Die Tage verfliegen rasant. Aber wir haben ja Zeit, ein Gefühl, an das wir uns wieder gewöhnen müssen. Wobei das kein unangenehmes „müssen“ ist, sondern schlicht die geistige Umstellung, die – wie wir inzwischen gelernt haben – jeweils stattfindet, wenn wir in den „Langfahrermodus“ kommen wollen. Umgekehrt war das gar keine Frage, da unser Programm so eng getaktet gewesen war. Und zugegeben – auch die ersten Tage dieser Etappe, vor genau einer Woche, waren eng und intensiv, denn sea magiX musste von Freitag bis Sonntag fürs Einwassern vorbereitet werden, um den Termin am Montag Vormittag einhalten zu können.
Unsere Anreise von Genf nach Teneriffa Süd am 28.11. verlief so problemlos, dass wir quasi übergangslos von der nasskalten Schweiz in die sonnig-heisse Kanarenwelt katapultiert wurden. Die dicke Softshell-Jacke und die langen Jeans waren im Nu deutlich fehl am Platz und wir waren froh, nach der ebenfalls problemlosen Übernahme unseres schnittigen Mietautos die Klimaanlage einschalten zu können. Beim Eindunkeln hatten wir die Marina Radazul erreicht und schon bald war der Skipper dran, sea magiX ein erstes Mal abzuspritzen.
Für die Tage übers Wochenende war eine leichte Kalima angesagt; ein heisser Ostwind direkt aus der nahe gelegenen Sahara mit entsprechendem Sand-Transport und sommerlichen Temperaturen. Das bekamen wir dann auch so zu spüren. Sea magiX musste als erstes aussen und innen vom feinen Sand und Staub befreit werden, der sich in den 6 Wochen ihres Landaufenthalts überall angesiedelt hatte, aber gleichzeitig brachte die Kalima schon wieder neuen Sand daher. Den Grossteil eines Tages brauchten wir für den Antifouling-Anstrich. Die Farbe wurde bei diesen hohen Temperaturen schnell dick und musste mit Kraft aufgetragen werden. Dafür konnten wir am selben Tag mehrere Schichten anbringen.
Abends waren wir jeweils so k.o., dass wir nicht mehr aus der wieder sehr komfortablen Wohnung (diesmal Nr. 13 – beim Auswassern hatten wir Nr. 12 gehabt. Der grosse Unterschied: Nr. 13 hat eine Waschmaschine. Sehr praktisch!) raus mochten, sondern uns mit Teigwaren vom Schiff und Salat verpflegten, bevor wir todmüde ins Bett fielen. Am zweiten und dritten Tag bekam sea magiX eine zweite Marine Polish – Schicht (wofür zuerst das Freibord nochmals gereinigt werden musste), ihr Ruder wurde nochmals aufgebohrt weil es noch immer tropfte, der Propeller kam wieder drauf, drinnen wurde soweit aufgeräumt, dass man sich wieder einigermassen bewegen konnte, alle Falle und Schoten bekamen eine Wäsche mit viel Weichspüler in der Wohnungswaschmaschine, etc. etc.
Bis am Sonntagabend war sea magiX dann aber tatsächlich bereit für ihren Einwasserungstag am Montag, 2. Dezember. Mit den Sternen um die Wette glänzend, geputzt und gestrählt, und mit vorsorglich montierten Filzteppichen zum Schutz der polierten Seiten vor den rauhen Gurten wartete sie auf das Anheben durch den Travellift.
Auch das verlief problemlos – wie üblich mit viel Wartezeit verbunden, weil wir über Mittag in den Gurten des Travellifts hängen wollten, um dann die Auflagestellen auch noch mit Antifouling bemalen zu können. Über Mittag hiess an jenem Tag von ca. 12:30h bis 15:30h, aber für das Malen brauchte der Skipper etwa eine Viertelstunde. So konnte wenigstens die Farbe gut trocknen, bevor das Boot wieder in sein Element eintauchte.
Kaum schwamm sea magiX wieder im klaren Atlantikwasser von Radazul, so bekam sie ihr Grosssegel wieder (mit den üblichen kleinen Erschwernissen wegen ausgeleierten Schraubengewinden an den Mastrutschern) und dann machte sich der Skipper an den Motorölwechsel mit allen Filtern. Gegen 21h wurde er fast gewaltsam vom Motorraum weggeschleppt, damit wir doch noch im La Terrazza etwas zu essen bekommen konnten. Zum Glück gelten auch auf den Kanarischen Inseln die für Südspanien üblichen späten Essenszeiten!
Mit den beiden Reisetaschen noch immer nicht ausgepackt, ganz viel Material notdürftig irgendwo versorgt oder verklemmt, und noch ohne montiertes Vorsegel, weil dessen Fall noch umgedreht und neu gespleisst werden muss, legten wir dann am Dienstagmorgen von Radazul ab, um noch vor dem für Mittag stärker angesagten Wind in Santa Cruz de Teneriffe anzukommen.
Auch mit nur 3-4 Bft gegenan wurde es schon recht holprig in den zwei Stunden Fahrt nach Norden. Unsere Ungeduld, bald anzukommen, vergrösserte sich, als der Skipper mit langem Gesicht vom Motorcheck hoch kam: inzwischen war klar geworden, woher die im Oktober so unerklärliche Salzkruste in der Motorbilge stammte. Aus dem Auspuffkrümmer tropfte es jetzt unübersehbar und in grösseren Mengen. Auf den wenigen Meilen zwischen Radazul und Santa Cruz sammelte sich wohl ca. ein Liter Salzwasser in der Motorbilge, bzw. im bereitgestellten Schwamm und Kessel. Tja, so konnten wir nicht auf die lange Überfahrt nach Westen starten…
Eine positive Seite hatte die Situation jedoch: mit der Erklärung, dass wir ein Motorenproblem hätten, konnten wir diesmal durchsetzen, dass wir einen Fingerstegplatz in Santa Cruz bekamen. Zwar am Pantalan 5, d.h. auf der von den sanitären Anlagen am weitesten entfernten Seite, aber das passte uns wunderbar so.
Viel Telefonieren und mehrere Versuche, unser Problem mit Hilfe von Deepl Translator zu beschreiben (ich wüsste ohne Deepl ja nicht einmal, wie ein Auspuffkrümmer auf Englisch heisst – wie soll ich das denn auf Spanisch kommunizieren können?) führten dann doch zum Erfolg. Der Yanmar Händler hatte leider keinen Ersatz an Lager und konnte nur eine Lieferfrist im Januar in Aussicht stellen. Aber Alexsei von Garina Inox holte das kaputte Teil bei uns ab und verpasste ihm in einem Tag eine neue Schweissnaht. Schön poliert sieht er aus wie neu und ist in Windeseile schon wieder eingebaut. So sind wir wieder mobil, wenn auch ohne Ersatz.
Für Mittwoch hatte ich einen durchgetakteten Arbeitstag eingeplant, der mit dem neuen Starlink Mini wunderbar funktionierte. An dem einen Tag hatten wir einen Datenverbrauch von fast 10 GB mobilen Daten. Das wäre über den Hotspot mit meinem Telefon nur gegangen, wenn ich es – wie auch schon bei anderen Gelegenheiten – immer wieder im Kühlschrank heruntergekühlt hätte. Während ich also von morgens bis abends fast pausenlos am PC sass, ging der Skipper auf Einkaufstour. Bei Lidl für haltbare Vorräte, beim Shipchandler, Yanmarhändler und beim Eisenwarenhändler, sowie an der Tankstelle für Diesel und Dinghybenzin gab er unterdessen etwa ähnlich viel Geld aus, wie mein Arbeitstag gerade einbringen sollte… So bleiben wir schön in Balance 😊.
Donnerstag war dann der letzte Tag, an dem wir noch unser Mietauto hatten. Wir nutzten es nochmals für Einkäufe bei Leroy Merlin (zB für Malerutensilien für den nächsten Antifouling-Anstrich im Juni, nachdem ich durchgesetzt hatte, dass das gebrauchte und fröhlich Antifouling-Bröseln verteilende Material entsorgt werden sollte. Oder für zusätzliche Fixleintücher für die Salonpolster auf der Überfahrt, um die Polster vor Sonnencreme und Salz zu schützen.), sowie bei Mercadona und Lidl für den Rest des Einkaufs. Nun sind wir nicht nur für die Überfahrt zu den Kap Verden und weiter ausgerüstet, sondern auch für einige Wochen danach was haltbare und in der Karibik teure Güter angeht wie z.B. Käse, Milchwaren und typisch europäische Produkte wie Oliven, Salami, etc.
Unter dem Salonboden sind jetzt auch mehr als 40l Trinkwasser in grossen Petflaschen als Notvorrat verstaut, für den Fall, dass der Wassermacher aussteigen würde. Noch ist nicht alles sorgfältig verstaut. Aber allmählich nähern wir uns einem Zustand, der die Abfahrt nicht mehr in weiter Ferne erscheinen lässt.
Ein besonderes Highlight am Donnerstag, nach dem grossen Einkauf und der Abgabe des Mietautos (wie problemlos das bei Cicar doch gehen kann, wenn wir dies mit den Schwierigkeiten mit Goldcar auf Madeira vergleichen!), war dann ein wunderbarer Abend mit Barbara und Alois von der Kailua. Wir hatten die beiden in Quinta do Llorde auf Madeira kennen gelernt und freuten uns sehr, als sie ein Treffen nun auf Teneriffa vorschlugen. Sie kamen dafür extra mit dem Bus von San Miguel nach Santa Cruz, eine Reise, die sich diesmal als komplizierter und länger herausstellte, als erwartet. Wir konnten einen spannenden Abend mit viel Austausch von Erfahrungen und Beobachtungen über unsere Vagabundenleben mit all ihren Höhen und Tiefen verbringen. Schön, wie bereichernd solche Gespräche sind! Wir hoffen sehr, dass wir auch weiterhin mit den beiden in Kontakt bleiben können, auch wenn sie mindestens für diesen Winter noch eine andere Planung haben als wir.
Der heutige Freitag, Samichlaustag, ist nun der erste Tag seit unserer Ankunft hier im Süden, der etwas ruhiger angegangen wird. Heute ist es bewölkt und kühler und ich bin froh um den Windschatten im Cockpit, wo ich am Bericht-Schreiben bin. Unter Deck wirkt der Skipper wacker an den diversen Neuerungen. Er wollte „nur mal schnell das Kabel für die neue Multifunktionsanzeige von der Komfortbatterie zum Elektropanel einziehen“ und ist nun schon seit mehr als 4 Stunden dran. Dafür ist die neue Anzeige inzwischen auch schon schön und ohne Short-cuts eingebaut, wie auch ein neues USB-C-Ladegerät und nun kommt auch das Messgerät selbst an die Reihe. Es wird – auch hier ohne Short-cuts – sehr sorgfältig am richtigen Ort eingebaut, alle Kabel angepasst, etc. Der kontinuierliche Verbesserungs- und Erneuerungsprozess von sea magiX läuft auf Hochtouren! Und das Schönste dabei ist: wir haben Zeit dafür.
Abends spazieren wir dann doch noch, wie Tausende Einheimische auch, ein wenig durch die weihnächtlich-kitschig und sehr üppig beleuchteten Strassen der Altstadt von Santa Cruz. Lichtverschmutzung ist hier wohl kein Thema. Wir spazieren und staunen und lächeln wie alle anderen hier auch, und freuen uns, dass dies bei so angenehmen Temperaturen (inzwischen sind sie auf ca. 15 – 20 Grad gesunken) und trockenem Wetter möglich ist.