komplett geschützten Bucht im Osten von St. Thomas. Rechts besteht die Begrenzung allerdings aus der ins Meer gebauten Verlängerung des Runway des St. Thomas Airport. Ein idealer Platz für Plane Spotter, meint Anouk, aber doch etwas laut. Glücklicherweise gibt es keinen Nachtflugverkehr – wir haben eine komplett ruhige Nacht ohne Schwell, ohne Windgeheule oder sonstigen Lärm.

Dienstag – neuer Tag, gleicher Wind – stramme 5-6Bft aus Ost. Wir kreuzen mit vielen Wenden im Landschutz den West Gregerie Channel hoch bis zum Frachthafen St. Thomas Harbour. Genau gleichzeitig, wie wir den Scheitel der recht engen Bucht an der Rifftonne erreichen, ertönt ein lautes Tuten, und das Frachtschiff 200m vor uns lässt seine Hecktrossen fallen und zieht sich mit seinem Buganker von der Pier. Wir sind da natürlich im Weg, wenn er Fahrt aufnimmt. Das findet auch der Lotse, der mit seinem Boot den Frachter nervös umkreist. Da die Regel «Segel vor Dampf» in einer solchen Situation ziemlich theoretisch ist, machen wir trotz nahem Riff einen 2-minütigen U-Törn mit dichten Segeln und hängen uns dann an den schnell entschwinden Frachter im East Gregorie Channel an. Puhh, noch mal gut gegangen. Genau an diesem Ort haben wir vor Jahren das Riff mit der Sparti Vento unsanft überfahren, weil genau im Scheitel der Bucht die Betonnungsrichtung ändert. Das ist ungewöhnlich, aber so in der Karte vermerkt.

Als wir den Bug aus dem Channel strecken, faucht uns der Ostpassat mit rechten Wellen direkt entgegen. Diesmal machen wir linksumkehrt und fallen in den St. Thomas Harbour Channel ab. In der Hafenbucht hat es immer noch viel Wind aber kaum Schwell. Der Anker fällt noch vor dem Mittag, wie schon zwei Wochen vorher, im dichten Ankerfeld neben der Cruiseship Pier vor der Marina.

Rasch ist das Dinghi startklar und wir unterwegs ans Dinghidock für einen Besuch des Städtchens Charlotte Amalie, das mit seinen historischen Bauten noch heute an seine dänische Vergangenheit erinnern soll. Die schicken (Label)Läden im Jachthafen sind eindeutig nicht unsere Hausnummer, eher für die Crews der zahlreichen Megajachten oder die Kreuzfahrttouristen. Trotzdem, die Leute sind sehr freundlich und hilfsbereit. Wir konsultieren einen Plan, um den Fussweg entlang des Wassers Richtung «downtown» zu finden, landen aber nach zwei Minuten auf einem Parkplatz vor einem Gitter. Zurück beim Uebersichtsplan kommt sofort ein freundlicher Herr auf mich zu, schüttelt mir wie einem alten Bekannten die Hand und meint: You are going in circles, how can I help? So nett – und er schubst uns quasi auf den Walkway entlang des Wassers. Nach 200m ist aber auch da Schluss vor einer riesigen Baustelle. Also gehen wir entlang der Strasse zurück, bis wir an eine Bushaltestelle kommen. Da fährt grad ein überdimensionaler Pickup mit Bänken auf der Ladebühne vor, angeschrieben mit Taxi. Der Fahrer des Busses nickt auf meine Fragen «downtown» und «1 Dollar»? und wir quetschen uns auf eine Back zwischen lauter Einheimische. Im Zentrum bleiben wir sitzen und fahren weiter bis zur Ferry Pier im Westen der Hafenbucht. Beim Aussteigen drücke ich dem Fahrer, wie abgeguckt bei den anderen Fahrgästen, 2 Dollar in die Hand für uns beide. Damit ist er aber nicht zufrieden und will nochmals 2 Dollar. Anders als auf St. Croix gibt es auf St. Thomas scheinbar unterschiedliche Tarifzonen….

Da wir schon mal nahe am Fischmarkt sind, schauen wir da rasch vorbei. Diesmal ist jedoch nach dem Mittag nix mehr los. Ausser dem strengen Geruch, ein paar Pennern und dem Hauspelikan ist niemand mehr da. Zu Fuss geht es dann zurück Richtung Zentrum. Bewaffnet mit einer Townmap aus einem unterkühlten Touristoffice, besorgen wir uns auf dem Weg zurück in die «Altstadt» in einem Supermarkt noch rasch eine Glace und 2 Zwiebeln. Wir staunen nicht schlecht, als die Kassierin für 2 Glacestängel (aus meiner Sicht kleine) und 2 mittlere Zwiebeln über 10 US-Dollar will. Während sie das Kleingeld aus der offenen Hand klaubt, starre ich fassungslos auf den Kassenzettel, je 4.17USD für eine Minimagnum und je 1USD pro Zwiebel – soviel zum Tax Free-Shopping-Paradies St. Thomas.

Die Altstadt mit den kleinen Gassen und dänischen Bauten hat aber nicht mehr viel vom hyggeligen dänischen Charme, es ist mehr eine 90-60-90 Gegend (nicht was Ihr denkt – sondern 90% der Shops sind Tax Free Schmuckläden, 60% des Gewerbes sind Rechtsanwälte und 90% der angetroffenen Leute sind Kreuzfahrttouristen.) Wir haben es bald gesehen, also zurück auf das Boot. Der Fahrer des nächsten Pickups mit Bänken und Aufschrift Taxi preist sich lautstark an – «4$ each back to the ship». Auf meinen Einwand, bei der Hinfahrt hätten wir nur 2$ bezahlt, will er nicht eingehen. Er sei kein offizielles Taxi, sondern ein Privates, und da koste es eben «4$ each». Also abgemacht, Anouk und ich allein auf die riesige Ladebühne aber zuerst noch die Frage «what ship?» – «sea magiX» – «what?!?» – «sea magiX!!».  Da muss der arme Mensch lernen, dass es noch andere Destinationen gibt als den Kreuzfahrtterminal, dies ist jedoch nicht zu seinem Nachteil.

Zurück auf dem Boot glauben wir, dass der Wind etwas nachgelassen hat. Gut so, denn das Hafenwasser wirkt nicht so einladend und die vielstöckigen, uns haushoch überragenden Kreuzfahrtschiffe haben grad ihre Spätnachmittags-Animationen auf den Topdecks gestartet. So motoren wir vor dem Einnachten noch ein paar Meilen ins Luv auf den Ankerplatz Christmas Cove hinter Insel Great St. James und geniessen einen sternklaren Abend fernab des Zivilisations-Trubels von St. Thomas.  Am nächsten Morgen erkundet Anouk stundenlang mit Maske und Flossen das Riff an der Insel und an Christmas Cove Cay (ich mache mir schon fast Sorgen und packe den Feldstecher heraus) und kommt mit vielen Bildern von verschiedensten Fischen zurück. Ich begnüge mich mit einer kurzen Schwimmrunde ums Boot, in dem «nur» noch 27Grad kalten Wasser fröstelt mich etwas.

Nach dem Mittag geht es erneut los durch den Current Cut und weiter mit mitlaufendem Strom durch die Windward Passage an die Grenze zu den BVI. Es ist herrliches Amwindsegeln im geschützten Philsbury Sound bis Hawksnest, eine traumhafte Bucht mit türkisfarbigem Wasser und Goldsand Beach, die wir für uns haben. Beim Schnorcheln bemerken wir zuerst den recht grossen Fisch, der sich unter dem Boot versteckt. Er begleitet mich dann auch die ersten 100m. Wir haben die Gattung noch nicht bestimmt, aber das Aussehen lässt doch auf einen Raubfisch schliessen. Daneben ergibt der Schnorchelausflug aber weniger als die Kulisse über Wasser vermuten lässt, etwas tote Korallen, ein beachtlich grosser Sandrochen und Fische, die wir so noch nie gesehen haben. Irgendwie dreieckig du transparent, mit Augen in der Mitte, schwimmen sie mal vorwärts und mal rückwärts oder umgekehrt. Es bleibt unklar was vorne ist und was hinten, aber die Experten unter den Bloglesern werden uns sicher aufklären ?. Bei der Rückkehr zum Schiff erkundigt sich Anouk – sie kommt etwas nach mir an – ob der grössere Kollege (Fisch) vom Beginn des Schnorchelausflugs wieder unter dem Schiff wartet. Sie ist ganz beruhigt, dass dem nicht so ist…

In der Nacht wird dann doch klar, warum wir die ganze Bucht mit geschätzt 10 Nationalparkbojen für uns haben: Es ist der Schwell, der quer zur Windrichtung in die Bucht drückt und so für kontinuierliches Schaukeln die ganze Nacht über sorgt. Egal, am Morgen sind wir trotzdem fit und starten bei moderatem Wind unseren Kreuzkurs hinüber nach Jost van Dyke Island und machen nebenbei noch der Sea Cloud II, die mit vollen Segeln vor dem Wind durch «the narrows» angerauscht kommt, Platz, obwohl wir Vortritt gehabt hätten. Weiter geht es hoch am Wind durch die Sir Francis Drake Strasse zurück auf USVI Gebiet um die Ostecke von St. John und rein in die Coral Bay, wo der Anker wieder auf 6Meter Tiefe ins türkisfarbene Wasser platscht. «Another lovely place» meint Anouk und platscht mit Maske und Schnorchel dem Anker hinterher, während ich wieder einmal die WC Dichtungen wechsle und dann im Cockpit faulenze.

Die Wetterprognose ist etwas unsicher für unsere geplante Fahrt nach St. Croix. Wir sind zwar soweit wie möglich im Osten der US Virgin Islands angelangt, aber die Vorhersage meint etwas von SE bis 20kn. Da ist 40Sm Südkurs doch etwas heftig, obwohl ich mein Motto für diese Atlantikreise «Gentlemen don’t sail upwind» in den letzten Tagen arg strapaziert habe.

Freitagmorgen sieht aber alles anders aus, eine nette Brise von 12-15kn aus Ost bei schönstem Wetter beschert uns eine schnelle und weitgehend trockene Überfahrt nach zu der St. Croix vorgelagerten Naturschutzinsel Buck Island. «Nun lässt es sich nicht mehr toppen, paradiesisch» – O-Ton Anouk. Türkis Wasser, unverbaut, eine leichte Brise im Lee der Insel, ohne Schwell hinter dem Riff, ein weisser Strand und ein paar Pelikane, die sich im Sturzflug am Riff ihr Abendessen fischen. Und recht hat sie, Buck Is ist auch eines meiner Sehnsuchtsziele und hat nichts von seiner Faszination verloren, obschon ich ja schon vor zwei Wochen mit Uschi wieder da. Diesmal mache ich mir aber keine Gedanken wegen der fehlenden Permission fürs Ankern über Nacht, sondern wir geniessen einfach einmal mehr die Ruhe und den ungestörten Sternenhimmel in diesem Naturparadies.

Samstagmorgen steht der Schnorcheltrail am Ostende des Inselriffs auf unserem Programm. Wir starten früh mit dem Dinghi bei fast glattem und glasklarem Wasser. Am Riff hat es dann viel Licht, kaum Wellen und keine Strömung, ideal für den Schnorcheltrail. Wiederum sind viele Fische am Riff, auch eine Gruppe mittelgrosser Barrakudas tummelt sich zwischen und um uns. Sie haben aber scheinbar schon vorher gefrühstückt, weder wir noch die vielen Riff-Fische scheinen sie zu interessieren.

Auf dem Rückweg zum Boot stoppen wir noch kurz an der Nationalpark Pier und dem «Infokiosk». Da der Inseltrail gleich dahinter startet, nehmen wir den Weg unter die Flipflops und geniessen bald darauf vom Hügel aus eine grandiose Aussicht auf das Riff und die dahinter liegende Insel St.Croix.

Zurück auf sea magiX, hat sich der Strand und die West Anchorage etwas gefüllt mit Booten der Tagesausflügler. Klar, es ist Samstag und damit Zeit, Platz zu machen und für uns die wenigen Meilen zum St. Croix Yachtclub anzugehen. Leider ist der Wind nun wie angekündigt im Bereich von 1-2Bft, zu wenig zum Segeln, aber der Yanmar muss ja zwischendurch auch mal laufen und nebenbei den Wassermacher antreiben.

Im Yachtclub dann wieder der freundliche Empfang wie beim letzten Mal: Ohh, what a lovely boat, she looks beautiful (recht haben sie), shure you can stay where you are, ohh, you stay only a few days, enjoy!! So ist man gerne aufgenommen, und im anbrechenden Abend relaxen wir auf der Terrasse bei gutem Internet und kaltem Bier wie die Klubmitglieder auch.  


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