Wir sind wieder da, wo wir vor etwas mehr als einem Jahr gestartet sind. Genau genommen momentan noch etwa 200m von dort entfernt, denn wir liegen heute noch im Büdelsdorfer Yacht Club und verlegen erst morgen auf die andere Seite des Fluss-Arms zum Eiderjachtclub. Hinter uns liegen fast 13 Monate voller Erlebnisse, Erfahrungen und Erinnerungen, die wir hoffentlich noch viele Jahre lang Revue passieren und geniessen können werden. Bei aller aufkommender Aufräum- und Endstimmung sind wir dafür weiterhin unendlich dankbar. Die Abschlussstimmung kam in den letzten Tagen und Wochen immer wieder bei unterschiedlichen Anlässen auf, wenn sich der eine oder andere Kreis geschlossen hat. So zum Beispiel, als wir vor 10 Tagen in Calais ankamen, oder am Montag, als wir Cuxhaven erreichten, oder eben auch vorgestern, als wir in der Schleuse bei Brunsbüttel lagen und sich hinter uns die Tore zur grossen Freiheit auf der Elbe und darüber hinaus allmählich schlossen. Und jedes Mal mischte sich zur leisen Wehmut auch die Freude an den Erinnerungen und die grosse Hoffnung, bald wieder gemeinsam zu ähnlichen solchen Reisen aufbrechen zu können.
Doch jetzt nochmals zum Rückblick über die letzten Tage, die anspruchsvolles Segeln mit Ferienfeelings abwechseln liessen.
Vor Vlieland im Strom lag es sich mit unserem mal wieder absolut vertrauenswürdigen Anker recht gemütlich, bis sich auch um uns herum das Feld zu füllen begann und sich am Abend ein grosser Holländer wirklich zu nah direkt neben uns legte. Auf meine höfliche Frage, ob es denn wirklich so nah sein müsse, entgegnete sie zuerst quasi beruhigend, es sei nur für eine Nacht (über welche ich mir ja gerade die Sorgen machte wegen der Stromkenterung), und er doppelte dann nach mit der kühnen Behauptung «this is not close» (Es war nicht mal eine ganze Schiffslänge…). Nun, wir waren froh, dass der Wind in der Nacht nicht auffrischte und die Boote zu unterschiedlichen Tanzbewegungen animierte, aber als es am nächsten Morgen entgegen der Ansage nicht regnete und mit angenehmen ca. 12 Kn etwa aus Südwest blies, hielt uns nicht mehr viel dort und wir brachen in Richtung Deutsche Bucht auf.
Wir planten, bei unangenehmen Verhältnissen nach Borkum hinein zu fahren, und es sonst bis Cuxhaven durch die Nacht durch zu ziehen. Gemäss Wetterbericht sollte es am Mittag auf Nordwest drehen und ab dann auch trocken sein. Nun, das Wetter hatte offensichtlich den Bericht erst mit Verspätung bekommen… wir kreuzten deshalb im schmalen Bereich zwischen der TSS und der Wattensee vor dem Wind, unternahmen mehrere erfolglose Gennackerversuche und warteten quasi den ganzen Tag darauf, dass es endlich um weitere 20 Grad nördlich drehe, damit wir nicht mehr ständig so platt vor dem zwischen 10 und 18 Knoten pendelnden Wind dahergondeln müssten. Gedreht hat es dann auf den Abend hin – aber gleich vorbei an Nordwest auf Nord. Und gleichzeitig kam auch der Regen. Innert Minuten gings von Vollbesegelung auf 2 Reffs und stark verkleinerte Genua und zu der sowieso schon wegen der Temperaturen nötigen Vollmontur gesellte sich bei mir eine weitere Schicht Icebreaker-Merinowäsche, der Schal und die warme Mütze hinzu. Ach wie schön waren die Nachtfahrten in der Karibik, bei denen wir uns ab und zu eine dünne Windjacke anzogen, aber eigentlich auch nur wenn es all zu oft oder stark regnete!
Trotzdem entschieden wir uns, jetzt da der Wind endlich da war, an Borkum vorbei weiter zu segeln. Es war kein Starkwind angesagt und wir hofften, dass sich die Stärke nach dem Dreher mal einpendeln würde und wir so wirklich bis Cuxhaven segeln und den Motor wieder schonen könnten. Es wurde dann zwar nie wirklich regelmässig und nahm gelegentlich so zu, dass unser Schleppgenerator Gisela vor lauter Fahrt durchs Wasser in wilde Piepskonzerte ausbrach, bis wir auch noch das Gross bargen. Die Nacht wurde – das ist hier im Norden der Vorteil gegenüber der Karibik – nur kurz wirklich dunkel, trotz der sehr schwarzen Schauerwolken. In jenen Stunden, etwa von 23h bis 01:30h, war mal wieder unser Dreamteam am Zug: Gisela lieferte den Strom und Erich steuerte den Kurs, während eine/r von uns beiden im Wind- und Regenschatten des Sprayhoods in Deckung blieb und der/die andere unter Deck ein wenig Schlaf suchte. Gegen Morgen liess der Wind nach und drehte auf Nordwest zurück und bald wurde das Steuern von Hand wieder nötig. Den Sonnenaufgang verpassten wir leider – er fand hinter den Schauerwolken statt. Aber als wir uns dann im Elbefahrwasser Cuxhaven näherten (etwa ein bis zwei Stunden früher als von «Wetterwelt» vorhergesagt), öffnete sich der Himmel allmählich und Cuxhaven empfing uns mit prallem Sonnenschein im Amerikahafen, bei dem eben auch wieder ein «der Kreis schliesst sich»-Gefühl aufkam.
Wie vor 150 Jahren die Auswanderer waren auch wir von hier über den Atlantik aufgebrochen. Vielleicht etwas weniger direkt und ganz sicher nicht mit dem Ziel des Auswanderns, aber die Symbolik dieses Hafens machte uns die Auswahl unter den drei Möglichkeiten in Cuxhaven auch bei der Rückkehr wieder ganz leicht. Und nicht nur dies – die LCF (Liegegemeinschaft Cuxhaven Fährhafen) ist uns einfach sympathisch.
Eine wunderbar ausgiebige Dusche (zuerst fürs Boot, dann für uns), und schon schwangen wir uns auf die nigelnagelneuen Leihvelos der LCF und genossen eine fröhliche Rundfahrt durch Cuxhaven; eine Beschäftigung, der auch viele andere Touristen nachgingen, teils mit Masken auch im Freien, teils völlig unbeschwert. Interessant fanden wir, dass im grossen Supermarkt die Maskenpflicht für Kunden galt; dass aber die Menschen an den Kassen und auch andere Mitarbeitende keine Masken trugen. Am Badestrand herrschte trotz der kalten 4-5 Bft aus Nordwest und der Wassertemperatur von ca. 17 Grad reges Treiben und die Strandkörbe waren gut belegt. Sommerferienstimmung, trotz Corona und trotz der aus unserer Sicht nicht wirklich sommerlichen Wetterbedingungen.
Einige Stunden und eine Mütze Schlaf später schwangen wir uns dann nochmals auf die guten Velos und fuhren zu einer der zahlreichen Hafenbeizen. So kam ich doch noch zu meinem Fischteller in Cuxhaven – wenn auch mit etwa einem Jahr Verspätung, aber immerhin. Und er war auch diesmal sehr fein.
Die Raumschotsfahrt am Dienstagmorgen mit auflaufendem Wasser nach Brunsbüttel wurde kurz und schnell – noch einmal genoss der Skipper die mehr als 10kn über Grund – und vor der Schleuse mussten wir nicht sehr lange warten, bis wir in den Kanal einfahren konnten und sich hinter uns die Tore zum offenen Meer mit viel Symbolik schlossen.
Die Fahrt auf dem Kanal konnte ich für die Erstellung der Löhne nutzen, während Bänz unseren Erich betreute und gelegentlich den grossen Pötten etwas auswich. Wir gönnten uns noch eine Übernachtung bei der Gieselau-Schleuse auf der Sonnenseite. Ein Ort, den wir beide sehr mögen, auch wenn sich die beiden Stege im Verlauf des Abends diesmal richtig füllten und es nicht ganz so ruhig war wie sonst.
Dafür herrschte dann gestern Mittwoch schönste ruhige Morgenstimmung als wir wieder loslegten. Über dem noch ganz glatten Wasser lag hie und da ein Dunstschleier, einige Haubentaucher machten am Ufer Morgenwäsche und nicht mal die Schwäne beeilten sich, um uns aus dem Weg zu rudern.
Schon bald hatten wir Rendsburg und die Rader-Insel erreicht. Wir wollten schauen, ob bei Schreibers Yachtservice jemand da sei, der uns eine noch immer ausstehende Antwort auf die Frage nach dem frühestmöglichen Auswasserungstermin geben könnte (Bänzs letztes Mail vom Juni war nicht mal beantwortet worden). Zudem hatten wir vor, unser Dinghi und die Bimini-Stangen in der Halle zu lassen. Doch es kam anders: spontan fragte ich einen Holländer auf einer grossen HR45, der mit Interesse (und vielleicht einer gelegentlichen Besorgnis, ob das wohl gut gehe) unserem «Dinghi-an-Land-Schlepp-Manöver» zugeschaut hatte, ob er ein fast neuwertiges Aluboden-Dinghi brauchen könnte (Ich dachte einfach, dass es auf seinem Vordeck sehr viel bequemer Platz haben würde als bei uns. Wir hatten uns entschieden, dass wir es nicht mehr dort haben wollten – Wenden und Halsen mit dem Ding vorne drauf war jedesmal mühsam und kompliziert gewesen.) Und siehe da – bald waren wir uns handelseinig und wir konnten uns den Treck mit dem Böötchen zur Halle sparen. So schnell und unkompliziert hatten wir uns diese Lösung nicht erträumt!
Noch bei trockenem Wetter konnten wir die beiden Segel abnehmen und zusammenlegen, und nachdem wir niemanden im Büro angetroffen hatten, legten wir bald wieder ab und fuhren die paar hundert Meter zurück zum Büdelsdorfer Yachtclub, von dem aus Rendsburg, aber auch die Autovermietung sehr leicht erreichbar sind und bei dem man sich für uns als Kunden deutlich mehr interessierte. Der Rest des Tages wurde für weiteres Aufräumen, Schoten- und Leinenwaschen, eine Velorundfahrt (mit den ebenfalls gratis vom BYC zur Verfügung gestellten Klappervelos) und viel «In-der-Erinnerung-Schwelgen» genutzt.
Und auch heute ist weiteres Aufräumen auf dem Programm, nebst Berichte-Schreiben und etwas Büroarbeit. Morgen geht’s dann mit dem Mietauto und den Segeln und weiterem Material nach Flensburg, vielleicht sogar in zwei Fahrten, weil wir so viel Material haben. Dann kann sea magiX nochmals so richtig durchgeputzt werden und am Samstag verlassen wir sie für ein paar Wochen und fahren in die Schweiz zurück. Ein Ende in Raten, denn auswassern können wir nun wirklich erst Ende August oder im September… und wer weiss schon, was Corona uns dann für eine Situation bescheren wird.
Ein Gutes hat dies aber auch: so haben wir Zeit für einen abschliessenden Fazit-Bericht und so muss dieser hier nicht der Letzte überhaupt sein von dieser in jeder Hinsicht aussergewöhnlich verlaufenen Atlantikrunde.