(Anmerkung der Redaktion: Wir posten mal die ersten 3 Berichte hier online, denn die letzten 2 Tage müssen noch beschrieben werden. Da waren wir mit anderem beschäftigt… Coming soon, watch this space!)
Es ist kurz nach 09 Uhr morgens, ich habe Wache und bin nicht am Steuer, sondern mit dem Laptop im Cockpit – ein sehr gutes Zeichen: Leonie, unsere Windsteueranlage hält uns ziemlich genau auf Kurs und es ist ruhig genug, mit dem Gerät draussen zu sitzen.
Die Sonne scheint, der Wassermacher läuft und gleichzeitig füllen die beiden fixen Solar-Panels auf dem Bimini die Batterie. Momentan haben wir ca. 8-10 kn Wind (also ca. 3 Bft, die offiziell als schwache Brise bezeichnet werden) aus Nordost und fahren ziemlich genau nach Westen, d.h. er kommt schräg von hinten und deshalb ist auch der Fahrtwind nicht so stark. Es ist angenehm warm (das Thermometer im Schiff zeigt 22 Grad) und gerade sehr friedlich.
Neptun und Aeolus gemeinsam haben uns bisher einen sanften Einstieg geschenkt und ich bin sehr dankbar darum. Die erste Nacht ist nämlich nie einfach, denn wir haben die Routine noch nicht, und unsere Körper haben noch nicht auf kurze Schlaf-Phasen umgestellt. Mein Wecker klingelt nun in der Nacht alle zwei Stunden um Viertel vor, entweder zum Zeichen, dass Aufwachen und Aufstehen angesagt ist, oder damit ich den Skipper wecke und ihn aus den warmen Federn hole. Das ergibt jeweils ca. 1.5 Stunden Schlaf, bzw. je nachdem eher weniger, falls noch ein Ein- oder Ausreffen ansteht oder so. Entsprechend wurde meine letzte Wache vor Tagesanbruch, d.h. von 04.00-06:00h dann ziemlich anstrengend, um wach zu bleiben. Zum Glück konnte ich einen grossen Teil der Zeit von Hand steuern – das hält meistens wach – und als die Konzentration zu sehr nachgelassen hatte, konnte ich wieder an Leonie übergeben. Nebst dem Kampf ums Wachbleiben war die Nacht aber wunderbar. Ein fast voller Mond, der so hell schien, dass der Skipper meinte «zum Glück haben wir das Bimini, sonst würde der Mond ja noch blenden». Nur kleine Schönwetterwölkchen, dazwischen die Sterne und einzelne Planeten, allen voran die helle Venus (glauben wir), nach der wir anfangs stundenlang steuern konnten, bis sie hinter dem Horizont unterging. Die ruhige, lange Dünung des Meeres, die uns jeweils wie im Lift aufhebt und absenkt, und nur kleine Windwellen, die selten an Deck spritzten.
Temperaturmässig war es kühl bis kalt – das volle schwere Oelzeug und darunter ein warmer Fasi, sowie eine wärmende Kappe waren absolut gefragt. Aber solange es trocken bleibt, oder wir uns hinter dem Sprayhood im Windschatten verkriechen können, passt das bestens so. Und sollte es noch kälter werden, so bin ich mit Merino-T-shirts ausgerüstet.
Auch der Start gestern war positiver als vom Wetterprogramm vorhergesagt. Schon bald nach Lagos konnten wir segeln, rundeten das Cabo Sao Vicente eine Stunde früher als erwartet und fanden aussen zwar Nordwestwind vor (also fast auf die Nase), aber der war nicht zu stark, so dass wir mit 2 Reffs im Gross und halb eingerollter Genua trotzdem ungefähr in die richtige Richtung segeln konnten: wir steuerten südlicher als wir wollten, aber wussten, dass wir das wohl später am Abend dann korrigieren könnten, sobald der Wind wie angesagt drehen würde. Inzwischen sind wir sogar nördlich unserer Ziellinie und versuchen, Leonie zu überreden, wieder etwas mehr nach links, d.h. nach Süden zu fahren.
Ums Cabo Sao Vicente fahren unzählige Frachtschiffe, die nach oder von Gibraltar und dem Mittelmeer zielen. Deshalb gibt es dort ein TSS, ein Traffic Separation System mit 5 Spuren, an die sich alle grossen Schiffe halten müssen und die wir queren mussten. Es ist ein wenig wie ich mir das Überqueren einer Autobahn zu Fuss vorstelle. Andererseits helfen die Spuren, den Kurs der Schiffe vorher zu sehen. Zuerst kommt die Inshore Traffic Spur, für jene, die z.B. nach Cadíz wollen. Dann die erste Northbound-Spur, dann die zweite für Schiffe mit Gefahrengut, dann die erste Southbound und zuletzt die Southbound mit Gefahrgut. Wir schlängelten uns auch hier ohne all zu grosse Schlenker hindurch. Sea magiX legte sich brav ins Zeug, wenns darum ging, mit genug Speed vor dem nächsten Riesen durchzuhuschen, oder wartete brav, wenn wir auf das Heck des nächsten zielten. Ohne AIS wäre das Ganze sicher noch kniffliger. Ich weiss jetzt wieder, wie sich wohl ein verirrter Hase auf der Autobahn fühlen muss.
Ein Etmal für die gefahrenen Seemeilen in 24 Stunden habe ich noch nicht, da wir noch nicht 24 Stunden unterwegs sind. Aber unser Plotter sagt, die Distanz zum Ziel (das wir mal mit Punta Delgada auf San Miguel gewählt haben) sei nur noch 664 SM statt der gestrigen ca. 770 SM. Also sehr erfreulich – ich hoffe, es geht weiter so!