Genau vor einer Woche habe ich hier in Palm Beach in Florida sea magiX zum Frachter Schippersgracht gefahren, um sie aufzuladen und als Decksfracht nach England zu schicken. Ja, richtig gelesen, Palm Beach USA – genau da, wo ich auf keinen Fall hin wollte wegen der gesundheitlichen Bedenken mit dem Corona Handling in den USA und der unklaren Situation der Einreise in die USA mit dem Lockdown. Planänderung oder doch kein Plan? Und woher denn die erneute Planänderung? Die ist ganz einfach in den vielen Seiten Kleingedrucktem des Transportvertrags von sea magiX begründet. Etwa eine Woche vor dem geplanten Ladedatum in Freeport Bahamas bestätigte die Transportfirma, dass sie Freeport aufgrund des kleinen Volumens durch den Ausfall von vielen US Booten aufgrund der Grenzschliessungen in den Bahamas nicht anlaufen würden und ich stattdessen 2 Tage früher im «nur» etwa 70 Seemeilen entfernten Palm Beach aufladen müsse.
Nun hatte ich kurzfristig Stress pur. Nicht nur wegen der weiteren Strecke, die ich in kürzerer Zeit allein zu bewältigen hatte, sondern besonders auch aufgrund der neuen Route über die mit Korallenköpfen verseuchten und mit 2-4 Meter Wassertiefe sehr flachen Stellen Yellow Bank und Grand Bahama Bank. Die Story in Kurzform: I made it! In 5 Tagesschlägen und einer Nachtfahrt bin ich die 330SM bei anspruchsvollen Wetterbedingungen von Georgetown entlang der Exuma Inseln, über die Yellow Bank nach Nassau und weiter über die Grand Bahama Bank und zum Schluss über den ca 3kn starken Golfstrom in den Lake Worth Inlet nach Palm Beach gesegelt und motort. Uff, in den Nächten habe ich vor lauter Stress wegen zuviel Wind, zu wenig Gezeitenhöhen und zu viel Strömungen und den teilweise bedrohlich geringen Wassertiefen kaum geschlafen. Und am Tag kam dann natürlich die Umsetzung des Tagesplanes mit Segelbedienung, Trimm, Navigation und viel Handsteuerung durch die Cuts und über die Bänke bei oft nur 50-150 cm Wasser unter dem Kiel. Da bleibt trotz der fantastisch schönen Inseln, den spannenden current Cuts, der glasklaren und türkis schimmernden See und den schönen Ankerplätzen kaum Zeit für ein paar Fotos oder auch nur etwas Genuss der Szenerie – aber ich komme unter anderen Bedingungen wieder dahin, das ist absolut klar. Mein Buddy Boat, der Katamaran Moving2 mit Frank und Gwenda ist einen Tag später in Georgetown gestartet, da ihnen der Wind für die gezeitenabhängigen Cuts zwischen den Exuma Inseln zuerst zu stark war. Nach dem dritten Tag hatten sie mich in Nassau aber bereits eingeholt weil sie mit dem Kat mit nur 1.1 m Tiefgang wesentlich forscher und flexibler über die Bänke fahren konnten und das Gebiet auch gut kennen. Ab da war ich wenigstens gefühlt nicht mehr allein, obwohl sie aufgrund des geringen Tiefgangs und einem zusätzlichen Ankerstop über Nacht eine leicht andere Route gewählt hatten. So bin ich dann von den Bahamas Defense Force und US Coast Guard trotz geltender Restriktionen wie «no inter Island traffic allowed, borders closed» vollkommen unbehelligt nach Florida gefahren. Dabei bin ich unter anderem quer durch Nassau Harbour und über die Grand Bahama Bank, entlang von Dutzenden stillliegenden Kreuzfahrtschiffen am Anker und zuletzt mit bis zu 30 Grad Vorhaltewinkel über den Golfstrom in der Florida Strait an die US Ostküste gefahren. Zum Abschluss noch gegen 3Kn auslaufenden Strom in den Lake Worth Inlet gekämpft, links abgebogen und nahe am Eingang geankert.
Es war Sonntag und schönstes Wetter und damit eine komplett andere Welt hier nach der Isolation der Bahamas. Hunderte Freizeitboote sind unterwegs zum Fischen oder Grillen am Anker, es findet sogar eine Trump-Parade mit Booten, begleitet von jeder Menge Polizeibooten, statt, und an Land herrscht scheinbar normaler Verkehr mit den hier allgegenwärtigen riesigen Pickups. Und das alles während des Lockdowns und social distancing!?! Genau deshalb wollte ich da nicht hin und muss auch weiterhin vorsichtig bleiben, auch wenn es nun nach 6 Wochen auf dem Boot eingeschlossen-sein schon verlockend ist, mal wieder richtig herumzulaufen. Vorerst bleibe ich aber gleich in der Innenseite des Inlets, 300m gegenüber des Frachthafens Palm Beach am Anker und kann einmal richtig Durchschnaufen, die letzten Bahamas Biers trinken und mich zusammen mit Freunden und Familie zuhause über Zoom über die Ankunft freuen und mit ihnen anstossen. Meine AT&T Simkarte aus Puerto Rico habe ich glücklicherweise noch in den Bahamas über Internet aktiviert und mit Guthaben versorgt.
Als nächstes kommt die gefürchtete Hürde des Einklarierens: Wie gefordert telefonische Anmeldung bei Customs und Immigration in Palm Beach. Da heisst es lapidar – NO! Borders are closed, lockdown, you can’t clear, you are not allowed to enter USA! Nach einigem Hin und Her habe ich dann eine Telefonummer des Disease Control Centers in Florida. Das ist aber eine allgemeine Nummer mit lauter Verweisen auf deren Webseite. Da mache ich mal einen Selfcheck bezüglich Covid Symptomen. Richtiger Blödsinn die Fragen aber der Check sagt am Schluss «you are safe». Das wusste ich allerdings schon vorher und bin nun auch nicht weiter. Auf meinem Smartphone habe ich noch die Roam App von US Customs and Border Control, die gemäss Auskunft in Puerto Rico für die Clearance von US Bürgern ist. Schon beim Starten der App kommt eine push-message, dass aufgrund Covid Massnahmen, Autorisierungen und Clearance anders laufen und nicht über die App erfolgen. Egal, ich setze eine prearrival Meldung ab und nach 30 Min im Status pending meldet sich doch tatsächlich ein CBP Officer für ein Video Interview über die App. Die Freude ist kurz, denn es tönt rasch wieder NO! Borders are closed, lockdown, you can’t clear, you are not allowed to enter USA. Not interested in your cruising permit, you can’t cruise, etc. etc. Gelegentlich sagt man (meist ist das meine Ehefrau) mir etwas Sturheit und Dickköpfigkeit nach und das kommt mir nun zu Gute. Ich lasse nicht locker, erkläre die ganze Geschichte zum 3. und 4. Mal und verspreche, nicht herum zu reisen und in ein paar Tagen die USA wieder zu verlassen. Dann geht es plötzlich schnell – kurz und bündig erklärt der CBP Officer, den ich natürlich nicht sehe im einseitigen Videocall, «you’re approved» und weg ist er. Dafür erscheint in der App der neue Status «your arrival has been approved, enjoy your stay!» gefolgt von einem Email das meine Clearance für Customs & Immigration bestätigt – ohne Auflagen!
Puuuaahhh – wieder mal ein Riesentheater mit nun doch gutem Ausgang. Aber typisch USA; trotz Visum, Stempeln im Pass, Cruising License, etc. ist der endgültige Entscheid dem Beamten vor Ort überlassen und damit unvorhersehbar. Wenn der mit dem linken Bein aufgestanden ist….
Später finde ich dann heraus, dass ich wohl der einzige nicht-Amerikaner bin, der mit der Roam App so «problemlos» einklarieren konnte. Die Deutschen auf dem Ankerplatz vor mir, aber auch Frank & Gwenda, und zum Teil sogar Amerikaner, die aus den Bahamas kamen, mussten zeitaufwändig mit einem teuren Taxi in Palm Beach auf den Flughafen für den Immigration Check. Was bin ich froh, dass mir das erspart blieb. Denn die Zeit bis zum Verladezeitpunkt am Dienstagmorgen ist knapp. Das Dinghi muss vom Vordeck aus dem Weg ins Wasser, Grosssegel und Genua abschlagen, Latten raus nehmen und Segel falten und verpacken, Solarpanels und Bimini abbauen und versorgen und dann natürlich alles Verderbliche aus dem Boot ausräumen, Waschen und Putzen ist alles ein ziemlicher Effort. Aber auch da kommt mir wieder die Community rasch zu Hilfe. Steve von der «Running Wild» kenne ich vom Ankerplatz in Georgetown. Er versorgt mich mit allen lokalen Infos wie Dinghi-Steg, Marina, Wasser und Duschen. Meike und Axel, die mit ihrem kleinen 33-Fuss Boot auf das gleiche Transportschiff gehen wie ich, nehmen meine Wäsche mit, und Frank hilft mir mit den Segeln, während Gwenda gleichzeitig für mich auch Sundowner und Nachtessen bereit macht. So bin ich am Montagabend persönlich zwar fix und fertig, aber auch bereit, das Boot ist innen sauber und aussen gut aufgeräumt, um es am Dienstag früh zum Transportschiff zu bringen. Meine Sachen für die anstehende Transat sind auch gepackt und schon auf dem Kat deponiert. Spät abends zurück auf sea magiX kommt das Dinghi noch an Deck und der Aussenborder und das andere Zubehör wird kurz gespült und versorgt. Dann ist wohl definitiv die vorläufig letzte Nacht auf sea magiX an einem Tropenankerplatz angebrochen. Der Rum im Cockpit unter fast vollem Mond und Sternen ist etwas grösser als sonst und die letzte Schweizer Schoggi verschwindet auch schnell. Trotzdem finde ich keinen guten Schlaf, zu viel Aufregung in den letzten Tagen, zu viel Fremdbestimmung und vor allem zu viel Ungewissheit, wie es weiter geht nun am so abrupten Ende der Atlantikrundreise mit sea magiX.
Das Aufladen am Tag darauf klappt einwandfrei. Ich werde um 9 Uhr, eine Stunde vorzeitig, zum Transportschiff beordert. 20 Minuten vorher gehe ich Anker auf und fahre zum Schiff, Fender sind draussen und Leinen bereit. Am Schiff selber ist es sehr ruhig, Windschutz und kein Schwell machen es einfach und die Deckscrew ist auch bereit. Die Gurtbänder, die sea magiX an der Bordwand halten und später im Gestell an Deck fixieren klatschen auf das Deck, ich löse das Achterstag und die Dirk, damit die Krangurte nirgends touchieren und innerhalb Minuten ist alles bereit für den Kran. Ich werde von einem kleinen Motorboot abgeholt, kann noch zuschauen wie das kleinere Deutsche Boot angehoben wird und werde direkt zur Marina gebracht. Von da fahren wir zu dritt mit dem Mietauto zum Haupteingang des Frachthafens und werden nach weiterem Papierkrieg wieder zurück zur Schippersgracht geleitet. Sea magiX ist bei unserem Eintreffen bereits in ihrem Gestell an Deck fixiert. Nun werden noch die Gestelle an Deck verschweisst und das Boot an allen Klampen und um den Kiel mit Spannsets fixiert und somit ist zumindest das Boot auch für groben Seegang auf dem Frachter gesichert. Ich räume Fender und Trossen weg, fixiere das Achterstag (das Stahlseil, das den Mast nach hinten hält) wieder und sichere alles in der Kajüte so gut als möglich. Spibaum und Aussenborder werden um den Mast und den Tischfuss gebunden, die Segelsäcke werden mit den Ersatzteil- und Proviant-Harassen und zusätzlichen Kissen verkeilt und alles Elektrische ausgeschaltet. Eine kurze Notiz auf dem Kartentisch muss als Instruktion für denjenigen, der das Boot in Empfang nehmen wird genügen, um klar zu kommen. Immerhin sind bereits die elektronischen Karten von England im Plotter geladen und die Seekarte bereit. Ich habe nun alles gemacht, was ich konnte, es bleibt nur noch Abschliessen, Schlüssel bei der Schiffscrew abgeben und schleunigst verschwinden, bevor die Emotionen hoch kommen. Meike und Axel geht es gleich, sie bringen mich noch zurück zur Marina und machen sich nach ein paar schnellen Abschiedsworten auf ins Hotel als Teil ihrer Heimreise nach Deutschland, wo sie dann die Quarantäne erwartet.
Für mich gibt es erst mal ein Bier und Junkfood mit schnellem Wifi im Takeaway der Marina, in die Gwenda und Frank zwischenzeitlich den Kat verschoben haben. Bereits am Mittag läuft die Schippersgracht mit sea magiX auf dem Vordeck aus und damit startet auch für mich die etwas andere lange Rückreise nach Hause. Frank und Gwenda haben für mich alles wunderbar vorbereitet. Ich muss mich aber erst noch gewöhnen an den Luxus einer grossen, immer flachen Kabine mit eigener Toilette und Dusche, genug Wasser und Strom, aber auch an die Menge verbauter Technik und den daraus folgenden Wartungs- und Reparaturanforderungen. So sind die folgenden Tage, mittlerweile wieder am Ankerplatz im Lake Worth, nicht nur ausgefüllt mit Warten auf ein gutes Wetterfenster, um nach Bermuda und weiter zu den Azoren zu Segeln, sondern auch mit allerlei Reparatur- und Wartungsarbeiten am Boot, bei denen meine elektrischen und mechanischen «Grundkenntnisse» nun schon dienlich sind.
Daneben habe ich nun aber endlich auch etwas Zeit, meine Gedanken und Erlebnisse der letzten 3 Wochen zu sortieren. Zuvor war ich einfach häufig am Limit meiner Coolness und Kommunikationsfähigkeit, und habe sowohl diesen Blog, wie auch viele persönliche Kontakte mit schönen Aufmunterungen, Gratulationen und Rückfragen von Freunden und Familie vernachlässigt. Zeit hätte ich im Lockdown am Anker in Georgetown ja genug gehabt, ich bin aber durch die ständigen Planänderungen, sowie die kleinen und grösseren Katastrophen da auch mental ziemlich festgewachsen. Als es dann plötzlich eilte mit dem Aufbruch, konnte ich mich überraschenderweise kaum lösen und verabschieden von meinen lieb gewonnenen Freunden der Sand$beach Gang und habe mich vor dem Segeln fast mehr gefürchtet als gefreut. Als ich dann tatsächlich wieder unterwegs war und sea magiX wie gewohnt zuverlässig bei 5-6 Bft raumem Wind losgestürmt ist, waren die alten Reflexe und das Bauchgefühl «das geht dann schon irgendwie» rasch wieder da, auch wenn es allein, in diesen Bedingungen und dem Zeitdruck, wie eingangs beschrieben, schon etwas grenzwertig war. (Dies auch für das Backoffice in der Schweiz! Anm. d. ehelichen Redaktion)
Trotz der nun längeren Warte- und Reisezeit und der immer noch grossen Ungewissheit über die Dauer und die Covid-Situation am noch unklaren Ankunftsort, freue ich mich, zurück nach Europa zu segeln. Das gesundheitliche Argument ist mit der Ankunft in Florida allerdings etwas entkräftet aber gilt wegen der Flugreise immer noch und ja, eine Atlantikrunde unter Segeln sollte doch auch mindestens teilweise unter Segeln abgeschlossen zu werden.