USVI

Unser Besuch auf St. Croix ist schon wieder vorbei. Es ist Samstagvormittag, 8. Februar, und ich sitze unter Deck, während Leonie uns nordwärts nach St. Thomas steuert und Bänz sie hütet – vom Spritschutz des Sprayhoods aus. Die Tradewinds sind eindeutig zurück: es bläst mit zwischen 17 und 24kn aus Ost-Nord-Ost und nur mit der halben Genua stiebt Sea magiX bei knapp halbem Wind mit um die 7kn Fahrt durchs Wasser. Nur für den Laptop ist das nix im Cockpit…

Eigentlich war nicht geplant, dass wir so hoch am Wind zurück fahren würden. Aber jetzt mal der Reihe nach.

Nach unserem freundlichen Empfang beim St. Croix Yacht Club waren wir am Mittwoch noch einen Tag länger dort in der Teague Bay geblieben. Das Riff schützte uns recht gut vor den Wellen, die mit dem allmählich wieder zunehmendem Passat auch in die Teague Bay schwappen würden. Jeweils bei Hochwasser wurde es etwas schwelliger, dann bei weniger Gezeitenhöhe und vor allem nachts bei abnehmendem Wind wieder ruhiger. Interessant, dass die wenigen (ca. 30) cm Unterschied so spürbar waren. Am Mittwochvormittag nutzten wir die Infrastruktur des Yacht Clubs ausgiebig: Bänz konnte am zur Verfügung stehenden Schraubstock im gut ausgerüsteten Workshop unseren Genua-Baum nochmals kürzen und perfekt neu vernieten mit den Edelstahlnieten noch aus Barbados. Und ich nutzte das Wifi ausgiebig und unterhielt mich gelegentlich mit den anderen Menschen, die dort dasselbe machten. Ein Herr, der offensichtlich regelmässig dort ist, erzählte mir, dass er seinen Arbeitsort als Computer-Experte dorthin verlegt habe. Er meinte «it beats shovelling snow in Maine any time».

Am Nachmittag machten wir uns dann auf zum Erforschen dieser Ecke der Insel. In Ermangelung anderer Fortbewegungsmittel (ok, ich gebe es zu – wir waren auch zu faul, um die Klappvelos aus der Versenkung auszugraben) ging es zu Fuss entlang der Strasse ostwärts. Dort sollte irgendwo ein Trail zu einer Nature Preserve führen. Den Trail fanden wir nicht, aber da am Ost-Ende der Insel kaum mehr Häuser sind, hielt sich der Verkehr auf der Strasse in angenehmen Grenzen. Wir spazierten (ok, Skipper, wir wanderten) etwa zwei Stunden lang entlang der Küste, kamen zuerst noch an weiteren Villen und Ferienhäusern mit imposanten Gartentoren, wunderschön gepflegten Gärten und sogar einigen Solarzellen auf ihren Dächern vorbei, dann wurde es einsam.

Die Vegetation war ein spannendes Gemisch aus Kakteen, Sträuchern, schönen Bäumen und auch Gras, und auf der Inland-Seite der Strasse immer wieder auch Zuckerrohr, aber offensichtlich nicht bewirtschaftetes. Die Ost-Ecke der Insel ist eigentlich als Ganzes als Nature Reserve und Marine Park definiert. Faszinierend fand ich die grossen Leguane, die sich in einzelnen Kakteen ein Zuhause eingerichtet hatten. Sie waren nicht besonders scheu und sehen von nah wirklich aus wie uralte, kleine Drachen. Es fehlen nur noch die Drachenflügel und dass sie einen mit Feuer anfauchen würden. Aber vielleicht habe ich in letzter Zeit zu viel Harry Potter gelesen.

Entlang der Strasse werden anscheinend gerade die Telefon- und sonstigen Kabelmasten ersetzt, bzw. teils einfach daneben gesetzt. Auch hier gilt klar: bigger and better. Interessant aber, dass die neuen aus Kunststoff, d.h. GFK sind, und jeweils aus mehreren Teilen bestehen. So können sie bei einem nächsten Hurricane vielleicht leichter unterhalten werden, wenn nur der eben geknickte oder gebrochene Teil ersetzt werden muss.

Mit dem ausgiebigen Spaziergang hatten wir aber eigentlich alles gesehen, was man zu Fuss in dieser Insel-Ecke sehen kann, und so gings am Donnerstag dann wieder los, entlang dem Riff und hinaus, und für einen Mittagshalt zu Buck Island. Auch Buck Island gehört zum Marine Park und nach unseren Infos ist dort das Ankern über Nacht verboten. Zudem sollte man eine Bewilligung von der National Park Authority haben, um tagsüber davor ankern zu dürfen. Wir hatten aber vom Yacht Club aus beobachtet, dass mindestens drei Boote mehrere Nächte dort übernachtet hatten. Vielleicht sind unsere Infos eben doch nicht mehr ganz aktuell.

Entlang der Südseite des Inselchens liegt ein Riff, das eine Lagune schützt, in die man mit dem Dinghy fahren kann. Ganz im Osten von Buck sind in der Lagune einige National Park Bojen verankert, an welchen man das Dinghy fixieren kann, um dann von dort aus schnorcheln zu gehen. Es gibt hier nämlich einen «underwater snorkelling trail». Das wollten wir unbedingt sehen und so machten wir uns trotz recht starkem Wind auf zu den Bojen. Das Wasser ist dort unglaublich klar, in leuchtendem Türkisblau, und die Riesenschildkröten beäugen das vorbei brausende Dinghy interessiert – ein Traum. Wir fanden die Bojen tatsächlich wie beschrieben (es sind etwa 6, aber wir waren das einzige Dinghy dort) und auch gleich dort bzw. noch leicht nördlich um die Inselecke auch die Trail-Marker. Leider sind die inzwischen so bewachsen, dass sie kaum mehr lesbar sind. Aber das Riff mit seinen vielen Fischen ist auch hier wieder faszinierend, auch wenn es wegen des Wellengangs eher anspruchsvoll ist zum Schnorcheln. Es ist in jedem Fall ein lohnenswerter Ausflug.

Nachmittags gings dann nur mit der Genua vor dem Wind weiter nach Christianssted. Dessen Marina präsentierte sich in ziemlich desolatem Zustand mit eigentlich nur noch einem oder zwei brauchbaren Stegen neben den zerfallenen Piers. Wir ankerten westlich davon vor der Altona-Lagoon. Dort ist der Untergrund eher Schlick als Sand und das Wasser wirkte dunkler, aber trotzdem noch «badebar». Mit dem Dinghy gings dann hinüber nach «Downtown», weil wir eine Scooter- oder Autovermietung suchen wollten. Und auch, um das Städtchen zu besuchen. In der westlichen Bucht liegen viele Langzeit-Ankerer und es sind einige darunter, die wohl aufgegeben oder «vergessen» worden sind. Auch einige Masten schauen aus dem Wasser heraus; auch das wieder eine Herausforderung für die Behörden hier.

Das Städtchen Christianssted ist aber noch immer hübsch und freundlich, mit der typisch karibischen Farbenfrohheit, seinen Arkaden und dem Gemisch aus Dänischem, Viktorianischem und fröhlich Karibischem Stil.

Die Scooter-Vermietung gibt es nicht mehr; das Geschäft sei schon seit etwa 2 Jahren geschlossen. Und Auto konnten wir auch keines mieten. Die Dame bei Olympic Rentals erklärte uns, dass die Raffinerien gleich eine ganze Flotte von kleinen Autos anmieten würden und dann ab und zu eines zurück schicken würden, wenn es dann doch nicht gebraucht werde. Sie könnte uns einen «Truck» anbieten, oder einen grossen Jeep, aber da lachte sie schon und meinte, weder sie noch wir würden so grosse Karren brauchen. Fröhlich, wenn auch Auto-los, verabschiedeten wir uns von einander und Bänz und ich machten uns auf zur Suche nach der Bus-Station.

Wir waren in unserer Naivität davon ausgegangen, dass hier genau wie auf Barbados und den anderen Inseln irgendwo ein Busbahnhof sein würde, von dem aus wir dann eben am nächsten Tag unsere Inselrundfahrt starten könnten. Nun, es wurde nochmals ein recht langer Spaziergang durch Christianssted. Wir fanden einen ausgedienten Schulbus, der – wie uns dessen Bewohner erschrocken erklärte – sein Haus sei, kamen an diversen interessanten Häusern, Bretterbuden und schönen Gärten vorbei, fragten diverse Personen nach der «Bus Station» (die eine Dame beschleunigte ihre Schritte, als wir sie ansprechen wollten, wie wenn sie einen Angriff oder ein Anbetteln von uns erwartete – das gab mir sehr zu denken; sehen wir tatsächlich schon so vertrauensunwürdig aus?) und wurden freundlich und gleichzeitig verwirrt in der Gegend herum geschickt. Irgendwann wurde klar, dass es keinen Busbahnhof gibt, und dass man hier eigentlich auch nicht Bus fährt. Es gibt zwei Buslinien, die Christianssted und Frederiksted ganz im Westen mit einander verbinden. Eine Fahrt – egal wohin und wie weit – kostet im Bus USD 1.- 

Aber was die meisten seltenen Bewohner von St. Croix, die kein SUV, kein Auto und keinen Pick-up besitzen zum Fortkommen nutzen, sind Taxis. Das System erschloss sich uns aber erst am Folgetag in der direkten Nutzung. Die offiziellen Taxis fahren ähnliche Routen wie der Bus, machen aber gewünschte Abstecher oder machen sie von sich aus und fahren z.B. bei den grossen Supermärkten eine Runde über den Parkplatz und schauen, ob jemand mitfahren möchte. Hier kostet eine Fahrt USD 2.50 statt 1.- wie im Bus, aber dafür fahren sie viel häufiger und eben auch individualisierter. Sie sind aber nicht zu diesem Preis verpflichtet. Wenn sie wollen, können sie auch USD 24.- für die gleiche Strecke verlangen – das muss man vorher kurz gefragt haben. Die Informationen sammelten wir im Verlauf unseres Bus- und Taxi-Ausflugs vom Freitag dann von diversen sehr netten und hilfsbereiten Menschen, unter anderen auch vom einen Taxifahrer.

Am Donnerstagabend erhielten wir von einer freundlichen Dame mit grosser Zahnlücke nur noch den Tipp, nicht jetzt am Abend nach Frederikssted zu fahren – das sei viel zu gefährlich und es gäbe «alle möglichen Typen» da; wir sollten aufpassen auf uns. Der gleichen Dame begegneten wir dann am nächsten Morgen im Bus und sie lobte uns fürs frühe Aufstehen (es war inzwischen etwa 10h!) und «adoptierte» uns beim Umsteigen vom Bus auf eben so ein 2.50-Taxi. So nett!

Die Fahrt nach Frederiksted dauerte dann ca. 45 Minuten, durch relativ flaches Land, an vielen Einkaufscenters vorbei, dann wieder durch grüne Landschaften mit Feldern, Hecken und Wäldchen, durch Siedlungen und an unzähligen verschiedenen Kirchen vorbei. Von den Adventisten, Apostolischen, Baptisten, Katholiken, Lutheranern, Moravianern bis zu den Zeugen Jehovas und vielen dazwischen gibt es wirklich alles. Die Landschaft wirkte ähnlich wie Barbados auf uns, nur ist sie stärker zersiedelt, soweit wir das sehen konnten. In Frederiksted meinte unser Taxifahrer, wir sollten einfach in der Strasse, in welcher er uns ablud, etwas warten und dann würde schon irgendwann wieder ein Taxi in die andere Richtung von hier fahren.

Das Städtchen wirkte auf uns wie ausgestorben. Ob es daran lag, dass es gegen Mittag ging und ziemlich heiss war, oder ob es die Ruhe nach dem Sturm war, weil am Vortag ein Kreuzfahrtschiff da gewesen war, wie uns ein Barbesitzer erklärte – jedenfalls spazierten wir etwa eine halbe Stunde lang die zwei-drei Strassen hinauf und hinunter, in denen einige Läden offen zu sein schienen, und hatten es dann auch schon gesehen. Es ist ein wirklich kleiner Ort mit einigen Restaurants oder Bars, zwei Hotels und einem Museum für lokale Kunst, kombiniert mit Galerie und Shop an der Wasserfront, einer Strasse mit kleinen Läden und einer Nacho-Bakery dahinter, einem schönen Marktplatz-Gebäude und dem in Renovation befindlichen Fort, sowie dem grossen Kreuzfahrtschiff-Pier.

Die Bucht von Frederiksted ist wunderschön, mit glasklarem, blauem Wasser, und da sie ganz im Westen der Insel liegt, sehr gut geschützt von einer ganzen Insel gegen den vorherrschenden und derzeit blasenden Passat. Wir hatten eigentlich mit Sea magiX hier her segeln wollen, um dann von hier weiter zu den Spanish Virgin Islands zu gelangen. Aber da wir am Morgen vor unserem Bus-/Taxi-Ausflug herausgefunden hatten, dass wir nicht mehr in Christianssted ausklarieren konnten, sondern dies vielleicht noch vom Flughafen im Inland aus ginge – aber eben nur vielleicht – haben wir den Plan geändert und sind deshalb jetzt am Weg zurück nach St. Thomas. So genossen wir den Anblick des blauen Wassers vom Land aus, gönnten es den Yachten (nicht sehr vielen), die hier lagen, suchten dann eine Bar/Beiz für einen Barbeque-Chicken-Lunch und spazierten danach wieder die Strasse hoch, von der uns ein Taxi tatsächlich recht bald wieder nach Christianssted mitnahm. Es war ein schöner, interessanter Tag gewesen, den wir abends mit einem Happy-Hour-Bier und WiFi im Ocean Village Café im Marina-Gelände noch abschlossen. (Übrigens soll man sein Dinghy beim Marina Office anmelden, wenn man es dort am Steg lassen will. Das haben wir brav gemacht und für 24 Stunden gleich USD 5.- bezahlt…). St. Croix gefällt uns noch immer sehr und wir sind froh, dass wir den Abstecher gemacht haben.

Beim abendlichen Sundowner sinnierten wir dann noch ein wenig über unsere allgemeinen Erkenntnisse aus diesem Piloten; wir sind unglaublich dankbar, dass wir diese Zeit gemeinsam erleben können. Die Reise und die Erfahrungen bisher haben uns gezeigt, dass wir das zusammen gut meistern können, dass wir aber beide weiterhin nicht davon träumen, die Wurzeln zu lösen und auf die ganz grosse Weltumsegelung zu gehen. Es sind eher die kleineren Sprünge, die Tage wie jener vor Buck Island oder jener im Taxi nach Frederiksted, die uns faszinieren, mit ihren Begegnungen mit Menschen von hier und der Lebenswelt von hier. Wir kamen zum Schluss, dass uns dies als Reisende von Aussteigern unterscheidet. Wir suchen nicht den Ausstieg aus der Gesellschaft oder unserer eigenen Welt, sondern freuen uns über neue Erfahrungen in anderen Ländern, mit anderen Menschen und Kulturen.

Die 40 SM Halbwindfahrt nach St. Thomas waren schnell vorbei, wenn auch gelegentlich etwas salznass. Wir kamen gegen 14h in der grossen Bucht von Charlotte Amalie an und legten uns gleich ganz im West-Teil vor eine Chartermarina an den Anker, um möglichst nah beim Customs and Border Protection Office im Ferry-Terminal zu sein. Nachteil: zwischen den Hügeln rund um die sehr gut geschützte Bucht von Charlotte Amalie bläst der sowieso schon starke Wind noch verstärkt in die Bucht. Sea magiX tanzte wie im Rodeo am Anker, aber wir hatten ja auch nicht vor, ewig lange dort zu bleiben. Schnell ins Dinghy und zur Marina, um von dort zum Ferry-Terminal zu gelangen. In der Marina wurden wir an einen anderen Steg für Short-Term Dinghy Stays geschickt – und sollten dort 10 USD bezahlen, auch wenn wir hofften, dass wir nicht länger als eine Stunde hier hängen würden. Das ist uns zu viel nur fürs Anbinden und wir suchten ein Plätzchen bei den Fischern, die noch daran waren, ihre letzte noch unverkaufte Beute zu schuppen und gleichzeitig vor den Pelikanen zu verteidigen. Wenn wir nicht so im Schuss gewesen wären, hätte das sicher ein cooles Foto gegeben. So bleibt uns nur die Erinnerung an den seeeeehr starken Fischgeruch… und ein paar Schuppen an den Flipflops.

Beim Ferry-Terminal fanden wir auch schnell das Büro der CBP – leider «temporarily closed». Für Freizeitboote sei die Clearance nur in Red Hook oder der Cruz Bay auf St. John zu erledigen, oder temporär bei WILCO. Auf dem Zettel steht noch eine Telefonnummer, aber leider ging da keiner dran an einem Samstagnachmittag und so standen wir mit grossem Fragezeichen da – wer oder was ist WILCO? Wäre ja nett, wenn das auch noch erklärt würde für so Leute wie uns… Wir stapften suchend im Gebäude umher und kamen dann zu einer weiteren Doppeltür, an welcher auch das grosse offizielle Siegel der CBP prangte. Bänz klopfte beherzt, aber nichts passierte. Ich war schon dran, aufzugeben, da klopfte er nochmals, noch beherzter, und siehe da, eine Offizierin (mit Gesichtsmaske) öffnete und fragte etwas scharf, was wir denn wollten. Als wir mit Clearance anfingen, wollte sie uns schon abwimmeln, dass das Büro geschlossen sei wegen einer «Mould infestation» (Schimmelbefall). Aber als wir erklärten, dass wir das zwar begriffen hätten, aber nicht wüssten, wer oder was oder wo WILCO sei, wurde sie sehr freundlich und hilfsbereit, bat uns in den Raum und zeigte über die Bucht zum an jenem Tag verwaisten Kreuzfahrtterminal – wir müssten dort rüber. Auf unsere guten Wünsche, gesund zu bleiben, hatte sie beim Abschied nur ein müdes Lächeln… Schimmel ist nun in einer Gegend, die permanent Temperaturen von 26-36 Grad und Luftfeuchtigkeit zwischen 80 und 95% hat, wohl nichts ganz so rares. Wir fragten uns, was für ein Schimmelpilz hier nun wirklich entdeckt wurde, aber waren froh um die Info und verliessen das Gebäude schnell wieder.

Nach einem kurzen Abstecher via McDonalds für zwei Saturday Specials mit wirklich frischen feinen Pommes Frites und einem kurzen Internetupdate (bei dem wir erfuhren, dass in Europa die Winterstürme weiter wüten, während hier sich das Wetter wieder in seiner gewohnteren Bahn gefangen hatte) gings schnell zurück zur tanzenden Sea magiX, und ebenso schnell – geplant – Anker auf. Aber der stockte, als ich den Bug mit so wenig Gas kaum im Wind mehr halten konnte. Bänz gab mir das Zeichen für Auskuppeln… oje, was war denn da los? Nicht gut, wenn knapp hinten dran schon die Marina mit den noch unvercharterten Kats lag und wir so viel Wind hatten! Ich konnte von hinten hören, wie die Ankerwinsch schwer arbeitete – da hatten wir wohl etwas Zusätzliches am Anker. Nach einiger Zeit (ehrlich gesagt einer gefühlten Ewigkeit), in der wir recht zügig rückwärts trieben, aber mit der Querseite zum Wind, fiel vorne ein 6cm-dickes Tau ins Wasser. Aha – Mooringleine… Endlich bekam ich das Zeichen, dass ich wieder einkuppeln dürfe und konnte – mit viel Gas – Sea magiX wieder in den Wind und in Richtung Osten zum Kreuzfahrtterminal und Ankerfeld steuern. Bänz meinte später, wir hätten nicht nur eine Mooringleine, sondern auch noch eine Colabüchse aufgepickt. Die Büchse war schön an der Spitze des Ankers eingehängt gewesen.

Im recht vollen aber dafür deutlich weniger welligen Ankerfeld an der Ostseite der Bucht fanden wir schnell wieder ein Plätzchen, stiegen gleich wieder ins Dinghy und machten uns auf die Suche nach dem temporären CBP-Büro. Wir wurden sehr schnell im Marina-Gebäude gleich beim Dinghy-Steg fündig. Der Officer, der uns öffnete, wollte zwar zuerst nichts wissen davon, dass wir auschecken müssten – das sei nicht nötig, da wir ja von den USA in die USA reisen würden. Aber da wir schon mal da waren, und andere Informationen aus der Cruz Bay bekommen hatten, liess er Bänz ein weiteres Mal das Clearance-Dokument ausfüllen (mit noch einigen Feldern mehr als beim Clearing in) und setzte seinen schönen, grossen Stempel darunter. «You’re all set now». Puh, was waren wir froh, dass das noch geklappt hatte!

Heute Sonntag 9. Februar morgens um ca. 07h füllte sich dann der vorher noch leere Kreuzfahrtsteg schnell mit 3 Schiffen – unter anderem mit der Viking Sea, die wir ja schon auf Barbados «kennengelernt» hatten. Wir legten bald nach einem gemütlichen Scrambled-Eggs-Frühstück (letzte Eier, letzter Bacon) los, ohne mehr von Charlotte Amalie gesehen zu haben, als den Ferry-Terminal und das Marina-Gebäude mit den riesigen Superjachten in der Marina (mit und ohne Helikopter…). Die Bucht wirkte sehr verbaut auf uns, mit riesigen Hotelkästen, die noch im Bau sind, und anderen, die neu gebaut aussehen, vielen Ferienhäusern, einer Seilbahn, die aber nicht in Betrieb war, und dem üblichen Stadt-Sound an der Hafenstrasse.

Der schöne Ost-Passat mit ca. 15-20kn blies uns mit der Genua alleine in weniger als 4 Stunden bis in die grosse, rundum geschützte Bucht von Culebra. Die Bucht ist recht speziell, denn ihre Südseite ist geschützt durch ein Riff, durch das nur ein schmaler, betonnter Weg hineinführt. Und sonst sind rundum Hügel.

Auch hier ging es schnell, bis das Dinghy im Wasser und wir am Weg zur Border Protection waren. Wir wussten, dass deren Büro am kleinen Flughafen etwa 1km inland ist. Uns war sehr daran gelegen, hier die Formalitäten schnell zu erledigen und gleich das Cruising Permit für Puerto Rico und die amerikanischen Gewässer zu bekommen, denn ohne dieses Permit müsste man sich sonst in jedem neuen District der USA (Puerto Rico alleine hat 4 davon!) neu an- und abmelden, also immer wieder dieses Behördenprozedere durchlaufen und Formulare ausfüllen.

Am Weg zum Flughafen stellten wir fest, dass sich Culebra seit unserem letzten Besuch vor etwa 3 Jahren stark verändert hat. Verschwunden sind die Mangrovenwälder und Bretterbuden an der Strasse zum Flughafen. An ihrer Stelle stehen heute stattliche neue Häuser, farbige Beizen und eine Escuela di Ecologia, deren Dächer mit Photovoltaik-Platten belegt ist. Wir waren beeindruckt und freuten uns für die Bewohner, dass es ihnen offensichtlich zumindest teilweise gut zu gehen scheint, gleichzeitig aber auch ein wenig traurig, dass die Ursprünglichkeit, die wir hier so geschätzt hatten, verschwunden ist. Unterwegs wurde aber trotzdem schnell deutlich, dass wir wieder im Spanisch-sprechenden Raum angekommen sind. Die Gespräche sind lauter, das Lachen ebenso, und – sie fahren wieder rechts…

Im kleinen Flughafen klopfte ein Baggage-Handler für uns an der Türe zum CBP-Büro und linste dabei durch den Türspalt. Er meinte, «sie seien da, auch wenn sie nicht öffneten». Sein Klopfen wurde insistenter und sein Auge klebte noch immer am Spalt, als es nach einigen Minuten doch noch surrte und die Türe auf ging. Eine filmreife Szene! Der riesige Officer, der uns empfing, wollte uns eigentlich auch wieder abwimmeln und auf eine Telefonnummer verweisen, die wir anrufen sollten, aber als Bänz das Cruising Permit erwähnte und wir mehrfach bestätigen konnten, dass wir nicht nur ein ESTA- sondern ein richtigesB1-B2 Visum haben, bat er uns doch noch ins kühle Büro.

Bänz füllte wieder das bekannte Formular aus (auch hier wieder ein paar zusätzliche Punkte), ich stand Red und Antwort zum Flaggschein, der vom Officer dann ein grosses Lob bekam: da stehe tatsächlich alles das drauf, was er brauche, und erst noch lesbar.

Das Customs-Formular, auf dem wir bestätigten, dass wir wirklich keine frischen Lebensmittel, keine Haustiere und keinen frischen Lebensmittelabfall mitführen, wurde auch noch entgegen genommen. Und gleichzeitig erklärten uns die Beamten sehr freundlich, dass wir ab jetzt wirklich nur noch die offizielle Nummer anrufen müssten, auch wenn wir zwischen Puerto Rico und den USVI hin und her führen, und wir seien fein raus. Wir bekamen das Cruising Permit für ein ganzes Jahr (!!), gratis und franko, und dazu die hilfreichen und freundlichen Tipps. Dazu gab es gelegentlich ein Witzchen und ein Lächeln – die Welt hier ist so anders als in den anderen Büros der gleichen Behörde; wir sind gleich wieder hin und weg.

Inzwischen sind wir wieder zurück an Bord von Sea magiX, schreiben diesen Bericht noch fertig und werden uns dann mit der wasserdichten Tasche und dem Laptop zum Dinghy-Dock aufmachen, um dort das WiFi zu nutzen und uns einen Sundowner zu genehmigen. Ab jetzt können wir die Spanish Virgin Islands geniessen. Wir freuen uns!


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