Der am Vortag fehlende Wind wurde einfach etwas verspätet nachgereicht – und diesmal nicht zu knapp. Wegen der Tide mussten wir wieder sehr früh auf und wollten bald aus dem Segler-Hafen draussen sein, um nicht im Schlick stecken zu bleiben, aber nicht zu früh, um weiter südlich in die Elbe oder in die Jade einlaufendes Wasser zu haben. Pünktlich um 06h gings deshalb los, trotz Wind auf die Nase und gegen den Strom. Bei etwa 4-5 Bft gegen etwa 2-3 kn Strom entstand eine sehr unangenehme See im Süderpiep-Fahrwasser. Da es auf den ersten 2-3 SM wirklich genau von vorne blies, kreuzten wir dort nur mit dem Gross und Motor, bis wir etwas abfallen und im breiteren Fahrwasser mit ein wenig Genua ohne Motor kreuzen konnten.
Irgendwann fiel mir auf, dass die Instrumente nichts mehr anzeigten. Bald darauf kam der Skipper mit etwas nachdenklichem Gesicht herauf; der Plotter hatte das heftige Schütteln und Schlagen im Stromkabbelwasser nicht vertragen. Das konnte ich zwar aufgrund meines eigenen Empfindens nachvollziehen, aber das Ausfallen der elektronischen Navigation ist in diesen Gewässern nun doch etwas unangenehm. Trotz intensiver Fehlersuche kriegte Bänz den Bildschirm nicht mehr dazu, vernünftig zu funktionieren. Wir hatten zwar noch die Farben und wenn man wusste wie schauen, sogar die Seezeichen in Relation zur Schiffsposition drauf, aber das Bild war so verzerrt, dass nichts lesbar oder im Detail erkennbar war. Gut, dass wir die Papier-Navigation immer parallel mitgeführt hatten. Nun kam sie „einfach“ wieder voll zum Zug.
Aber die Pendenzenliste hatte soeben einen ganz dicken neuen Punkt bekommen, kaum hatte sie in Büsum deutlich abgenommen. Ich bin überzeugt, dass Boots-Pendenzenlisten eine eigene Dynamik haben, die immer sicherstellt, dass es dem Schiffseigner nie langweilig werden kann. Kaum ist ein wichtiger Punkt gestrichen, schiebt sich ein neuer, unerwarteter und womöglich teurer (neuer Plotter? Uuuuaaah, viele €€€…) drauf.
Wir kreuzten mit viel Wind und gelegentlichen Schauern, aber eben ohne Plotter aus der Süderpiep. Kaum draussen und auf Südkurs, war die letzte dicke Regenwolke vorbei und mit ihr auch ein Grossteil des Windes. Die Variante, nach Wilhelmshaven zu segeln, fiel der Windstärke und –Richtung zum Opfer. Stattdessen gings in die Elbe. Bei dem Wind genau von hinten setzten wir wieder den Parasailor und nahmen das Gross herunter, und steuerten so im schmalen Streifen zwischen den Fahrwassertonnen und den Sänden am Fahrwasserrand auf Cuxhaven zu und daran vorbei. Natürlich nahm der Wind allmählich zu und wurde dann – wie das Murphys Law so will – genau auf jenem Streckenabschnitt zu stark, auf welchem ein Abfallen für die Bergung nicht möglich ist. Gleichzeitig kamen wieder von hinten und vorne einige dicke Containerschiffe… für Unterhaltung war jedenfalls gesorgt und meine blauen Flecken am Arm zeugen von der Einsicht, dass Muckitraining alleine nicht die Lösung ist.
Mit gerefftem Gross und Genua sausten wir danach dann bei satten 5 Bft raumem Wind und einigen Knoten Strom mit konstanten 10 Knoten Fahrt über Grund die Elbe hoch. Das erste Ziel, Cuxhaven, wurde gar nicht diskutiert. Das nächste Ziel, die Stör oder Wischhaven, war so schnell da, dass es eigentlich auch zu früh war. Stade bzw. Stadersand passte bestens in den Plan. Aber als wir kurz davor waren, lief es ja noch immer so schön, und auch die dicken Wolken, die sich gesammelt hatten, wirkten gerade nicht so bedrohlich. Also nochmals ein wenig weiter. Zuletzt landeten wir in Wedel, bzw. im Yachthafen Hamburg. Das ist eine der grössten Hafenanlagen, die wir kennen, mit allen Facilities zu sehr günstigem Preis und nur dem Nachteil, dass es zu Fuss sehr weit ist bis in irgend einen Laden oder zu einer Bus- oder Bahnstation. Aber eigentlich sind wir noch immer perfekt versorgt und brauchen sowieso nix. Zum Charme von Wedel kommt auch die Aussicht, die immer wieder mal einen riesigen Containerdampfer bietet. Dann brummelt es jeweils ganz tief und bald darauf fahren über den Baumwipfeln der Hafenmauern in schwindelnder Höhe farbige Container vorbei.
Ein kleines Intermezzo gab es noch vor Wedel – Wir hatten das Gross geborgen und segelten mit einem – recht unkompliziert eingedrehten – kleinen Wipfel Genua auf die Einfahrt zu. Als der Motor gestartet werden sollte, piepte zwar der Öldruckmesser, aber sonst passierte nichts. Das hatten wir in Longhope schon mal gehabt, und wie mir der Skipper danach erzählte, auch ab und zu seither schon mal, aber ganz so bemerkenswert war es seither nie gewesen. Einige Versuche und mehrere Hundert Meter weiter reagierte der Motor dann doch und startete auch wie er sollte. Gerade rechtzeitig, damit es uns nicht an der Einfahrt vorbei schwemmte. Fazit – die Pendenzenliste hatte gerade wieder einen weiteren ziemlich dicken neuen Punkt bekommen. Eben – die haben ein Eigenleben auf Booten, da bin ich überzeugt.
Wir hatten kaum festgebunden und waren am Ankertrunk, als das Gewitter dann doch noch kam; es war die richtige Entscheidung gewesen, nicht noch die weiteren 11 SM bis ganz nach Hamburg hoch zu fahren.
Nach ein wenig Probieren und Herumschrauben, sowie nach dem Abmontieren und wieder Aufschrauben des Radar-Anschlusses an den Plotter, bekam der sich plötzlich wieder in den Griff. Sein Bild war wieder unverzerrt und klar wie eh und je. Aber das Gesetz der Pendenzenlisten auf Booten besagt auch, dass einmal eröffnete Pendenzen nie vollständig verschwinden können, wenn sie nicht aktiv erledigt werden. Die Frage nach einem neuen Plotter bzw. Plotter mit Radar steht nun dick und unüberhörbar im Raum.