Gestern war der 3. Februar und wir hatten einen Sommersegeltag wie im Juli auf dem Murtensee. Mit entsprechender Leichtwindsegelei, Hitze, viel Sonnencreme und abends dem kühlenden Sprung ins Wasser. Die Gedanken an Wollmützen, Handschuhe und Faserpelze, die zuhause jetzt üblich wären, wirken irgendwie fehl am Platz.
Wir hatten am Sonntagnachmittag noch einen ausgiebigen Schnorchelausflug in der Christmas Cove gemacht und unseren Haustierfisch begrüsst (puh, der wirkte ziemlich gross und ich überlegte mir beim nächsten Sprung ins Wasser schon ein wenig, wo er wohl gerade herumhänge). Die Hoffnung, dass sich auch die hier ansässige Wasserschildkröte zeigen würde, erfüllte sich leider nicht. Dafür wurden wir wieder adoptiert – diesmal von einem Minifischchen, das etwas aufdringlich vor meiner Brille hin und her flitzte, egal wohin ich schwamm. Als ich es mit einigen etwas unwirschen Handbewegungen zu verscheuchen versuchte, adoptierte es kurzerhand Bänz und blieb ihm den restlichen Schnorchelschwum treu. Das Wasser in der Bucht war wie auch schon an anderen Orten ziemlich trüb mit aufgewühlten Sedimenten. An der Küste gab es viele verschiedene kleinere und grössere Fische zu beobachten, wie auch einige schöne Farn-Korallen. Gleichzeitig wirkte vieles auch tot, d.h. weiss oder grau und zerbrochen. Wir wissen nicht, ob dies in einem solchen Küstengebiet normal ist, da hier ja die Stürme sicher auch im Wasser wirken, oder ob es den Korallen zu warm ist oder das Wasser nicht die richtige Qualität für sie hat oder sie an einer der diversen Korallenkrankheiten leiden. Trotzdem – das viele Leben der Fische, ihre Vielfältigkeit an Farben und Formen faszinieren uns sehr, so dass wir erst zum Boot zurück kehrten, als ich schon ziemlich kalt hatte.
Bänz bemühte sich dann noch um den inzwischen etwas bärtigen Bauch unserer lieben Sea magiX und kratzte die kleinen Muscheln ab, die beginnen, sich am Propeller und an der Wasserlinie anzusetzen. Den Algenflaum am Bauch hatten wir bisher zu wenig beachtet. An der Wasserlinie wischten wir beide jeweils routinemässig im Vorbeigehen alles ab, was ansetzen könnte, aber weiter unten hatten wir die Ansätze nicht bemerkt. So konnte sich dieser Flaum bilden, der doch recht hartnäckig hält. Aber jetzt wissen wirs und werden bei den nächsten Schnorchelgängen immer wieder mal daran reiben gehen. Das Problem ist, dass wir nicht zuviel Antifouling auch noch gleich wegschaben wollen. Es ist ein weiches Produkt, das eben leicht abreibt (und so den Algen keine Haftung bieten sollte). Im Vergleich zu vielen anderen Booten in unserer Umgebung sieht Sea magiX aber unter Wasser noch immer sehr sauber aus.
Gestern Montag verabschiedeten wir uns im Verlauf des Morgens dann von der Christmas Cove und glitten wie schon oben beschrieben bei 3-6kn Wind durchs glatte Wasser zwischen den Inseln hindurch quasi um St. John herum. Links die BVI, rechts die USVI.
An jeder noch so exponierten Ecke stehen Häuschen und Villen, einige noch im Bau, andere schon fertig. Wir fragen uns, wie hier wohl die Zonenplanung funktioniert, bzw. ob es eine gibt, und was passiert, wenn der Nationalpark auch hier wie andernorts derzeit in den USA weiter geschwächt wird. Es entsteht der Eindruck, dass nicht nur das von Irma Zerstörte wieder aufgebaut wurde (und wohl gleich etwas grösser, schöner, besser, wenn die Finanzierung z.B. über die Versicherung gegeben war), sondern gleich auch die Gelegenheit genutzt wird, noch etwas mehr zu machen. Uns nimmt es sehr wunder, wie es hier in einigen Jahren aussehen wird. Auch haben wir in dieser Gegend noch nie etwas von einer organisierten Entsorgungs-Infrastruktur gesehen – wie das wohl so geht, hier? Jedenfalls nehme ich am Abend kein Salzwasser aus der Bucht, um unsere Pasta zu kochen… Und nehme mir vor, bei nächster Gelegenheit mal im Gespräch mit Einheimischen herauszufinden, wie das hier denn so funktioniert. Auch die Segler bringen ja viel Abwasser und Abfall mit sich, und auch da haben wir uns schon gefragt, wie das denn funktionieren soll. Die kleinen Gemeinden, wie z.B. St. Anne auf Martinique, sind ja verständlicherweise vollkommen mit dem Abfall überfordert, den die Hunderte von Booten beim Dinghysteg einfach deponieren. Es ist eine der Schattenseiten der so schönen Seglerwelt, dass auch sie – vor allem, wenn wir in Massen auftreten, einen grossen Fussabdruck hinterlässt, und sich nicht viele unter uns gross Gedanken dazu machen. Aber wenn wir nicht Sorge tragen zu der so wunderschönen Gegend hier, dann wird sie nicht sehr lange so attraktiv bleiben. Mich interessiert sehr, ob die Menschen hier in den USVI eventuell schon Lösungen dafür gefunden haben.
Am Weg zu unserer Destination des Tages, der Long Bay im Südosten von St. John, kommen wir an zwei beliebten Buchten der BVIs auf Peter Island und Norman Island vorbei. Dort sind gemäss unserer alten Karte 120 Moorings gelegt (pro Bucht!) und von weitem sieht es so aus, wie wenn ein grosser Teil davon besetzt sei. Die Charter-Industrie läuft offensichtlich vorzüglich hier. Und uns schaudert es ein wenig – hoffentlich ist es in der Long Bay nicht auch so voll. Wir hatten eigentlich vorgehabt, noch in der Coral Bay vorbei zu schauen. Dies vor allem inspiriert von Doyle’s Bemerkung «Coral Bay is home to some wonderfully eccentric and dedicated cruising sorts. It is considered more of a haven from the tourists, rather than a tourist destination.” Ein Ort, der eher als Rückzugsort von Touristen als für Touristen bezeichnet wird, klingt ja schon recht spannend. Aber unser gemächliches Tempo unter Segeln für die Fahrt hierhin bedeutete, dass es schon halb vier war, als wir um die Südost-Ecke von St. John tümpelten. Und da der Sprung ins Wasser wirklich erwünscht und angesichts der Temperaturen nötig war, liessen wir Coral Bay bleiben und ankerten in der Long Bay, gegenüber. Die Bucht ist rundum geschützt und wir fühlten uns wie auf einem kleinen Bergsee, als abends die Sonne hinter den Hügeln gegenüber unterging, nur noch das Zirpen der Grillen und Pfeif-Fröschchen, sowie das Zwitschern der Vögel zu hören war und wir unser Glas Rosé im Cockpit genossen. In unserem Teil der Bucht, der durch einen Felsen in der Mitte vom West-Teil getrennt ist, lagen wir ganz alleine. Im West-Teil ankerten drei Kats und ein Einrümpfer (übrigens auch das Verhältnis von Kats zu Monohulls, das wir hier in den USVI beobachten), aber sie waren so weit weg, dass wir das Gefühl hatten, ganz alleine auf «unserem» Seelein zu liegen. So schön!–
Heute Morgen hatte der Wind auch in unserer Bucht wie angekündigt auf Nord-Ost gedreht. In der Bucht waren wir so geschützt, dass nicht viel davon zu spüren war. Wir verliessen uns aber auf den Wetterbericht, der uns dies vorhergesagt hatte, und legten um 08h los mit Kurs St. Croix, ca. 35 SM im Süden. Mit Genua und Gross mit 2 Reffs gings dann flott südwärts, Leonie am Steuer, Gisela in der Stromproduktion und alle Stromfresser an: Kühlschrank, PC-Ladegerät, Wassermacher… Ich hatte mich mit dem Laptop unter Deck verzogen, da es doch gelegentlich ins Cockpit spritzte. Die Sonne schien, der Wind blies tatsächlich mit ca. 15kn, und es wurde eine schnelle Fahrt zu dieser Insel, die wir von früheren Besuchen ein wenig kennen und gerne wiedersehen wollten. St. Croix ist grösser als die anderen Inseln in den Jungferninsel-Archipelagos und hat zumindest in den beiden Städtchen Christianssted und Frederickssted seinen ehemals dänischen Charakter behalten. Auch hatten wir damals einen sehr freundlichen, offenen Empfang beim St. Croix Yacht Club erlebt, der im Nordosten der Insel hinter einem langgezogenen Riff liegt.
Wir waren gespannt, ob wir dies auch diesmal so erfahren würden und steuerten deshalb am Inselchen Buck Island vorbei zum Coakley Bay Cut, dem Eingang hinter jenes Riff. Zum Glück wussten wir noch vom letzten Besuch, dass schon damals die elektronische Karte von Navionics die grüne Boje am falschen Ort zeigt. So waren wir diesmal nicht zu verwirrt, als sie auch diesmal wieder falsch eingezeichnet war. Die (alte) Papierkarte und auch Doyle beschrieben aber korrekt und logisch, dass sie an backbord bleiben müsse. Wir hatten im Wellenschutz von Buck Island die Segel geborgen und tasteten uns nun mit nur wenig Fahrt genau gegen den Wind durchs seichte Wasser. Zu zweit fehlt bekanntlich die dritte Person, die am Bug den Lookout machen könnte, wenn einer am Steuer und einer an der Karte ist. Aber die spannende Durchfahrt und dann die Fahrt von mehr als 2.5 SM zwischen Riff und Küste gelangen beide gut, ohne dass unsere Nerven all zu blank gewetzt wurden. (Es wäre leichter gewesen, wenn die Sonne nicht ständig hinter Wolken verschwunden wäre…). In der Teague Bay, vor dem Yachtclub, lagen gar nicht so viele Boote an den Bojen, wie wir früher erlebt hatten. Wir fanden ein gutes freies Plätzchen, das keinen Bojen zu nah kam, und konnten den Anker auf knapp 3m Tiefe setzen. Er hielt sofort so gut, dass es die Kette sogar durch die Ankerwinsch zog.
Der Yachtclub präsentierte sich wieder wie damals – er ist eigentlich montags und dienstags geschlossen, aber wir wurden äusserst freundlich vom Clubmitglied Kelly begrüsst, die gerade daran war, jemanden in die Küche einzuführen, und herzlich eingeladen, morgen Mittwoch doch auf Lunch oder Drinks vorbei zu kommen. Der Club hat einen Wasserhahn beim Dinghysteg, einen grossen Abfallcontainer (!) hinter dem Gebäude, Duschen, Toiletten und wie erwähnt wirklich sehr freundliche Mitglieder, die einen gleich einladen, doch länger als nur ein paar Tage zu bleiben. Wir lernten auch noch Alvaro kennen, einen Spanier aus Madrid, der mit einem Jetski auf dem Meer unterwegs ist. Wir sind nicht ganz sicher, ob wir richtig verstanden haben, dass er damit um die Welt will. Jedenfalls war er heute gerade von St. Barth in 6.5 Stunden hierhergefahren, mit einem Schnitt von 18kn… Mit Sea magiX hätten wir für die Strecke von ca. 100 SM wohl eher 20 Stunden gebraucht. Sache gits!
Der Abend wurde dann gemütlich – der Wind liess etwas nach, Bänz fuhr nochmals an Land um Wasser zu holen und den Dinghy-Cover zu montieren und bald gab es Sundowner und Znacht. Auch dies war ein perfekter Segeltag gewesen.