Letzte Duschen, letztes Wasser-Bunkern und endlich geht’s los ins weite, blaue Meer. Zwischen den Inseln und in der nördlichen Fahrrinne haben wir noch etwas Gegenstrom, aber als der nachlässt, können wir mit der leichten Sommerbrise etwa aus Ost sogar segeln. Zuerst noch etwas verhalten, und dann sogar mit etwas mehr Überzeugung. Nach und nach werden die diversen Helfer in Betrieb genommen. Zuerst Gisela, unsere Wassergeneratorin, die bei dem leichten Wind zufrieden vor sich hin-schnurrt und etwa 2.5A lädt (das erinnert mich, dass ich mich endlich in Ruhe mit dem „Watt, Volt und andere Schikanen“-Buch wieder befassen möchte – hoffentlich hab ich das auf dem E-Book dabei, weil das Papierbuch noch immer zuhause auf dem Nachtkästchen liegt). Gisela produziert nicht nur fröhlich Strom (und etwas Lärm), sondern bremst auch gehörig, bei so wenig Wind. Aber wir nehmen das in Kauf – auf längere Distanzen macht das am Schluss wohl nicht so viel aus. Es dauert aber nicht sehr lange, da erhöht sich ihr Schnurren zum bekannten, panikartigen Pfeifen mit Alarmton – die Batterien sind voll und der Verbrauch genügt nicht, um ihre Leistung abzunehmen. Sie bekommt eine Ruhepause verordnet.
Unterdessen wurde auch Leonie aus dem Winterschlaf geweckt. Sie sucht, genau wie der Rest der Crew, noch ein wenig ihre Routine, da bei diesem Segelkurs eine ganz kleine Windveränderung sofort grosse Auswirkungen auf die Wind-Einfallswinkel und somit auf ihre Steuerung hat. Trotzdem wird Leonie sehr schnell wieder zu einem sehr wichtigen, wenn nicht dem wichtigsten Crewmitglied. Alle anderen sind dankbar, dass wir nicht mehr am Heck „angebunden“ sein müssen.
Nebst den diversen Inbetriebnahmen bemüht sich Bänz auch um die Kreation eines Wachplans. Dies erweist sich als recht knifflig, wenn wir nachts zu zweit und tags alleine Wache schieben wollen. Aber nach ein paar Gripsübungen präsentiert er dann doch stolz eine Version, die funktionieren sollte, wobei die Schlafenszeiten zwischen den verschobenen 3-Stunden-Wachen nachts auf nur 1.5h reduziert sind. Zudem ist eine Extrawurst für die Smutje eingeteilt – ich komme nämlich tags von 06-09.00h dran und dann offiziell erst wieder von 21h-00h, aber dazu kommt eine Kochwache etwa von 16-19h, damit wir regelmässig möglichst gemeinsam vor 18h zu Abend essen können.
Diesen Wachantritt um 16h verpasse ich dann prompt… Eben, die Routine hat sich noch nicht eingestellt.
Es ist ein strahlend sonniger Tag und ein sehr romantischer, wunderschöner Abend. Die Sonne geht etwa um 21h als roter Ball zischend ins Meer unter und bringt prompt mein Weltbild durcheinander. Wir steuern mit dem generell verordneten Kurs von 310° nach Nordwesten und die Sonne geht rechts vom Bug, d.h. noch weiter im Norden unter. Da kommen alte Grundfesten ins Wanken! Es entstehen unzählige Sonnenuntergangsfotos, und doch schafft es keines, auch die Ruhe, das Atmen des Meeres und den Frieden einzufangen.
Nach Sonnenuntergang ist es aber noch die längste Zeit hell. Backbord (auf der linken Seite) hängt eine zunehmende Mondsichel wenige Handbreiten über dem Horizont, und als kleiner Diamant-Begleiter ganz in seiner Nähe auch ein Planet. Wir tippen auf die Venus. Bis ich um Mitternacht meine Wache beende, wird es allmählich mindestens im Osten dunkel genug, dass wir die Sterne sehen können, nebst einem rosa Planeten, den wir zu Mars erklären. Für den Milky Way reichts aber bei mir noch nicht – es wird einfach nicht dunkel genug.