Auch diese Insel spielte ein wenig «hard to get» und auch diesmal war sie es wert, genau wie Santa Maria. Das Rennen um den Favoritenplatz ist eng ausgefallen, aber Santa Maria gewinnt es noch immer – wenn auch knapp und vielleicht spielt auch mit, dass sie unsere erste war. Trotzdem – Sao Jorge hat klar den nächsten Platz direkt neben Santa Maria auf dem Podest und vorhin, beim Hinausfahren aus der kleinen Marina von Velas riefen wir José Diaz, dem super sympathischen Hafenmeister zu, dass «we’ll be back next year». Er war extra aus seinem Büro herausgekommen, um uns zu verabschieden. Eben – wirklich sympathisch.
«Hard to get» war die Insel für uns, weil wir am Fr., 30.6., für den «kleinen Hüpfer» von Horta aus (ca. 20 SM) nicht wie erwartet bei gemütlichen 13-14 kn halbem Wind hinüberhüpfen konnten, sondern gegen anfangs bis 24kn pfeifende sehr böige Knoten kreuzen mussten. Weil die Böen zwischen 10 und 20kn hin und her schwankten, und sea magiX schon bei 2-3 Knoten Unterschied stark reagiert, hiess dies von Volltuch über zwei Reffs bis Gross ganz bergen und dann wieder in einem Reff setzen alles, ganz zu schweigen vom Ein- und Ausrollen der Genua. Durch die Berge von Pico und wohl auch den Düseneffekt zwischen den Inseln war hier die Detailwetterlage etwas anders als auf der grossen Karte. Der «Katzensprung» wurde deshalb anstrengender als erwartet. Und nässer… Aber wir kamen trotzdem rechtzeitig vor dem Mittag in der Marina Velas an, wie uns von Ysabelle von der Lucky Rabbit empfohlen worden war. So konnten wir noch vor seiner Mittagspause mit José telefonieren und bekamen von ihm direkt einen Platz am langen E-Steg im Päckchen an der «Ruby Tuesday» von Ute und Peter Roth zugewiesen. Ein Glücksfall, der ebenso zu unserem äusserst positiven Eindruck der Insel beitrug, wie der Empfang durch José (der auch aus seinem Büro rauskam, um uns zu begrüssen) und natürlich die Schönheit der Insel selbst, mit ihren durchwegs überaus freundlichen und entspannten Bewohnern. Die Ankerbucht vor der Marina war ziemlich unruhig und so waren wir sehr froh, in dem kleinen Hafen noch einen der wenigen Plätze zu bekommen.
Das Örtchen Velas mit seinen steilen Strässchen, der Fussgängerzone zum Stadtgarten mit Lusthäuschen und Kanarienvogel-Gehege und dem geschützt gelegenen Meerbad hatten wir am Samstag bald erforscht. Auch die Scootervermietung von Azorean Way fanden wir schnell und unterwegs boten sich diverse ansprechende Restaurants und Bars an. Obwohl auch in Velas am Samstag die Noite Branca zu feiern war, gab es am Freitag noch keine sichtbaren Deko-Vorbereitungen. Bänzs Kommentar: «Die nehmen das hier etwas entspannter als in Horta.»
Der Nachmittagsspaziergang hinauf auf den «Grande Morro», den Felsen gleich westlich von Velas, offenbarte eindrückliche Aussichten steil hinunter am Felsabbruch auf der einen Seite, hinüber zu Pico und Faial im Abendlicht auf der anderen und hinunter auf den Fussballmatch vom FC Velas gegen einen anderen FC mit vielen Fans auf der dritten Seite.
Im China-Laden, der mit seiner Überfüllung auf zwei Stöcken mit quasi ausschliesslichem Plastikramsch ein Erlebnis für sich ist, erstanden wir einen Schuhlöffel für Bänz und eine neue Billiguhr für mich, nachdem ich vorher meine Garmin-Uhr so dumm beschädigt hatte, dass ich sie nur noch für Nachtwachen auf der nächsten Überfahrt tragen und sonst schonen möchte, bis wir wieder zuhause sind. Der China-Laden hat übrigens einfach zwei Standard-Preise: € 1.50 für die kleineren und € 15 für die grösseren Dinge. Wahrscheinlich kann er auf seiner Preis-Etiketten-Maschine keine anderen Zahlen angeben. Auch so war die Uhr ihr Geld nicht wert und musste zwei Tage später ausgetauscht werden, was aber anstandslos geschah, nachdem die rostige Innenseite beim Auseinandernehmen zum Vorschein gekommen war…
Wie im Atlantic Islands Cruising Guide beschrieben gab es jeden Abend etwa eine Stunde nach der Dämmerung das Gelbschnabel-Sturmtaucher-Abendkonzert. Wehmütig klingt ihr schnarrendes «aua – aua – aua» wenn sie jeweils dann beginnen, zu Hunderten über der Marina ihre Runden zu drehen, um ihre Jungen zu füttern. Tagsüber sind sie auch bei konzentrierter Beobachtung nicht zu sehen. Dann seien sie gemäss Wikipedia meistens draussen auf See am Jagen. Spannend! Aber auch etwas «gefährlich», dass man im Cockpit von einem Vogelschiss getroffen werden könnte – morgens finden sich jeweils diverse auf dem Deck und dem Sprayhood und direkte Treffer sind auch unter Deck unüberhörbar.
Die Noite Branca am 1. Juli war genau wie erwartet äusserst entspannt: im Stadtgarten spielten zwei Amerikaner älteren Semesters ein wenig Rock n Roll, der von den Einheimischen freundlich höflich und von den Touristen enthusiastisch beklatscht wurde, nachdem sie ihren letzten Song zum besten gegeben hatten. In der Fussgängerzone standen die Menschen in fröhlich lachenden und schnatternden Gruppen zusammen, alle weiss gekleidet (die Touristen deutlich an ihren andersfarbigen Kleidern erkennbar, auch wenn sich viele so wie wir wenigstens die Mühe gemacht hatten, ihr einziges weisses T-shirt heraus zu holen, aber bezüglich weissen Hosen oder Jupes nicht ausgerüstet waren), schlürften ihr Bier oder ihren Wein, schauten dem Mädchen im Ballerina-Kleidchen beim Seifenblasen-Werfen zu und schlenderten allmählich zur zweiten Bühne vor der Kirche hinunter. Dort spielte ein Alleinunterhalter Portugiesische Popsongs mit Konservenbegleitung und bekam von den Einheimischen viel enthusiastischen Applaus und Mitsingen, während diesmal die Touristen nicht ganz so mitkamen. Das wars – das Fest bestand einfach daraus, sich mit Freunden und Familie draussen bei Musik und mit einem Pappbecher in der Hand beschwingt zu unterhalten, den Abend zu geniessen und gemeinsam einen schönen Abend zu verbringen. Super entspannt und uns unglaublich sympathisch, eben.
Am Sonntag lud uns Ute von der Ruby Tuesday ein, mit ihr gemeinsam die berühmte Wanderung quer über die Insel hinunter zur Faja da Caldeira de Santo Cristo und dann weiter zur nächsten, Faja das Cubres zu machen. Wir durften vom bequemen Fahrservice von Peter mit dem Mietauto profitieren, wurden zum Ausgangspunkt (hoch oben im Nebel der noch dort hängenden Wolke) gebracht und einige Stunden später am Ankunftsort wieder abgeholt, und erlebten dazwischen eine wirklich schöne Wanderung über kleine Single Trails, durch Urwaldstücke, entlang von aufblühenden Hortensienhecken mit atemberaubenden Ausblicken aus 800m Höhe aufs Meer und die Fajas hinunter und am Schluss dann auf dem Versorgungsweg von Faja zu Faja am Ufer, quasi angeklebt an der fast senkrechten Steilwand der Insel.
Spektakulär und äusserst romantisch sind sie, die kleinen Fajas in ihrer Abgeschiedenheit am Wasser unten, aber uns ist klar, dass diese Romantik auf Dauer sicher äusserst anstrengend sein muss. Die Dörfer sind auf Meereshöhe auf kleinen Aufschüttungen gebaut, die durch Bergrutsche oder Lavaströme entstanden waren. Sie sind aber nur via in die Steilwand eingekerbte schmale Pisten, vornehmlich mit Quads, und teils nur zu Fuss erreichbar. Die Zugangswege führen jeweils von der Hochebene auf ca. 3-600 Höhenmetern in steilen Serpentinen hinunter und werden bei Stürmen oder Erdbeben immer wieder auch unpassierbar. Es wundert uns deshalb nicht, dass sehr viele Fajas inzwischen aufgegeben worden sind, und nur noch einige wenige – teils als Feriensiedlungen – noch bewirtschaftet werden. Es war eine abwechslungsreiche, entspannte und auch mit interessanten Gesprächen angereicherte Wanderung mit Ute.
Abends kamen dann noch die 5 Lucky Rabbits (Marie-Philippe, Arnaud, Ysabelle, Serge und Marie-Agnès) zum Apero und füllten das Cockpit von sea magiX mit viel französischem Gelächter, Spass und auch interessanten Gesprächen. Es ist schön, wenn solche Kontakte entstehen und sich zu Freundschaften entwickeln. Sowohl mit den Lucky Rabbits, als auch mit Ute und Peter stimmte die Chemie sofort, weil bald klar war, dass uns jeweils ähnliche Dinge wichtig sind, wir nach jeweils entsprechenden Werten leben und jede/r auf die eigene Weise von den Erfahrungen der anderen profitieren kann.
Montag und Dienstag waren dann die geplanten Scooter-Tage. Diesmal war unser fahrbarer Untersatz etwas weniger kräftig als der Letzte. Das zeigte sich vor allem dann, wenn wir eine längere Steigung zu bewältigen hatten. Dann glaubte man schon fast, ein Keuchen zu hören, wenn die Geschwindigkeit auf 40, 35 oder 30 kmh fiel. Aber ich musste nie absteigen und wir blieben auch bei den steilsten Steigungen nie unfreiwillig stehen, konnten wieder wie auf Faial und auf Santa Maria jedes Nebensträsschen erforschen (bis sie teils einfach abrupt endeten) und diesmal auch gleich zwei Wanderungen per Scooter er-fahren. Am Montag waren wir auf der Westseite der Insel unterwegs, z.B. auf der ewig langen, schnurgeraden roten Staubpiste zum Leuchtturm Farol dos Rosais hinaus, oder in der Faja do Ouvidor an der Nordküste im schönen Meerbad baden, und nachmittags dann via die Staubpiste in der Mitte der Insel auf dem Rückgrat der aufgereihten Vulkankegel wieder zurück. Immer wieder gab es atemberaubende Ausblicke auf beide Seiten zu den Nachbarinseln; links Pico, rechts Graciosa, über Hortensien-begrenztes Weideland oder auf tief unten liegende Fajas.
Dienstags ging es dann zur Ostseite. Dort herrscht ein anderes Microklima, mit wärmeren Temperaturen, mehr Windschutz und deutlich mehr Agrarwirtschaft. In Topo bei «O Caseiro» gibt’s ein sehr feines, günstiges Mittagessen (€8 pro Person für Selbstbedienungsbuffet u ein Getränk) nach der Empfehlung von Ysabelle von der Lucky Rabbit. Weil es leicht bewölkt ist, und ich von der längeren Fahrt in der Höhe noch immer kalt habe, kann mich das wunderschöne Meerbad von Topo nicht anlocken.
Aber wohl ein andermal… Calheta, der kleine Fischerhafen mit Schwimm-Bucht, und auch die berühmte Kirche von Santa Barbara bei Manadas, mit ihrer überraschend üppigen Verzierung im Inneren bei ganz schlichtem Äusseren werden besichtigt. Am meisten gefällt uns aber auch an diesem Tag die Vielseitigkeit der Landschaft und die immer wieder berauschenden Ausblicke von hoch oben aufs Meer hinaus.
Sao Jorge – Du hast uns wirklich sehr gefallen!
Da José am Samstag den Platz in der Marina für die Horta – Velas – Horta – Regatta benötigt, machen wir uns daran, den weiteren Törnverlauf zu planen. Am Donnerstagnachmittag kommt viel Wind, für etwa 24 Stunden. So reift der Plan, noch vorher am Mittwoch eine Kurzvisite auf Graciosa zu versuchen. Falls wir dort – der Hafen ist wirklich ganz klein – keinen Platz bekommen, müssen wir halt noch in der Nacht auf Donnerstag weiter nach Terceira und hoffen dann, dort vor dem grossen Wind anzukommen. We will see.
Inzwischen sind wir unter Gross und Gennacker unterwegs nach Graciosa, vor uns ein 65-Fuss-Riese und dazwischen ein weiteres Boot im Hafenrace– mal sehen, ob wir auch noch unterkommen; ich hoffe es sehr.