Bretagne – mit bretonischem Wetter

Das Städtchen Paimpol liegt ganz innen in einer flachen Bucht, die bei Ebbe bis mehrere Meilen weit hinaus trocken fällt. So braucht es entsprechendes Timing mit den Gezeiten, um überhaupt bis vor die Schleuse zu kommen, und dann auch noch rechtzeitig in den Hafen hinein gelassen zu werden, damit man nicht im Schlick stecken bleibt. Ausserdem führt der Weg natürlich nicht einfach geradeaus, sondern an diversen Felsen und Untiefen vorbei dort hin.

Wir hatten den Wecker deshalb auf 04:45h gestellt, um etwa 1.5 Stunden vor Hochwasser bei Bréhat loszufahren. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass es bei Nieselwetter um diese Zeit noch so dunkel war, dass wir keine unbeleuchteten Seezeichen sehen würden. So hiess es noch ein wenig warten, bevor wir uns dann zur Schleuse schlängeln konnten, mit den üblichen Anweisungen: «noch 10 Grad weiter steuerbord… jetzt wieder 5° nach backbord,…» etc.

In Paimpol schleuste man uns zügig durch, nachdem ich den Schleusenwärter wohl mit meinem Anruf aus dem Schlaf gerissen hatte. Sea magiX gut vertäuen, dann auf eine heisse Dusche und danach einen feinen Morgenkaffee, und schon sah die Welt trotz kaltem Nieselwetter wieder sehr viel freundlicher aus.

Den Tag in der Marina nutzten wir dann für intensives Haushalten, und vor allem, um unserem unerwünschten Seewasserzufluss aus der Backskiste nachzugehen, bzw. dort überall mit Süsswasser zu putzen. Es ist inzwischen klar, wie das Wasser an seinem eigentlichen Abfluss vorbei unter die Koje und dann unter die Spüle gelangt. Auch das Abflussrohr haben wir intensiv durchgeblasen und durchgespült – es ist nicht verstopft. Aber es liegt ca. 2cm über dem tiefsten Punkt, in der Mitte des Schiffs. Wenn wir krängen, dann kommt das Wasser gar nicht am Abflussrohr vorbei, sondern geht direkt via den Schlauch-Eingang ins Achterschiff und dann der Bordwand entlang nach vorne. Wir sehen momentan keine Lösung, um dies zu verhindern, ausser, dass wir die Backskisten besser abdichten wollen. Und in Zukunft weniger solche Kurse fahren, bei denen die Wellen mit so viel Wucht und so quer ins Cockpit klatschen. Das ja sowieso… Eigentlich glauben wir noch immer an den Satz, dass «gentlemen don’t sail upwind». Wenn auch inzwischen etwas weniger sicher, ob das auch für normale Leute wie die sea magiX Besatzung gilt.

Auch die Waschmaschine und den Tumbler können wir gut nutzen, und dabei freundliche Gespräche mit diversen Jahresliegern im Hafen führen. Sie verliefen alle ähnlich, z.B. ungefähr «Ich liege jetzt seit 1987 in diesem Hafen und so nass-kalt und windig war der Juli noch nie wie jetzt!». Wir können nur müde nicken… wer’s glaubt!

Aber ich bin sehr zufrieden: bis am Nachmittag ist all unsere Wäsche seit der Überfahrt von den Azoren gewaschen und getrocknet, die Toilette und Pantry und wie erwähnt unter der Achterkoje bzw. in der Bilge und in den Backskisten ist blitzblank geputzt und mit dem kleinen elektrischen 1.8 KW-Heizöfelchen heizen wir ganz viel Feuchtigkeit aus dem Schiff. Wo vorher alles leicht feucht und klamm gewesen war, wird es allmählich wieder kuschelig warm und trocken. Vielleicht heilt sogar so auch meine Haut unter dem Ehering wieder ab, die dort bei dem ständig feuchten Klima einen Pilz zu entwickeln begann… na sowas!

Paimpol als Städtchen erforschen wir dann im Anschluss, im Regen, und stellen fest, dass es uns eigentlich gut gefallen würde, wenn es nicht so nass wäre. Die sauber und aufgeräumt und freundlich gehaltene Altstadt, mit der grossen «Eglise de Notre Dame de Bonne Nouvelle» (wir hoffen auf gute Nachrichten von der Météo), den vielen Crèperies und Bistrots und natürlich dem grossen Hafen mit zwei Becken und der Schleuse sprechen uns sehr positiv an.

Im Hafen ist gerade viel los: das eine grosse Becken muss bis Donnerstag mehr oder weniger geleert sein, weil am Wochenende die «Fête de la mer» ist. Da werden 200 Oldtimer-Segler erwartet, die alle dann in jenem Becken Platz finden müssen. Einige sind schon eingetroffen, andere treffen wohl in den nächsten Tagen allmählich ein. Für die Visiteurs wie uns bedeutet das, dass wir spätestens am Donnerstag die Stadt verlassen müssen, damit die Jahreslieger dicht gepackt (teils zwischen den Stegen schon jetzt in 3-er-Päcklein) im anderen Becken Platz finden. Emsig werden Boote verschoben, teils auch geschleppt und mit dem Hafenmeister-Dinghy geschubst und geschoben – sehr unterhaltsam für uns Zuschauer.

Für uns ist damit aber auch klar, dass wir gleich am nächsten Tag wieder fahren werden. Am übernächsten ist nämlich mal wieder sehr viel Wind angesagt (bis 55kn, d.h. Bft 9-10 in der Bucht von St. Malo) und da wollen wir im Hafen von St. Malo hinter sicheren Hafenmauern sein.

St. Malo erreichen wir nach einer vergleichsweise angenehmen Fahrt mit nur wenigen Regenschauern und vernünftigen Windstärken am Dienstagnachmittag, dem 1. August. Während der kurzen Wartezeit an der Boje vor der Schwelle, die mit 2m Höhe das Wasser im Marinabecken auch bei Niedrigwasser drin hält, melde ich uns über VHF bei der Marina an und erhalte einen Platz zugewiesen. Der erweist sich dann aber als unmöglich für uns, weil er wegen eines Pfostens viel zu kurz ist. Der nächste Zugewiesene ist besetzt und so nehmen wir uns einfach einen anderen, möglichst weit innen und mit dem Bug zum Ausgang, d.h. in den angesagten Wind.

Die Begrüssung am Empfang durch «Coralie» und «Rachel» ist äusserst freundlich. Reich beschenkt mit Giveaways, mit dem Gratisangebot für 2 Leihvelos und mit der Bestellliste für Baguettes, Croissants und Chaussons aux Pommes kehre ich zum Schiff zurück. Das soll wohl über den für unsere Verhältnisse doch wieder beachtlichen Preis von 42 € pro Nacht hinweg trösten…

Wir verbringen den Starkwindtag Mittwoch unterwegs mit den Leihvelos. Via St. Servan geht’s per Veloweg zum Gezeitenkraftwerk, wo wir vor einem der zahlreichen Schauer in die Ausstellung flüchten. Auch wenn wir schon früher hier gewesen sind – das Kraftwerk fasziniert uns noch immer und die Ausstellung dazu natürlich ebenso. Von dort erforschen wir ein wenig die Rance-Bucht dahinter, bevor wir dann nach Dinard radeln und gerade rechtzeitig sind, um den «Bus de mer» hinüber nach St. Malo zu erwischen.

Intramuros in St. Malo ist voll mit Touristen – es sind alle vor dem starken Wind in den Schutz der Häuser und Mauern geflüchtet, und zudem finden wohl kaum Ausflüge statt. Vieles ist wegen dem «coup de vent» abgesagt. Von den altehrwürdigen Stadtmauern windet es einen fast hinunter. Je nach Fahrtrichtung müssen wir sehr intensiv in die Pedale treten, um überhaupt ein wenig vorwärts zu kommen. Oder dann können wir es ganz sein lassen und uns einfach vom Wind schieben lassen.

Ein kleiner Spaziergang über den bei Niedrigwasser trockenen Steinpfad hinüber zum Fort, dann wieder zurück in den Schutz der Mauern, bzw. zurück nach St. Servan und in diverse Chandleries.

Trotz unseren Versuchen, die Schauer jeweils unter Dächern oder eben in Chandleries durchziehen zu lassen, werden wir doch immer wieder ziemlich nass. Die Funktionskleider trocknen aber auch jeweils wieder schnell und so ist es recht erträglich.

Weil unser Loggeber immer wieder stockt beim Losfahren, bzw. erst anzeigt, wenn wir mit viel Gas rückwärts gefahren sind, und auch das Putzen mit einem Lappen an einem Seil in St. Mary’s keinen nachhaltigen Erfolg zeigte, wollen wir eventuell die Rampe im Hafen Bas Sablons nutzen, um hier trocken zu fallen. Wir haben den Wetterbericht eingehend studiert und er verspricht wenig Erfreuliches. Hier in der Südost-Ecke der tiefen Bucht von St. Malo sitzen wir in der Falle, denn nach dem Sturm vom Mittwoch ist Donnerstag und Freitag jeweils recht starker Nordwest-Wind angesagt. Das bedeutet viel Kreuzen. Aber in dieser Bucht kommen die Ströme noch dazu: wenn man hier Wind und Strom gegen sich hat, kann man gleich den Anker werfen – da kommt man wirklich kaum vorwärts. Und wenn man den Strom zwar mit sich hat, aber den (starken) Wind weiterhin dagegen, dann entsteht eine äusserst unangenehme und schwierig zu segelnde See. Auch das nicht wirklich lustig. Wir beschliessen, es Tag für Tag zu nehmen. Am Donnerstag bleiben wir in jedem Fall noch immer da und kümmern uns um die Logge.

Mit diesem Beschluss sind wir gerade so weit, dass wir eigentlich zum lang geplanten Restaurantbesuch für eine Assiette Fruits de Mer aufbrechen können, da beginnt sea magiX an ihrem Steglein wild auf und ab zu tanzen. Es ist Spring-Tide und geht auf Hochwasser zu und gleichzeitig blasen 8-9 Bft Wind die Wellen in den Hafen. Alle Boote am Besuchersteg tanzen, zerren und reissen wild an ihren Leinen. Unser Nachbar ist etwas lieblos mit ganz kurzen Leinen angebunden (wir haben den Eigner noch nicht gesehen – das Boot hängt wohl schon länger so hier) und reisst das Fingersteglein jeweils noch mit sich umher, so dass auch wir einen Satz in seine Richtung machen… schnell wird klar, dass aus dem Fisch-Essen nichts wird. Wir verdoppeln jede Leine und bald tanzt sea magiX in einem Spinnennetz aus 11 Festmachern (und nur 3 davon haben Ruckfender – wieso haben wir in den Chandleries heute nicht gleich noch 2 mehr gekauft…?).

Das kommt schon gut, hoffen wir, aber ist tatsächlich beeindruckend. So etwas haben wir noch nie in einem Hafen erlebt. Wie wäre das nur draussen irgendwo am Anker gewesen? Ich bin froh, sind wir hier. («Esti», unsere Englisch-Estnischen Freunde von den Scillies haben anscheinend eine schlaflose Nacht am Anker verbracht. Aber er hielt… Trotzdem – ich bin wirklich froh, dass wir in St. Malo sind, auch wenn wir hier wie das Mäuschen in der Falle sitzen im Moment.) Warten wir mal die nächsten Wetterberichte ab. Vielleicht gibt es ja irgendwann ein passendes Fenster? We will see.

Inzwischen ist Freitag, der 4.8., und wir liegen noch immer im Hafen von St. Malo, bzw. Les Bas Sablons. Der Skipper hat den Loggeber gestern im schwimmenden Schiff herausgenommen und geputzt, weil wir bei dem Seegang im Hafen auch der Ruhe an der Rampe nicht trauten.

Das ist immer ein ziemlich ungemütlicher Moment; immerhin wird da ein Borddurchlass von ca. 3.5 cm Durchmesser zuunterst im Schiff rausgenommen (und ein Blindstopfen gleich hineingesteckt). Auch bei schnellem und entschlossenem Handeln sprudeln da 2-3 Liter Wasser hinein, bevor der Blindstopfen drauf ist. Und dann beim Rückwechsel gleich nochmals. Aber wir schwimmen noch, alles bestens. Enttäuschenderweise zeigte sich kein eindeutiger Grund für das Klemmen des Speedo. Hoffentlich hat die Putz- und Entkalkungsaktion trotzdem geholfen. Wir wissen es erst, wenn wir wieder unterwegs sind.

Letzteres ist eigentlich für heute Abend geplant. Das mehrfache, eingehende und wiederholte Studium des Wetterberichts, inklusive der Ströme, hat ergeben, dass wir mit einer Nachtfahrt heute noch rechtzeitig und bei machbaren 4-5 Bft. nach Jersey kreuzen können sollten. Ich freue mich überhaupt nicht auf die Fahrt; die wird anstrengend wegen des Kreuzens bei genug Wind und auch ziemlich nass und kalt – und dann noch dunkel… Aber wir haben nicht viele Alternativen gefunden, ausser, falls wir nochmals 3 Tage hier bleiben würden und erst am Montag losfahren würden. Morgen kommt nämlich das nächste Tief mit Starkwind daher und da sollten wir wieder irgendwo drinnen sein. Dann aber ist die Chance gross, dass wir ab Dienstag oder Mittwoch an der Ecke vom Cap de la Hague nach Cherbourg starken Nordostwind gegenan hätten. Auch das keine segelbare Option bei Strom gegen Wind…

Gestern Abend gings dann einen Abend später ins Restaurant für die Assiette Fruits de Mer. Wir haben ein kleines Bistrot in St. Servan beim Tour Solidor gefunden, das wir jedem gerne empfehlen: das Bistrot Le Bulot. Sehr sympathisch und freundlich und exzellent bei akzeptablen Preisen (für St. Malo).

Heute Vormittag ging’s dann nochmals zum Einkaufen. Die Verproviantierung hier in Frankreich ist halt eben sehr viel einfacher und auch deutlich günstiger als im englischen Gebiet. Und siehe da – wie um sich in unserer Erinnerung doch noch ein wenig freundlicher einzubrennen, kam sogar die Sonne kurz heraus. Beim Spaziergang übers Fort de la Cité gab es wunderschöne Blicke auf die Marina und hinüber zu Intra Muros. Sehr versöhnlich.

Soeben (es ist 16:40h und um 19h wollen wir starten) hat sich aber ein neues Problem gezeigt: wir haben mal wieder Wasser im Schiff. Aber diesmal ist es klar Süsswasser. Einerseits haben wir viel davon um den Mastfuss, was beim Regen der letzten Tage kein Wunder ist. Gleichzeitig kommt aber ein unaufhörliches Rinnsal von der Seite mit dem Wassertank. Ist der plötzlich undicht? Das wäre sehr schlecht! Bänz hat den Tank mal wieder freigelegt… und schon sehr bald das Loch bzw. den Riss gefunden. So ein Mist! Das Boot entwickelt sich soeben wieder zur Grossbaustelle. Ob wir das mit Bordmitteln wieder dicht kriegen?

Die Sache bleibt spannend. Ob wir wirklich heute Abend losfahren hängt ganz sicher von dieser weiteren Entwicklung ab. Watch this space – wir werden sehen!


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