Land in Sicht – Fair Isle

Tom übergibt mir um kurz vor 6h die Wache und das Erste, das ich draussen bemerke, sind die Regentropfen auf dem Deck. Es hat genau zu meiner Begrüssung zu regnen begonnen; klassisch Schottischer, weicher und feiner Regen, der aber bei aller romantischen Verklärung noch immer gleich nass und kalt ist wie vor 10 Jahren, als wir das letzte Mal in dieser Gegend unterwegs waren.

Bald darauf lichtet sich eine Wolkenbank vor unserem Bug und gibt den Blick frei auf einen dunkelgraueren Umriss im hellen Grau des Horizonts. Land in Sicht!

Bald darauf begegnen wir den ersten Puffins, den Clowns unter den Vögeln hier im Norden. Wir liebten es schon immer, sie zu beobachten: sie waren wohl damals, als der liebe Gott bei den Vögeln die Aerodynamik austeilte, zuhinterst in der Schlange gestanden, oder sonstwie abgelenkt gewesen. Jedenfalls haben sie einen kugelrunden Körper und viel zu kurze Flügelchen. Jeder Start und jede Landung ist für sie ein Abenteuer. Wenn sie von einem daher segelnden Boot überrascht werden, versuchen sie übers Wasser zu rennen, um abzufliegen, aber meist werden sie von einer Welle überrollt und schlagen tatsächlich einen Purzelbaum, bevor ihnen einfällt, dass sie zwar in der Luft etwas unbeholfen sind, dafür aber unter Wasser die Spezialisten wurden.

 

Fair Isle empfängt uns mit Nieselregen, Vogelrufen, wilden Felsen in allen Grün- und Grautönen, und innen in der North Harbour Bucht

mit glasklarem, grünem Wasser.

Ein Zweierpäckchen mit einem Holländer und einem Norweger liegt schon dort und wir zwängen uns zwischen das Päckchen und die Good Shepherd, die Fähre, die zwei-dreimal pro Woche zu den Shetlands fährt. 

 

Bald nach dem Ankertrunk geht’s auf Landspaziergang; ganz ungewohnt, diese Bewegung! Inzwischen ist die Sonne auch wieder heraus gekommen und lässt das Grün der Wiesen leuchten. Es kontrastiert mit dem Beige der vielen Steinmäuerchen und dem Wollweiss der unzähligen Schafe. Immer wieder gibt es Blicke auf Buchten mit glitzerndem Wasser frei, und jeder der wenigen Menschen, denen wir begegnen, grüsst freundlich. Ein älterer Herr im Auto hält an und fragt, woher, wohin – wir sind sofort als Neulinge auf der Insel erkennbar. Aus dem „nur mal schnell einen kleinen Spaziergang und dann später auf den grossen gehen“ wird dann doch ein etwas längerer Ausflug. Wir kommen bis zum South Lighthouse und sehen, wie jemand oben gerade die Scheiben des Leuchtturms putzt. Scheue Frage, ob wir ihn denn besichtigen dürften, und schon wird uns vom Mechaniker der Generatorraum erklärt, dann dürfen wir hoch zu den beiden „Sparkies“. Die drei sind gerade daran, die jährliche Maintenance-Bearbeitung des Leuchtturms vorzunehmen und genau in jener Woche tauchen wir hier auf; Glück muss man haben! Oben erklären uns die beiden Elektrotechniker das doppelt redundante System und wir verstehen immer nur jedes zweite Wort von ihrem Schottisch. Es ist aber in jedem Fall hoch interessant und der Blick in die Weite natürlich spektakulär.

Zurück an Bord freuen wir uns auf eine ununterbrochene Nacht. Die Hoffnung geht jedoch flöten, als uns der sehr freundliche Hafenmeister + Skipper der Good Shepherd + Vikingernachkomme + Bootsbauer mitteilt, dass mitten in dieser Nacht ein Lastschiff an unsere Pier kommen wird, um die Bestandteile für neue Windgeneratoren zu bringen. Die Insel erhält nämlich ein ganz neues Stromsystem, das zu 100% auf erneuerbarer Energie fussen soll und – wir staunen nicht schlecht – zu einem Grossteil mit Sonnenenergie funktionieren wird. Vielleicht erhält sie dann auch einen neuen Internetzugang. Leider haben wir nämlich auf der ganzen Insel keinen Zugang gefunden, der via unsere Handies oder per mobilem Hotspot oder via ein öffentlich zugängliches Netz möglich wäre. Dies beschäftigt mich sehr, denn in den nächsten Tagen sollte ich die Löhne für mein Geschäft bearbeiten können und benötige dafür etwa einen halben Tag lang eine stabile Verbindung. Zudem möchten wir gerne die Texte hier hochladen.

Um Platz für das Lastschiff zu machen, gehen wir gemeinsam mit dem Norweger, der schon vorher da war, beim Good Shepherd längsseits, im Wissen, dass dieser morgen um 07.30h ablegen wird und wir somit vorher starten müssen. Der Hafen hat sich inzwischen übrigens mit etwa 10 schwedischen Schiffen gefüllt, die alle zum gleichen Club gehören. So voll war Fair Isle North Harbour wohl noch nie mit Segelbooten!

Fair Isle hat uns sehr gefallen, aber unter diesen Umständen, und mit Tom’s Kommentar «naja, ich glaube, wir haben ja jetzt die Sehenswürdigkeiten von Fair Isle schon gesehen», ist der Beschluss klar, morgen zu starten.

 


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