Wer kennt das nicht; Verdrängungsputzen? Die einen entwickeln die typischen Symptome, wenn sie die Steuererklärung ausfüllen sollten. Andere, wenn sie ihre Buchhaltung nachführen müssten und wieder andere, wenn sie eine besonders schwierige Besprechung vorbereiten sollten. Bei uns ging es am Samstagmorgen darum, uns beide irgendwie von meiner bevorstehenden Abreise abzulenken. Aber bis mittags war auch der letzte Winkel der Toilette blitzblank und die unausweichliche Fahrt zum Flughafen konnte nicht weiter ignoriert werden… Somit ist dies mein letzter Beitrag von diesem Abschnitt bevor die Feder zumindest symbolisch in die fähigen Hände des Skippers überreicht wird.
Vorher noch ein kurzer Bericht über unseren Landtag auf Puerto Rico. Wir hatten am Donnerstagnachmittag wie geplant die Marina Puerto Del Rey erreicht und unseren vor-reservierten Platz bezogen. Die Marina ist riesig, mit 14 langen Pontons im Wasser und unzähligen «dry-stack»-Plätzen für Motorboote in 3- und 4-stöckigen Gestellen am Land. Seit wir vor wenigen Jahren hier gewesen waren, ist das Gebäude für die Sanitären Anlagen in der Mitte der Pontons renoviert oder sogar neu gebaut worden und auch sonst sieht die Marina gut in Schuss aus. Für die Puerto Ricaner in dieser Gegend ist es offensichtlich üblicher, ein Motorboot zu besitzen, als ein Segelboot. Das Verhältnis ist wohl etwa 10:1 für die Motorboote. Dabei scheint es auch nicht wenig darum zu gehen, den Nachbarn punkto PS zu übertrumpfen. Mit zwei 350-PS-Motoren am Heck darf man sich vielleicht gerade noch zeigen, mit drei davon kann man mitfahren und mit vier ist man dann wohl wer… Wie uns ein Local erzählte, ist es jetzt im Winter für die meisten aber «zu kalt» und deshalb waren wir in den letzten Tagen auch nicht besonders vielen von ihnen auf dem Wasser begegnet. Schliesslich waren es «nur» ca. 28-30 Grad Luft- und etwa 26-27 Grad Wassertemperaturen. Bibber…
Wir hatten für Freitag bis Sonntag einen Mietwagen reserviert. Auf meine Frage beim Marina-Office nach einem Taxi zur Avis-Vertretung rief der hilfsbereite Mitarbeitende kurzerhand bei Avis an und fragte, ob sie ihre Kunden abholen kommen würden, was dann auch bestens klappte (die Avis-Filiale ist etwa 5 Autominuten von der Marina entfernt). Sehr freundlich!
Unser Ausflug brachte uns ein weiteres Mal in den Regenwald vom El Yunque Nationalpark. Wir waren zum Glück relativ früh dort (ca. 10h vor Ort) und kamen so noch vor den grösseren Reisegruppen an und hatten auch noch einen Parkplatz. Etwas später wird das dort sehr voll, denn die Parkmöglichkeiten sind begrenzt und einer der Trails ist geschlossen für Instandstellungsarbeiten, d.h. die meisten spazierfreudigen Touristen konzentrieren sich auf einen oder zwei übrige Trails. Diejenigen etwas weiter unten sind betonierte Single-Trail-Wege, die auch Flipflop-gängig sind. Entsprechend «geländegängig» ist dann auch das dort sehr zahlreiche Publikum.
Erst etwas weiter oben fanden wir dann einen weniger ausgebauten und etwas anspruchsvolleren Weg, auf welchem wir deutlich weniger anderen Wanderern begegneten.
Das Wetter – wie im Regenwald üblich – war grau und verhangen und schickte ab und zu seine Schauer auf uns herab. Und der Regenwald selbst – wir sind nicht sicher, ob wir inzwischen von anderen solchen Touren einfach verwöhnt sind, oder ob die Wälder tatsächlich so unterschiedlich sind von Insel zu Insel – jedenfalls fanden wir die Vegetation in diesem Bereich weniger abwechslungsreich als zum Beispiel auf Guadeloupe. Es gab sehr viele Palmen und dazwischen Sträucher und andere Bäume mit kleineren Blättern. Aber die Vielfalt an Formen und Grün-Schattierungen, die wir andernorts so bestaunt hatten, fanden wir hier nicht wieder. Am Aussichtspunkt steckten wir nicht unerwarteterweise tief im Nebel und konnten uns nur ausmalen, wie die Aussicht vielleicht gewesen wäre. Trotzdem – wir genossen unsere ca. 2 Stunden Wanderung sehr; das starke Grün, wie auch die Bewegung in angenehm kühler Umgebung und die Ruhe; die Gelegenheit, entspannt miteinander reden zu können, ohne dass wir gegen den Wind-, Auto- oder sonstigen Lärm anbrüllen mussten.
Weiter gings danach wieder per Auto (wir waren froh, dass wir es wieder fanden; wir hatten uns nur die Farbe weiss und die Marke Honda gemerkt, und dass wir einen Parkplatz in einer Kurve hatten. Aber Kurven und weisse Autos gibt’s dort ziemlich viele!) über die Berge nach Süden. Die Landschaft veränderte sich stark von Region zu Region. In den Bergen schlängelt sich die Strasse kurvenreich entlang den steilen Hügeln. Immer wieder gelangt man in ein Dorf oder eine Gemeinde. Die Häuser sind oft weit verstreut, Dorfkerne eher selten und sehr viele der Häuser wirkten zerfallen oder zerfallend. Auch hier, genau wie weiter unten an der Küste, hat jedes Häuschen seine Gitterschranken. Die sind oft kunstvoll gestaltet und umgeben die Häuser vollständig. Leider fehlt offensichtlich auch hier das Geld, um sie gelegentlich mal neu zu streichen oder auch sonst zu unterhalten und so wirken die Häuser nicht nur abweisend und verschlossen wegen der Gitter, sondern eben auch noch sehr renovationsbedürftig und irgendwie traurig.
Auf der anderen Seite der Berge geht’s in eine breite Tal-Ebene. Auch da wieder eine ganz neue Landschaft; diesmal ist es Weideland mit Rinderzucht, durchsetzt mit Industriegebäuden, bei welchen nicht immer klar ist, ob sie noch in Betrieb sind oder nicht. Auch hier ist die Landschaft stark zersiedelt.
Und die Wegweiser für Ortsunkundige… naja, sagen wir einfach, dass wir gelegentlich wieder umdrehten oder auch ganz überrascht waren, wenn wir uns plötzlich doch wieder auf der richtigen Strasse fanden. Ortsschilder scheint es grundsätzlich nicht zu geben und auch die Wegweiser zeigen vor allem auf Strassennummern, die nicht alle auf meiner Touristenkarte zu finden waren. Es passiert auch ganz leicht, dass man in einem Ort plötzlich gegen die Einbahn fährt. Einbahnsignale sahen wir zwar nicht, aber es war schon auffällig, dass uns alle entgegen kamen. Eine Autofahrerin bedeutete uns dann lächelnd per Gesten, dass wir Geisterfahrer seien und meinte sehr freundlich und fast schon entschuldigend, als die beiden offenen Fahrerfenster nebeneinander standen, dass hier eben keiner auf die andere Seite schaue und wir doch besser umdrehen sollten. Es dauerte dann eine Weile, bis wir dort wieder hinaus fanden, aber wie anders wäre diese Begegnung in unserer Heimat wohl verlaufen!
Auch sonst kann Autofahren dort ein Abenteuer sein. Wir waren auf einer Schnellstrasse (oder so ähnlich) unterwegs und wunderten uns, warum ein entgegenkommendes Auto stark abbremste und im Schritttempo über eine Brücke zuckelte. Instinktiv bremste auch Bänz und wir waren dann sehr froh, als wir das riesige Loch sahen, in dem wir glatt hätten versinken können.
Der Küste entlang und dann etwas inland ging es wieder zurück, an der Marina Del Puerto vorbei und wenig nördlich davon nach Fajardo. Dort sind die Kontraste wohl noch grösser, als das bisher der Fall gewesen war. Seit Maria (oder schon vorher?) ist die Fähre von hier nach Fajardo stillgelegt. Ebenso verlassen und verlottert sehen das Customs-Gebäude und einige zusätzliche Bauten aus. In der Marina schwankten die Boote stark und drückten gegen die Betonpiers. Generell machte die Region einen etwas ramponierten Eindruck. Wir hatten uns zuvor auch für einen Platz in der Marina von Fajardo interessiert, dann aber nach einigem Nachfragen eine Kostenangabe von USD 75.- pro Nacht erhalten und zugleich festgestellt, dass wir mit unserem Tiefgang möglicherweise dort gar nicht hinein gekommen wären. Als wir nun den Stadtteil bzw. den Ort Fajardo sahen, waren wir ganz froh, dass wir in dem uns schon bekannten Puerto Del Rey für ca. 55 USD pro Nacht lagen. Vielleicht lag es am (oft grauen) Wetter, oder an unserer etwas gedrückten Stimmung, aber der Charme von Fajardo erschloss sich uns nicht.
Nach vielen Kurven, Ausweichmanövern, und Kilometern waren wir dann wieder zurück am Ausgangsort Puerto Del Rey, wo es ein feines Valentins-Dinner im Restaurant gab und dann einen schönen (für mich letzten) Rum im Cockpit an Bord.
Unser Pilot hat einmal mehr ein positives Fazit ergeben: wir hatten 12 wunderbare Wochen zu zweit erlebt und es ist besonders schön, dass wir auf eine unfallfreie, gesunde und rundum glückliche Zeit zurückblicken können. Auch klar ist uns, dass ich bei einem Rollout irgendwann in der Zukunft mal keine solchen Arbeitspausen mehr einbauen, sondern alles daran setzen würde, die ganze Reise gemeinsam erleben zu können. (Wo kämen wir da hin – sonst wäre ja die Toilette ständig so blitzsauber, dass sie einen blenden könnte!)
Nun übergebe ich den elektronischen Schreibstift an den Skipper, melde mich hier von der Sendestation ab und freue mich, auf Empfang für die kommenden Berichte zu gehen. Danke an alle für Eure Feedbacks.
Schön war’s!