Eingetroffen in den US Virgin Islands

Wir hatten uns vom Wetterbericht eine etwas angenehmere, bzw. ruhigere Überfahrt von St. Martin erhofft. Wahrscheinlich hatten wir einfach nur selektiv das wahrgenommen, was wir sehen wollten. Jedenfalls ging der Anker am Freitagabend etwa um 17:30h auf, nachdem der Skipper mit einer für 15$ gefüllten (10kg)-Gasflasche, einem neuen Ankerlicht, einem Solarlämpchen fürs Dinghy und dem gestempelten Ausklarierungsformular von Island Water World zurückgekehrt war. Beim Hinaustuckern aus der Anse de Marigot hatten wir ganze 6kn Wind… wir hatten auf mehr gehofft.

Draussen kamen dann noch ca. 2-3Kn hinzu und so wurden Segel gesetzt und ein «fahrbarer» Kurs eingeschlagen. Der zeigte zwar irgendwo in Richtung der Bermudas, aber immerhin hatte er eine leicht westliche und eine nördliche Komponente. Der gewünschte Kurs wäre etwa 290 Grad gewesen, also stärker westlich und weniger nördlich. Sea magiX zog ihre Bahn durch das ruhige Wasser, die Sonne schlüpfte rosa-leuchtend ins samtig dunkle Wasser und wir genossen unser Znacht unter den Sternen, immer hoffend, dass bald mehr Wind aus einer etwas günstigeren Richtung käme.

Für unsere Windsteueranlage Leonie war es schwierig, bei diesen Verhältnissen zu steuern. Mit dem Grosssegel und voller Genua beschleunigt Sea magiX schon bei einer leichten Windzunahme von 2-3 Knoten so markant, dass der Wind-Einfallwinkel für Leonie stark ändert und sie den Kurs ebenfalls entsprechend heftig ändert. Die Bögen, die wir fuhren, waren schon fast genug, um seekrank zu werden, trotz ruhiger See. So verbrachten wir unsere Wachen damit, in der Ecke im Heck zu sitzen, und alle paar Minuten den Kurs zu ändern. Im Verlauf der Nacht pendelte die Windstärke zwischen gefühltem «Nichts» von 8kn bis zu für Vollzeug zu starken 17kn. In den Schwachwindphasen schlugen die Segel mit lautem Knallen hin und her und in den stärkeren Windphasen refften wir das Gross. Morgens um 04h kamen dann noch dicke Wolken mit etwas Regen und starken Winddrehern, die uns zum Halsen zwangen – es wurde eine unruhige Nacht, in der wir beide nicht viel zum Schlafen kamen.

Unser Kurs hatte uns weiter nördlich gebracht als gewünscht, auf die Höhe von Virgin Gorda, d.h. zu den British Virgin Islands. Kurz überlegten wir, ob wir den Plan ändern und hier anlanden und einklarieren sollten, aber entschieden uns dann doch dagegen. So ging es im frühen Morgenlicht weiter, aussen entlang den Inseln. Hinter uns im Luv bildete sich eine eindrückliche, schwarz-gelbe Gewitterwolke, die einmal mehr verhinderte, dass ich den Skipper in seine Freiwache entlassen konnte. Wir bargen schon mal das Grosssegel und warteten auf die ersten Regentropfen. Und merkten, dass hier nicht alles so läuft, wie wir es bisher gewohnt sind. Die Wolke kam und kam nicht näher, breitete sich nach oben und links und rechts aus, aber nicht zu uns, schluckte noch etwas mehr von dem noch immer spärlichen Wind und baute drückende Hitze auf. Nach einiger Zeit beschlossen wir, sie zu ignorieren und den Spi, bzw. Parasailor trotzdem zu setzen, denn inzwischen hatten wir noch 9-10kn genau von hinten und mussten uns Gedanken machen, ob wir noch rechtzeitig zum Einklarieren in St. John ankommen würden, wenn wir so weiter warteten.

Der Spi ging hoch und es reichte für einige Fotos und etwa 4SM Weg, bevor die ersten Regentropfen die Wolke doch noch ankündigten. Schnell kam das blaue Tuch wieder herunter – wir wollten es nicht nass werden lassen, denn momentan teilt man sich unterwegs in der Achterkoje noch den Platz mit ihm. Und bald segelten wir wieder nur mit der Genua im strömenden Regen westwärts. Im wahrsten Sinn befanden wir uns in einem Wechselbad… Als die langsam ziehende Wolke endlich vorbei war und den letzten Rest Wind gleich mitgenommen hatte, wurde es zumindest der Crew zu blöd (die stand auch draussen im Regen) und sie startete den Motor für die letzten 2-3 SM um die Ecke.

In der Cruz Bay lag, als wir etwa um 13:30h dort ankamen, auf der linken Seite vom Fahrwasser schon ein Kat, aber wir konnten dahinter trotzdem noch ein wenig Wasser zum Ankern finden. Wir hatten schon unterwegs unsere Pässe und die Dokumente bereitgelegt und uns behördentauglich angezogen. So waren wir eine Viertelstunde nachdem der Anker gehalten hatte schon im Dinghy unterwegs an Land. Wir standen gerade am Eingang zur Port Authority, wo die Fähren halten, als uns ein älteres amerikanisches Pärchen mit «Clearing?» auf den braunen Container im gleichen Gehege aber links daneben hinwies. Drinnen war schon die 8-köpfige Belegschaft des Kats am Clearing, vor uns das amerikanische Paar und dann wir – es war recht eng in dem Container, aber die Klimaanlage lief auf Hochtouren. Wir hatten ja an einem kalten Wintermorgen anfangs 2019 mehrere Stunden vor und in der amerikanischen Botschaft in Bern verbracht, um uns ein B1-B2-Visum zu besorgen. Nun zahlte sich dies für uns aus, zumindest punkto Einfachheit des Prozederes. In die USA darf man mit dem ESTA-Visa-Waiver nämlich nicht mit individuellen Verkehrsmitteln einreisen. Das funktioniert nur, wenn man per Flugzeug oder Fähre ankommt. Auf früheren Segeltouren in dieser Gegend hatten wir deshalb jeweils die Sparti Vento in Tortola/BVI gelassen, waren auf die Fähre nach St. John gestiegen, hatten uns hier mit dem Visa-Waiver den Stempel in den Pass geholt, wieder mit der Fähre zurück und dann mit Sparti Vento eingereist. Da seit Irma der Fähren-Fahrplan geändert hat, wäre dies heute nicht ganz so einfach mehr am gleichen Tag gegangen. Und da das Waiver-Visum maximal drei Monate gültig ist, wäre das für Bänz auch zu kurz gewesen. Mit unseren B1-B2 Visa konnten wir uns sowohl die Fährenfahrt sparen (die übrigens weiter nördlich falls Sea magiX unterwegs in die Dominikanische Republik aus- und danach wieder in amerikanische Gewässer einreisen möchte, auch nicht möglich wäre), als auch in aller Ruhe bis Ende Juli in amerikanischem Gebiet unterwegs sein.

Die Beamtin (mit Namensschild Christopher, aber es war unklar, in welche Richtung ihre/seine Umwandlung unterwegs ist) begann das Prozedere im von dieser Behörde gewohnt barschen Ton (den wir zu unserer Beruhigung aber auch bei den Amerikanern vor uns hatten beobachten können), taute dann aber allmählich etwas auf, während Bänz das Clearance-Formular ausfüllte. Nach etwa einer Viertelstunde waren sie und ihr inzwischen frei gewordener Kollege sogar so weit, dass sie bereitwillig erklärten, dass wir für die Clearance nach Puerto Rico nur noch das von den USVI abgestempelte Clearance-Dokument abgeben müssten, wegen der Visa aber nichts mehr tun müssten, und wenn wir hin und her fahren würden, sei keine neue Clearing-in-Prozedur nötig. Vielleicht würde es in Puerto Rico sogar genügen, wenn wir nur anrufen würden. Und dann von Puerto Rico zu Mainland USA sei gar nichts mehr nötig. Die USVI seien ein separates Customs-Territory und deshalb seien die Customs separat zu behandeln. Immigration sei aber mit dem Stempel im Pass eigentlich erledigt. Auch, dass Bänz die Border Protection App genutzt habe, finden sie zwar nett, aber leider falsch – die sei nur für US Bürger. Christophers Kollege löscht unseren Eintrag in der App gleich vor Ort. Aber wir haben ja den Stempel schon im Pass.

Überraschend schnell und unkompliziert, d.h. nach schon etwa 20 Minuten waren wir wieder draussen und konnten zum Supermarkt am Hügel hinauf, um wieder etwas Salat (und frisches Fleisch) zu kaufen. (Das Schild über das Einfuhrverbot von frischen Lebensmitteln hing zwar hinter Christophers Kollege, aber es war kein Wort darüber gewechselt worden). Im gut bestückten Dolphins Supermarket erstanden wir den uns altbekannten Romaine-Salat, ein paar Bananen, drei riesige Kartoffeln, 12 Eier, ein kleines Päckchen Bacon und ein schönes Rindssteak für insgesamt 30 USD. Die Preise sind auch für Schweizer Verhältnisse hoch, (ausser fürs Fleisch, aber das ist in der Schweiz ja einfach unanständig teuer). Beim Blick auf die Bucht mit Sea magiX beschleunigten wir gleich unser Tempo für den Rückweg – das Boot lag weiter drin in der Bucht, von der wir wissen, dass sie wirklich wenig Wasser hat.

An Bord zeigte sich aber, dass wir noch immer 2.3m hatten. Trotzdem ging sehr schnell der Motor wieder an und schon bald segelten wir über die geschützte Bucht zum Current Cut, der eigentlich mit einem Seezeichen bezeichnet sein sollte. Beim Vorbeifahren war dann auch klar, warum es nicht sichtbar gewesen war – es ist umgekippt. Wir fanden den Durchgang auch so und ankerten schon bald in der Christmas Cove auf Great St. John Island dahinter.

Hier schwoien wir noch immer heute Sonntag-Mittag. Rundum sind amerikanische Yachten und ein einziger Kanadier. Gegenüber liegt der St. Thomas Yacht Club, wo wir im Februar 2014 an der Rolex St. Thomas Race Week teilgenommen hatten. So fühlte es sich beim Ankommen und auch heute Vormittag fast «heimelig» an, dass in der Bucht wieder ein Startschiff ankert und darum diverse Bootsklassen ihre Dreiecke ziehen. Der St. Thomas Yacht Club ist sportlich sehr bekannt. Und für Schweizer Segler sowieso, denn von hier kommt Peter Holmberg, der 2007 in Valencia Alinghi zum Verteidigungs-Sieg gesteuert hatte.

Wir haben wieder lang geschlafen, sind sehr gemütlich mit Morgentee, Morgenschwumm im hier wieder schön klaren Wasser, und dann feinen Bacon & Eggs in den Tag gestartet. Eine grosse Wasserschildkröte hat uns interessiert beäugt, wir schauen den Regatteuren bei ihren Starts und Manövern zu, der Wassermacher füllt unsere Trinkflaschen und die Solarpanels erarbeiten den Strom dafür. Gelegentlich werden wir einen aktuellen Wetterbericht herunterladen und schauen, ob es irgendwann günstig wird, um die 40SM südwärts nach St. Croix zu segeln. Diese Insel, sowie die Spanish Virgin Islands zwischen hier und Puerto Rico, möchten wir unbedingt in den kommenden zwei Wochen noch besuchen. Aber wir müssen gar nichts – bis Puerto Rico ist es nur noch ein Katzensprung und so können wir uns nochmals ganz entspannt auf Feriensegeln pur einstellen.


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