Noch ist Bänz unterwegs auf dem Atlantik in Richtung Bermudas und dann hoffentlich Europa. Es zeigt sich, dass auch dieser Abschnitt länger dauern könnte, als wir erhofft hatten. Hier deshalb mal wieder ein Zwischenbericht, quasi aus dem Backoffice. Denn sea magiX ist inzwischen immerhin schon einen Schritt näher an der Heimat angelangt.
Das fing an jenem denkwürdigen Freitagabend vor genau einem Monat am 24.4. an, als mich unser Kontaktmann bei Sevenstar Yachttransport anrief und mir mitteilte, dass der für sea magiX geplante Frachter möglicherweise nicht in die Bahamas käme und Bänz das Boot deshalb nach Florida bringen müsste. Wie vom Skipper schon beschrieben bedeutete dies nicht nur eine weitere, sondern auch eine kürzere Anreisezeit. Die geschätzte Ankunftszeit (ETA) der «MV Schippersgracht» in Palm Beach FL war nicht am 7.5. wie für Freeport, sondern am 5.5. Somit mussten auch alle Formalitäten für das Aufladen und vor allem das wieder Abladen bis dahin bzw. bis 48h vorher (gemäss Vorschriften der Logistikfirma) erledigt sein. Die Arbeitsteilung war klar; Bänz musste sich und sea magiX über die Untiefen und zwischen den Korallenköpfen hindurch nach Palm Beach segeln. Er konnte sich nicht auch noch gleichzeitig mit seinen beschränkten Kommunikationsmöglichkeiten um die Organisation kümmern. Und anstatt mir nur vor lauter Sorgen über die auf 1.5m auf sea magiXs schönen Rumpf lauernden Korallenköpfe die Nägel abzubeissen, verstärkte ich ab sofort meine schon begonnenen Bemühungen um die Logistik. Da schon beim Aufladen klar sein musste, wer danach in Southampton die Verantwortung für das Boot beim Abladen übernehmen würde, stellte uns dies angesichts der Covid-Situation vor schwierige Fragen. In England herrschte zu jenem Zeitpunkt strenge Ausgangssperre, auch für nicht-systemrelevante Arbeitswege. Da nützte es mir nicht viel, wenn der Port Agent von Southampton betonte, dass der Hafen als systemrelevante Organisation offen sei – wenn niemand dorthin fahren konnte, um sea magiX in Empfang zu nehmen, würde uns das nicht viel helfen. Die Idee, dass Paddy und ich nach England reisen könnten, erwies sich je näher das Datum vom 5.5. rückte, als desto utopischer. Der Plan rückte von Platz A auf Platz U wie «unwahrscheinlich». Die X-Yachts-Vertretung von UK ist ganz nah bei Southampton, in Hamble. Die Mitarbeitenden dort erwiesen sich als äusserst hilfsbereit vom Home Office aus, konnten aber ebenso wenig sagen, wie sich die Lage bis zur ETA der Schippersgracht um den 22.5. entwickeln würde. Nach viel hin und her (sie sind wohl die Insistenz von Schweizer Bootseignern am Rande der Verzweiflung noch nicht so gewöhnt) erhielt ich 3 Tage vor dem Aufladetermin von ihnen die Zusicherung, dass sie entweder selbst vor Ort sein würden oder jemanden aus Southampton dafür organisieren würden. Uff, das war geschafft. Unterdessen hatte ich mögliche weitere Szenarien für den Aufenthalt von sea magiX bis zu ihrer Überführung nach Kontinentaleuropa erarbeitet. Die Liegeplätze in dieser Gegend sind auch für Monatsmieten sehr teuer, so dass ich mich darum bemühte, einen Kran-Termin für sie zu bekommen, damit sie am Land deutlich günstiger (GBP 66 pro Woche) auf uns warten könnte. Kranen war aber zu jenem Zeitpunkt noch nicht erlaubt und es war auch unklar, ab wann das möglich würde. So reservierte ich in der «günstigsten» Marina in der Nähe (Ocean Village Marina, GBP 90.8 pro m pro Monat ohne Strom) mal provisorisch einen Platz für sea magiX und bemühte mich weiter um einen möglichst baldigen Krantermin. Die Abklärungen bzgl Zoll erwiesen sich dafür als weniger problematisch; da erhielt ich relativ bald die relevanten Dokumente zum Ausfüllen und auch wieder bald nach ihrer Zusendung die (so erwartete) Angabe, dass das Boot problemlos einklariert werden könne. Da galt es nur noch, rechtzeitig vor der Ankunft in UK die Rechnung für den Verzollungsagenten zu bezahlen.
Unterdessen rückte der Aufladetermin in Palm Beach näher, für welchen die Ausklarierung vorbereitet werden musste, sowie die ganze Dokumentation für die Verladung. Hier war ich äusserst beeindruckt von der Professionalität und der sehr schnellen Bearbeitungszeit ihrer Mails durch die beiden involvierten Damen. Die Port Agentin in Palm Beach, mit dem schönen Vornamen Amber antwortete jeweils innerhalb weniger als einer halben Stunde auf meine Mails. Egal ob an Wochentagen oder Wochenenden, und sie hatte jedes Mal konstruktive und hilfreiche Angaben. Wirklich beeindruckend und erfreulich. Eine der Fragen in der Lade-Dokumentation liess mir kalte Schauer über den Rücken fahren und verdeutlichte einmal mehr das Problem des Entgegennehmens eines Bootes zu Zeiten von Corona: «In case of inability to deliver cargo as assigned: a) return to shipper, oder b) abandon». Ich kreuzte a) an und schickte gleichzeitig ein Stossgebet in den Himmel, dass diese Option nicht nötig würde.
Während die Organisation im Backoffice auf Hochtouren lief (nebst den durch die Krise verursachten erhöhten Belastungen im Arbeitsumfeld), entstand wegen der allgemeinen Sorge um unseren Skipper auch ein stark erhöhtes Kommunikationsvolumen an WhatsApps und Emails mit Nachfragen zu seinem Status. So hatten wir bald die Idee, Bänzs erwartete Ankunft in Palm Beach mit einem gemeinsamen Zoom-Apéro der zuhause mitfiebernden Familie zu feiern.
Die Krise und vor allem unsere so lange so unsichere Situation hatte mich einige nützliche Strategien im Umgang mit Stress gelehrt. Dazu gehört der tägliche Spaziergang im nahen Wald bei jedem Wetter, meine Bemühungen, mir autodidaktisch bzw. mit Hilfe von Youtube das Gitarrenspielen beizubringen, oder auch die Arbeiten im Garten. Eine Gewohnheit, von der ich jedoch sehr hoffe, dass ich sie bald wieder ablegen können werde, ist die ständige Nähe meines Handy’s. War ich früher allergisch darauf, wenn das Gerät am Esstisch auftauchte, und hatte es seine Ladestation immer weit weg vom Schlafzimmer, so trage ich es jetzt seit Ende Februar immer auf mir, lade es im Schlafzimmer in Griffnähe auf und hatte ich die Ruhezeit in den Tagen von Bänzs Hetzjagd nach Florida auch nachts ausgeschaltet. Die Nachrichten, welche jeweils wieder eine Zitterpartie beendeten (z.B. «Ausfahrt ist schon mal ok, bin im tiefen Wasser»), waren sehr viel wichtiger als die Handyfreien Zonen und Zeiten, die ich sonst eigentlich möchte. Die wirklich erlösende Nachricht kam dann am Sonntag, 3.5., um 15:33h, dass West Palm Beach in Sicht sei. Zum auf ca. 17:30h schnell eingerichteten Zoom-Apéro gesellte sich auch die gefeierte Hauptperson kurz hinzu. Die Erleichterung stand allen ins Gesicht geschrieben; erster Schritt geschafft.
Das Aufladen von sea magiX hat ja Bänz im Blog schon beschrieben. Ab da verfolgten wir die MV Schippersgracht via Vesselfinder und Marinetraffic. Ihr ETA pendelte zwischen dem 21. und dem 22.5. hin und her und trieb X-Yachts zur Verzweiflung, da niemand sagen konnte, wann denn nun der Abladetermin sein würde.
Am Morgen des 20.5. erhielt ich dann aus Deutschland endlich die Angabe, dass Abladen in UK schon am 21. vormittags stattfinden würde. Als ich dann endlich am Abend des 20. von der X-Yachts-Administratorin Debbie noch das Mail bekam «Don’t worry Ursula, we will look after your boat and we’ll send you some photos», war mal wieder geschäftlich bei mir nicht sehr viel vorwärts gegangen, aber dafür konnte ich die Sorgen um sea magiX etwas ruhen lassen. Angesichts der noch immer geltenden Reisebeschränkungen hatten Paddy und ich unseren Plan U vor etwa einer Woche gestrichen. Wir waren also voll darauf angewiesen, dass die Organisation vor Ort funktionierte. Und das tat sie dann auch. Am 21.5. um 21:30h erhielt ich eine Mail mit dem Text «Magix is safely in Hamble Marina. See photo attached», tatsächlich mit einem Bild unserer lieben weitgereisten sea magiX inmitten von anderen X-Yachten. Die hatten sicher einander etwas zu erzählen dort!
Auch einen Krantermin haben wir bekommen; für den 27.5. Nächste Woche können wir also einen Teil der Rückreise temporär abhaken.
Bleibt da noch der andere Teil. Und leider läuft der nicht so glatt und problemlos ab, wie wir uns das alle wünschen würden.
Das erste sms vom Montag nach der Abfahrt von Moving 2 mit Bänz, Frank und Gwenda an Bord klang noch so: «machen 7kn 75kurs direkt B. SSW4-5 bewoelkt. lange motor aber nun ok mit G&G. An Bord alles ok, wenig schlaf ungewohnt der kat.»
Am Mittwoch war es dann: «seit di abend kein wind t gegenstrom!» und am Abend folgte dann noch «hi unterwegs mit motor in 5kn SE, Gestrom aus NE, machen nur 4,5kn nach 85. Versuchen trotzdem Bermuda z warten auf wetter. sonst ok. 8kg Mahi LG B». Bei allem Fischerglück kann ich mir vorstellen, dass die Situation und Stimmung unter diesen Umständen nicht super war.
Die Situation verschlechterte sich dann zusehends: «30N24′ 70W39′ 210520 1300UT Kurs 140 5kn Wind 6NE Wende sobald Wind E. Sehr rau aber Crew u boot noch ok. Iridium Ant NOK, confirm m date». In den wenigen Zeichen steckt viel Leid: der Kurs 140 zeigte um etwa 70 Grad zu weit südlich an Bermuda vorbei, sie konnten also nicht annähernd dorthin steuern, wohin sie sollten. Wenn Bänz etwas von «sehr rau» schreibt, dann würden andere wohl von Waschmaschinen und ähnlichen Szenarien reden. Das Wörtchen «noch» klingt nicht wirklich optimistisch, wenn man bedenkt, wie wenige Zeichen bei diesen SMS zur Verfügung stehen. Und zuletzt kommt noch die Meldung, dass die Antenne des Satellitentelefons kaputt ist (wir hatten die schon am Hinweg kleben müssen); das war dann wohl eine der Auswirkungen des «sehr rau». Meine Schlafqualität nach diesem SMS war wieder auf dem erbärmlichen Niveau von vor drei Wochen gesunken. Aber es kam noch schlimmer, nach einer kurzen Beruhigungsnachricht (ich hatte wohl wieder etwas besorgt geklungen, wie bei Debbie von X-Yachts zu sea magiX): «wetter da mist aber ertraeglich, dauert halt lang da kat nicht kreuzt. 2kn zu ziel max. no worries, wird schon.» Ich denke, die Idee einmal auf einen Kat umzusteigen, wird nach dieser Erfahrung in diesem Leben nie auch nur im Traum aufkommen.
Gestern Abend erreichte mich dann diese Nachricht: «155mi2go 5.5kn 2engin. gestern GrossS im 2r gerissen schwarz hitec laminat muss in B rep, brauchen Pause!» Sie waren also nicht nur noch immer mit Motor-Unterstützung gegenan unterwegs und hatten noch etwa 28 Stunden vor sich bis Bermuda; nun war auch noch das Grosssegel gerissen und braucht eine Reparatur vor Ort. Die modernen, laminierten Segel benötigen Spezialisten zur Reparatur und können nicht einfach schnell mal von Hand zusammengenäht werden. Somit wird der Aufenthalt auf Bermuda schon gezwungenermassen länger als ein-zwei Tage dauern. Nicht nur wegen der sicher sehr nötigen Pause, sondern auch wegen des Segels. Die Hoffnung, meinen Skipper vielleicht noch vor Mitte Juni in die Arme schliessen zu können, hatte sich mit dem SMS gerade gründlich zerschlagen… ☹
Nun, jetzt hoffen wir, dass sie bald auf Bermuda ankommen und die Wartezeit auch für das Abwarten eines günstigeren Wetterfensters hilft. Paddy, unser treuer «Wetterdienst» meinte heute trocken «die Passage wird in einer schwierigen Erinnerung bleiben». Das kann ich nur unterschreiben und weiter hoffen, spazieren, gärtnern, Gitärrele und Daumen drücken. Ich werde hier bei Gelegenheit weiter updaten, denn auch wenn er gerade auf einem anderen Boot unterwegs ist, so geht es doch um den Skipper von sea magiX und um den etwas anders geratenen zweitletzten Teil unserer Atlantikreise.
Update (24.5., abends): Sie sind inzwischen auf Bermuda angekommen und gleich zu Quarantäne verordnet. Aber immerhin, auch dieser Zwischenschritt ist erreicht!
(Der Letzte? Das ist dann die Heimfahrt von sea magiX nach Rendsburg; wann, wie und mit wem steht momentan noch in den Sternen. Watch this space!)