Allmählich kommen wir in einen gemächlicheren Rhythmus. Das merkt Ihr auch am Blog; hier kommt nun endlich der nächste Eintrag.
Seit vorgestern Nachmittag sind wir nun in A Coruna, oder eben in der älteren, spanischen und inoffiziellen Schreibweise La Coruña. Und einmal mehr kann ich gleich von Anfang an festhalten, wie sehr es uns hier gefällt. Die Diskussion vom gestrigen Abend, ob wir heute am Schweizer Nationalfeiertag nochmals hier bleiben möchten, dauerte nicht lange, trotz aller Seriosität angesichts der Wetterberichte und unserer Planung. Gestern rechneten wir erstmals rückwärts von meinem Rückflugdatum, um zu sehen, wann wir spätestens Spanien verlassen und die portugiesische Küste angehen sollten. Ein etwas wehmütiger Moment, der jedoch beim Fazit stark versüsst wurde: wir haben noch etwas mehr als 2 Wochen Zeit für Galizien und sind sehr froh darüber.
Galizien, bzw. das, was wir davon bisher gesehen haben, hat uns so richtig den Ärmel hereingenommen. Wir erleben La Coruña als äusserst vielseitige, lebendige, Fremden-freundliche und gepflegte Stadt. Und in der direkt im Stadtzentrum gelegenen Marina Nautico ist es uns s..wohl. Ich war etwas skeptisch, als ich im Reeds gelesen hatte, die Marina Real Club Nautico sei «very formal», aber das hat sich als Fehlinterpretation erwiesen. Da ist wohl nur der Yachtclub gemeint, der in einem wunderschönen Gebäude am Hafen residiert und mit Jaguars, Porsches und grossen SUVs zugeparkt ist. Noch hatten wir kein Bedürfnis, dort einen Fuss hinein zu setzen. Aber zuerst zurück nach Cedeira.
Am Sonntagabend nach unserem wunderbaren Cedeira-Besuch kündigte sich die erwartete Südwestwind-Front mit einer drohenden Wolkenbank am Himmel schon an. Wir hatten trotzdem noch eine angenehm ruhige Nacht am Anker. Am Montagmorgen kam sie dann, bzw. der zugehörige Wind, und schnell war klar, dass der Entscheid, noch am Abend den Dinghi-Motor an Bord zu nehmen und allgemein aufzuräumen, der richtige gewesen war. Unser klarer ruhiger Bergsee verwandelte sich innert Kürze zurück in eine Bucht am Meer mit böigem Starkwind, der trotz wenig Anlaufdistanz zu recht beachtlichen Wellen Schaumkrönchen und Gischt führte. Wir hatten bei 3.5-5m Wassertiefe 30m Ankerkette draussen und waren froh darum: Sea magiX tanzte zwar am Ende ihrer Ankerkette in wilden Bögen hin und her und ruckte immer wieder mal so richtig in die Kette, aber wir lagen fest und sicher und die Ankerpeilungen blieben unverändert. Trotzdem war es keine Option, das Schiff zu verlassen für einen Landausflug; auch am späten Nachmittag, als die Böen nachzulassen begannen, war der Wellengang in der Bucht noch gross genug, um eine Dinghifahrt sehr nass werden zu lassen. In einigen Böen hatte das Dinghi hinten am Heck des Boots auch Flug-Ambitionen gezeigt und etwas abgehoben (weil es ohne Motor schon ziemlich leicht geworden war). Da machten wir es uns lieber gemütlich an Bord und verzichteten auf die geplanten Tapas. Ganz so entspannt wie an der Boje im Fluss Aulne war es zwar nicht, da ich mal wieder einen grossen Teil des Tages mit Büroarbeit verbrachte (bis die Laptop-Batterie leer war – auch das hat etwas Gutes!), aber es gab gar nichts zu klagen. Vor allem wenn wir unsere gemütliche, trockene und warme Situation mit jener der Crews von Booten verglichen, die an diesem Tag in die Bucht hineinkamen. Die machten allesamt kurzen Prozess beim Ankermanöver und verschwanden dann für längere Zeit unter Deck. War wohl anstrengend und nass/kalt gewesen, da draussen.
Für uns verflog der Tag so schnell wie alle anderen; Büroarbeit, Fotos sortieren, etwas lesen, träumen, kochen einerseits, und weiteres Aufräumen, den Handwassermacher in Betrieb nehmen und wieder konservieren, schlafen und lesen andererseits, und schon war es wieder Abend geworden, ohne dass wir einen Fuss von Bord gesetzt hätten. Am Abend nahmen wir das Dinghi wieder an Bord und verstauten es an seinen Platz: der Entscheid, am nächsten Morgen loszufahren, ohne Cedeira nochmals zu besuchen, war gefällt.
Dienstags dauerte die Fahrt von Cedeira nach La Coruña nicht wirklich lange. Noch gab es einigen Wind und die Wellen waren vor allem auch in der Ausfahrt der Bucht beachtlich, da genau von vorne. Sea magiX erklomm die steilen Hügel zielstrebig, wurde oben auf dem Kamm kurz etwas durchgeschüttelt, weil sie hier vom Wind wieder erfasst wurde, und rutschte dann – wohl innerlich quietschend wie ein kleines Kind – auf der anderen Seite wieder ins fast windstille Tal hinunter. Weiter draussen im tieferen Wasser wurde der Wellengang dann wieder etwas ruhiger und die Fahrt konstanter und wir erreichten die Marina Real Club Nautico nach wenigen Stunden am Nachmittag. Wegen der Bemerkung zur Formalität des Clubs packten wir ausnahmsweise geflissentlich gleich unsere Dokumente zusammen und gingen zur Capitaneria, um uns anzumelden. Tja, Pech – Siesta. Und noch etwas mehr Pech, dass wir nun beide draussen auf dem Kai standen und die Tür zu den Bootsstegen geschlossen war… Und das noch vor dem Ankertrunk!
Aber der entspannte Charakter dieser uns sehr sympathischen Marina zeigte sich bald, als uns ein anderer Segler wieder einliess.
Es ist augenfällig, dass wir hier nun im Langfahrt-Revier angekommen sind. Die meisten Gästeboote im Hafen sind klar für Langfahrt ausgerüstet, teils etwas älter und deutlich gebraucht, aber alle gepflegt und gehegt, anders als Tagestouren-Boote oder Charteryachten. Es sind Boote aus unterschiedlichen Ländern, inklusive Finnland, Norwegen und auch zwei anderen Schweizern. Und die Crews haben allesamt Zeit, sind offen und hilfsbereit. Noch haben wir wenig Anschluss gesucht, aber wenn wir solchen wollten, wäre der sofort gegeben. In der Dusche lerne ich z.B. Deborah kennen, die kürzlich von den Azoren hier angekommen ist und sehr betont, dass ihr Schiff zwar in den USA registriert sei, aber dass die Crew Britisch sei. Sie erklärt mir gleich die Funktionsweise der Waschmaschine und dass der Tumbler nicht funktioniere (das hätte ich vielleicht auch selbst bemerkt – es fehlt ihm die Türe ?) und würde sicher gerne weiterschnattern, aber mich ziehts unter die Dusche. Im Langzeitfahrer-Modus hätte ich wohl die Dusche etwas verschoben und dort in der Garderobe eine neue Bekanntschaft geschlossen. Das kommt wohl schon noch…
Am Abend erforschen wir dann das Stadtzentrum von La Coruña, mit seinem riesigen, autofreien Hafenplatz, den belebten kleinen Gassen und Gässchen, dem Rathausplatz, auf dem eine grosse Bühne gerade aufgebaut wird und stellen fest – es gefällt uns auf Anhieb sehr. Bei Tapas und einem Vino Tinto wird schnell klar, dass wir den Mittwoch auch noch hier verbringen wollen, um noch mehr von dieser Stadt zu sehen.
Mittwochmorgen wird nochmals zum Bürotag für mich. Unterdessen macht Bänz die Vorhut und besucht den Markt und vor allem die Shipchandlery, von der er mit neuer Dinghipumpe, neuem Pumpventil, diversen Schäkeln und allen möglichen weiteren Errungenschaften zurückkehrt. Die Chandlery wird zum Erlebnis, so dass ich am Nachmittag dann auch noch zu einem Besuch mitgehen will. Leider gelingt es mir dabei nicht, noch schnell unauffällig ein Foto zu machen. Deshalb hier der Versuch eines Beschriebs in Worten: Es fängt schon an, wenn man die Türe öffnet: man weiss gar nicht recht, wie man denn in den Laden hinein gehen kann, denn der Korridor gleich nach der Türe ist mit Fendern, Leinenhaufen und vielen Schachteln eigentlich gefüllt. Man sucht sich also einen Weg hinein, schlängelt sich an anderen Kunden vorbei, steigt über weitere Kisten und steht dann plötzlich an einem Tresen, von hinter dem drei Menschen gleichzeitig etwa 6 Kunden überlappend betreuen. Bänz wird als Kunde vom Morgen sogleich erkannt. Ich zücke meine Übersetzungsapp; wir möchten gerne Ruckdämpfer für unsere Festmacher. Im Reeds hatte noch gestanden, dass die Einheimischen Stahl-Dämpfer verwenden in diesem Hafen und wir verstehen inzwischen auch, wieso; es gibt vor allem bei Flut im Hafen ziemlichen Schwell, so dass die Boote mit Anlauf in ihre Leinen rucken. Der Verkäufer verschwindet also in hohem Tempo um eine Ecke, taucht dann gleich nochmals auf, um uns zu bedeuten, ihm doch zu folgen (wir sind nur so langsam weil wir die Orte noch nicht kennen, wo wir unsere Füsse platzieren können), und führt uns durch ein bis an die Decke hoch gestapeltes Labyrinth von Schiffsmaterial zu den Gummi-Ruckdämpfern. Und siehe da – die üblichste Grösse ist prompt ausverkauft. Er würde uns gleich welche von der richtigen Grösse besorgen. Die Chance sei gross, dass er morgen Nachmittag schon welche habe. Er hat wieder – wie der junge Mann in Cedeira – schon das Handy in der Hand. Naja, wir nehmen dann einen von den Grösseren, für den er uns einen Spezialpreis macht. Auf die Frage nach etwas Kette, um unsere Klappvelos abzuschliessen, geht die Reise noch weiter hinein ins Labyrinth. Ich würde alleine wohl nicht mehr zurückfinden. Auf dem Weg dorthin fragt er, ob wir denn unsere Velos in den Laden hineingebracht hätten – draussen stehen lassen sei keine gute Idee. Bänz und ich können ein Lachen nicht unterdrücken: hereinbringen? Wohin denn das? Aber ein weiteres Mal freuen wir uns über die Menschen hier. Und der Laden – vielleicht hat die «Einrichtung» tatsächlich ein System, das der Verkäufer versteht. Oder es ist Strategie, denn hier kann niemand einfach sagen «ich schau nur ein wenig rum» und sich selbst bedienen. Und bei der Hilfsbereitschaft fühlt man sich fast verpflichtet, etwas zu kaufen…
Eine lange Velofahrt führt uns der Strandpromenade entlang, zum berühmten Breakwater (er ist fast 1km lang!), am Sportzentrum und Badeklub vorbei zur riesigen Park- und Kulturanlage rund um den Herkulesturm. Dieser ist das Wahrzeichen der Stadt. Es ist der älteste Leuchtturm noch in Betrieb. Er stammt aus dem 2. Jahrhundert, d.h. ist römischen Ursprungs. Der Turm mit seinem Standort auf der Felsnase nach Westen der Stadt ist das eine. Wir fotografieren was das Zeug hält. Aber das andere beeindruckt uns fast mehr: die Stadt hat offensichtlich in den letzten Jahren oder Jahrzehnten sehr viel für ihre Attraktivität gemacht. Wir fahren den ganzen Weg entlang der 13km langen Strandpromenade auf extra gekennzeichneten Velospuren. Der Skulpturengarten beim Herkulesturm ist riesig. Immer wieder kommen wir an gepflegten, sauberen Plätzen, schönen, überwachten Stränden und einfach so platzierten Skulpturen vorbei. Es gibt diverse, sicher sehr spannende Museen (die wir bei dem schönen Wetter auslassen… auch das Aquarium Finisterrae oder das Haus Domus), eine Panorama-Standseilbahn auf einen Aussichtshügel hinauf und unzählige schöne Ausblicke auf das Meer, die Stadt und ihre Küstenlinie. Es ist alles, überall, auch im Stadt-Inneren, sehr sauber und gepflegt. Niemand lässt sein Papierchen einfach auf den Boden fallen, keine leeren Bierdosen oder -Flaschen liegen herum, keine Plastiksäcke werden vom Wind umhergewirbelt – wir sind erstaunt und überrascht, da die Stadt auf uns gleichzeitig keineswegs steif oder reich wirkt. Zwei weitere Punkte fallen uns noch auf: die Einwohner von A Coruna sind anscheinend sehr sportbegeistert. Wir begegnen unzähligen Joggern, Walkerinnen, einigen Rennvelofahrern im Sprintmodus und auch einem älteren Herrn, der in Anzughose und Hemd vom strammen Spaziertempo plötzlich ins Joggen verfällt. Und das andere sind – dies gilt nicht nur für die Stadt, sondern für Galizien, das wir bisher gesehen haben – die fehlenden Vögel. Möwen und andere Vögel hatten auf unserer bisherigen Reise immer zum Bild und auch zur Geräuschkulisse gehört. Seit der Biskaya sind sie jedoch äusserst rar geworden. So selten, dass wir uns gegenseitig sogar auf die eine oder andere Möwe hinweisen, die doch noch irgendwo auftaucht. Oder einen Vogel jeglicher Art auch fotografieren, wenn er irgendwo auf einem Pfosten sitzt. Noch ist uns nicht klar, wieso dies so ist; Fisch und Krill haben wir z.B. im Hafen viel gesehen. Und doch – eines dieser hier so seltenen Wesen hat es immerhin geschafft, unser Boot zweimal als Zielscheibe zu verwenden; es ist also wohl noch immer alles beim Alten, zumindest bezüglich Boot putzen.
Abends geht’s dann noch für ein «helado» auf einen Nachtbesuch in die Altstadt; sehr romantisch mit ihren vielen Kirchen, früheren Klostern und engen Gässchen. Inzwischen ist schon klar, dass wir am 1. August auch noch hier sein werden und die Altstadt dann bei Tageslicht erforschen wollen. Der Wetterbericht hat für den Schweizer Nationalfeiertag nochmals ziemlich viel Wind angesagt, was Sea magiX ja glücklicherweise nicht unbedingt braucht, und ihre Crew schon gar nicht. Und zudem hat sich am Liegeplatz gezeigt, dass auch Gisela nochmals etwas TLC benötigt; ihr Anschluss hängt etwas traurig und schlaff hinunter und ruft nach Aufmerksamkeit vom Bordelektriker.
Unterdessen wird am Land fleissig an Bühnen gebaut. Am 1. August beginnt ein Fest der Maria Pita, eine Stadtheldin von A Coruna, und es wird offensichtlich diverse Konzerte und andere Darbietungen geben. Wir freuen uns darauf, den Schweizer Feiertag auf Galizische Art zu feiern und sind gespannt, wie das hier so abläuft.