Angekommen wo ich nicht hin wollte

Gemeint ist die Dominikanische Republik – DomRep. Im Hinterkopf Vorurteile von schicken und schönen, aber double-gated Resorts für sonnenhungrige Europäer und Armut, Korruption, Kriminalität und schwierigen Cruising Bedingungen ausserhalb der Resorts. Vor diesem Hintergrund war DomRep nicht wirklich auf dem Törn-Programm, da ich generell versuche, der (Klein)Kriminalität und Korruption möglichst aus dem Weg zu gehen. Der Plan sah vor, von San Juan in einem Strich die 450 SM direkt nach Great Inagua, Bahamas abzusegeln. Ein Segelblog und viel Internet-Recherche im Vorfeld liesen aber doch Zweifel aufkommen, ob mir da nicht ein spannendes Abenteuer entgehen würde. Das Wetter hat schlussendlich mit entschieden. Während im Februar/März zu Hause ein Sturmtief das nächste jagt, ist es hier nicht viel anders – es zeichnet sich einfach kein längeres und günstiges Wetterfenster für die nächsten Tage ab. So entscheiden wir uns kurzfristig für einen Stop nach der berüchtigten Mona Passage in der DR Bucht von Samana – und bereuen es nicht.

Zuerst aber haben wir 70SM der berüchtigten und exponierten Nordküste von Puerto Rico vor uns. Mit einer ganz formellen «out Clearance» der US Border Protection, die ich mit dem Faltvelo und massiver Charm-Offensive von Guadeloupe (das ist ihr Vorname) im Kreuzfahrtterminal bekommen habe (sie war deutlich mehr an meinem Faltbike als am Abfertigen von privaten Booten interessiert), verlassen wir am Montagmorgen San Juan. Kurz nach dem Ausfahrtskanal an der Festung rollen wir die Genua aus und fahren mit räumlichem NE Wind entlang der Küste nach Westen. Angesagt sind 4 Bft und Sonne. Schon bald ziehen aber Wolken auf und es brist auf 6 Bft auf, mit entsprechendem Schwell und Rollen des Bootes. Doch etwas viel als Einstieg für die neue Crew, so dass wir uns nach 35 SM für die vorher ausgelotete Option eines Zwischenstopps in Arecibo entscheiden. Der Hafen ist eine Ankerbucht mit langem Wellenbrecher. Das sieht auf der Karte recht gut und tief genug aus für uns. Das Handbuch und die elektronische Karte in grosser Vergrösserung warnen aber von nördlichem Grundschwell in den Wintermonaten (go in only in an emergency). Beim Näherkommen sehen wir was gemeint ist, riesige Brecher stehen in die Bucht und genau da müssen wir durch. Monika wird unter Deck verbannt, Manfred und ich sind mit Lifebelt gesichert und laufen gewarnt und vorsichtig die schmale Einfahrt unter Segel an. Die Tonnen sind nicht mehr wie in der Karte angegeben aber die Navigation stimmt trotzdem. Manfred steuert routiniert die Brecher hinab, bei der ersten grünen Tonne ein scharfer Kurswechsel nach Backbord, Segel zackig weggerollt und schon sind wir hinter der Mole im glatten Wasser. Mitten im Hafenbecken fällt der Anker auf 6m und hält sofort. Uff… Das Szenario von Arecibo: ramponierter Pier mit beachtlichem Schwell, eine uralte verrostete Fischereihalle ohne Dach, durch die wilde Windböen fauchen, eine beleuchtete aber scheinbar unbemannte Policia Station, riesige Brecher mit haushoher Gischt am Wellenbrecher, eine auf den Strand gespülte Steuerbordtonne (in der Karibik rot) von der Einfahrt, aber auch ein hübscher Leuchtturm auf einem Hügel und ein Palmenstrand, an dem unzählige Pelikane ihr Abendessen fischen. Und wir mittendrin im Zentrum des Hafenbeckens mit wunderbar glattem Wasser.

Der nächste Morgen ist ruhiger: was es am Tag zuvor zu viel Wind hatte, hat es nun zu wenig. Zumindest die Ausfahrt aus der Bucht ist einfach, aber der Motor muss dann doch noch 3-4 Stunden mithelfen auf dem Weg in die Domrep. Gegen Mittag kommt endlich der angesagte NE 4-5, der uns nur unter Genua nach Westen treibt. Bald kommt jedoch zum Nordost Schwell, der über 3000 SM ungebremst aus grosser Tiefe auf die Nordküste von Puerto Rico trifft, aus Süden etwas Neues dazu. Die Mona Passage zwischen Puerto Rico und DomRep ist berüchtigt für die entstehenden Kreuzseen aus Nordschwell, stark verringerter Wassertiefe von +3000m auf unter 100m und kaltem Wasser, das von Süden durch die Passage nach N entgegen der Wind- und Wellenrichtung gedrückt wird. Das hat natürlich auch in der folgenden Nacht bei uns seinen Preis in Form von Schlafmangel durch die ruppigen Bewegungen, langsameren Bootsspeed und ungeplanten Aufenthalten an der Reling. Erst am späteren Morgen, schon in der Anfahrt der grossen Bucht von Samana beruhigt sich der Seegang etwas. Übernächtigt wie wir sind, sind wir froh um den reservierten Hafenplatz in der Marina Puerto Bahia nahe der Stadt Santa Barbara de Samana. Gavi, der Hafenmeister, hat auf meine Email mit dem letzten Roaming Guthaben der AT&T Simkarte bei der Abfahrt aus Arecibo sehr prompt reagiert und ausführliche Info zu Hafengeld und vor allem Einklarierung in der DomRep geschickt. Die Einklarierung funktioniert dann auch problemlos in der Marina. Navy, Customs, Immigration und irgendwas mit Agriculture (Health) sind im gleichen Büro. Jeder schaut auf jeden, damit nicht gemauschelt oder geschmiert wird. Natürlich sind alle Formulare auf Spanisch, natürlich sprechen die Beamten ausser Jose-Luis, dem flotten Navy Offizier, nur Spanisch und natürlich ist es ein kleines Problem, dass ich meinen Pass zur Zeit nicht finde und nur eine Papierkopie habe. Aber nach ca 1h, einer Inspektion des Bootes durch die Navy und 110US$ habe ich wenigstens 2 neue Freunde, viele Stempel auf handgeschriebenen Formularen und kann die gelbe Q Flagge unter der Domrep Gastlandflagge einholen. Nun ist Zeit, die fast leere Marina Anlage mit grosszügiger Hotellobby, 2 Pools und schnellem Wifi zu geniessen – und meinen Pass zu suchen. Meine Vermutung, dass er hinter dem Kartentisch zwischen die Bordwand und die Holzverkleidung gefallen ist, bestätigt sich, nachdem ich unter dem Kartentischsitz mit dem Kronenbohrer ein grosses Loch in die Verkleidung geschnitten habe. Durch dieses Loch kann ich mit einem langen Finger den Pass gerade eben noch ertasten – ufff. Nun ist schnell ein langer Schlitz in die Verkleidung gefräst, durch den ich den Pass etwas nach oben schieben und aus seinem todsicheren Versteck befreien kann. Rasch wieder ins Büro zur Immigration für den noch fehlenden Stempel. Da ist aber nach 15 Uhr, nach der Schwerarbeit des Einklarierens einer Yacht mit 3 Personen keiner mehr. Am Abend des nächsten Tages klappt es aber dennoch, und nun ist alles korrekt mit unserem Aufenthalt in der Domrep für 30 Tage oder bis zur vorzeitigen Abfahrt.


Fortsetzung folgt mit Santa Barbara de Samana, Whale watching der Buckelwale mit Jungen, Lunch und Beach auf Bacardi Island (Cayo Levantado), Taxi Tuktuk mit Luis, wieder Santa Barbara, Bridge to nowhere, Walmuseum, Einkauf und wieder Tuktuk.

Clerance / Despacho internal verspätet, erneut viele Wale und viel Motor und Spikurs nach Luperon. Haarsträubende Nacht mit Wind und Schwell sowie Einfahrt Luperon. Bucht mit vielen Booten in unterschiedlichem Zustand, neue Clearance und die freundlichsten und fröhlichsten Menschen trotz unglaublicher Armut und Lebensbedingungen. Automiete-Ausflug nach Puerto Plata dann wird alles aufgefüllt: Gemüse, Früchte, Diesel, Wasser und Gas zu beschiedenen Preisen im Hinblick auf Bahamas Preise.

Nochmals Nervenkitzel weil die Navy wegen angeblich zuviel Schwell das Despacho verweigert aber fahren können wir (aus unserer Sicht) auch ohne. Ueber die Barre hat es genug Wasser – alles geht glatt und schon liegt der Kurs 290 Grad an für 170SM auf die südlichste Bahamas Insel Great Inagua.


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