So., 29.12. – Mi. 1.1.2020
Wir hatten eine wunderbar sanfte Überfahrt von Barbados nach Martinque am Sonntag. Nach vielen Wochen setzten wir sogar wieder einmal das Grosssegel (Kommentar Skipper: mal sehen, ob wir da die Mäuse rausschütteln müssen), wenn auch gleich mit zwei Reffs, denn der Windwinkel war fast bei halbem Wind und so konnte Leonie, unsere Windsteueranlage, trotzdem noch gut und recht genau steuern mit den ca. 12 bis 16 und später auch etwas weniger Knoten Wind. Der leichtere Wind bedeutete auch weniger Wellen, und der nicht so platte Kurs hielt Sea magiX viel stabiler auf Kurs – wir sind dieses Segeln bei Sommerferienbedingungen schon gar nicht mehr gewohnt.
Gestartet waren wir gemütlich, aber einen Tick früher als eigentlich geplant, weil ein Australier hinter uns schon um 11h los wollte und befürchtete, dass wir über seinen 60m Ankerkette liegen würden. So kamen wir dann – nach einer lauen, warmen Nacht mit Wachen in T-Shirt und Badehose unter dem Lifebelt und Temperaturen, die sogar nachts die Schoggi schmelzen liessen – etwa eine halbe Stunde vor Tagesanbruch vor der Einfahrt in die Bucht von Le Marin an, trödelten noch ein wenig in der Windabdeckung bei 3-4kn Wind und konnten uns dann in der violett-rosaroten Morgendämmerung den Bojen entlang nach Le Marin schlängeln. Es wäre auch im Dunkeln gegangen – die Bojen hatten ihre Beleuchtung tatsächlich in Gang, aber so war es einfach ein wenig bequemer. Die gut geschützte Bucht von Le Marin öffnete sich und präsentierte uns ein zwar schon erwartetes, aber doch wieder eindrückliches Bild von Hunderten von Jachten; links alle am Anker und so eng, dass uns das nicht so passte, und rechts alle an Mooringbojen; auch hier sehr eng, aber mit den Bojen war uns das sympathischer und wir pickten uns eine freie recht nah bei den Stegen der Marina, um die Dinghifahrten möglichst kurz halten zu können. Kurz ein wenig aufräumen und dann gleich unsere Duschsachen und die Dokumente packen und ab an Land zum Marina Office, um einzuklarieren und den Platz zu regeln.
Kaum waren wir gelandet, war auch gleich klar, dass wir hier in den Französischen Antillen sind: es roch nach frischen Baguettes und Croissants, rund um uns tönte es Französisch und das Marina Office ist sehr gut organisiert und professionell, wenn auch nicht ganz so entspannt wie die Menschen auf Barbados. Bänz konnte mit dem Online-System problemlos einklarieren, wir bekamen den Badge zum Duschen während wir darauf warteten, ob der Marinero eine andere freie Boje für uns finden könne, etc. etc. Zurück an Bord mussten wir nochmals umparkieren, aber auch das ging relativ bald und unkompliziert, und schon waren wir fest und konnten uns ums Tagesprogramm kümmern. Der Kontrast zur Ankunft auf Barbados war markant und vor allem der Skipper bemerkte, als wir wieder an Land waren und im Supermarket ein Sixpack Glacestengel gekauft hatten und innert 15 Minuten «vor dem Schmelzen retten mussten», dass wir nun wirklich in der Karibik angekommen sind.
Wir genossen es, im Ort umher zu spazieren, im Supermarkt die grosse und erschwingliche Auswahl an Gemüse und Früchten zu bestaunen, im ersten Shipchandler gleich ein paar neue Fischerhaken für Bänz und (noch) einen Bikini mit 50% Jahresend-Rabatt für mich zu kaufen, im Mango Bay Restaurant direkt am Wasser einen Tisch fürs Réveillon-Diner vom nächsten Tag zu buchen, ein kleines Auto für den nächsten Tag zu 50€ TTC zu mieten und in der Bar zu sitzen mit einer kalten «Pression» vor uns. Es ist erstaunlich, wie sehr die Kulturen von Barbados und Martinique sich unterscheiden – schliesslich waren wir nicht mal 20 Stunden von einem Ort zum anderen gesegelt. Wobei der Kontrast vielleicht durch den spezifischen Ort Le Marin verstärkt wird, denn dies ist die Chartermetropole der Französischen Antillen, Basis für viele Charteranbieter und eine echte Marina mit Fingerstegen, etc. Es gibt viele Shipchandlers, die allesamt gut ausgerüstet sind. Beim Motorenhändler stehen mehrere Yanmar- und Volvo-Motoren in diversen Grössen einbaubereit im Schaufenster, von unserem Modell sind es gleich zwei. Von der Decke hängen bei ihm Keilriemen in jeder Grösse, Dicke und Länge, und in den Vitrinen sind Anlasser und alle möglichen Ersatzteile ausgestellt, die man sonstwo normalerweise bestellen muss. Le Marin ist voll auf den Yachties-Markt ausgerichtet. Es liegen auch unendlich viele davon in der Bucht. Ich habe den Eindruck, das Bojenfeld sei seit unserem letzten Besuch hier vor etwa drei oder vier Jahren enger bestückt und grösser geworden. Wie die Infrastruktur mit dem Wachstum mithält, ist mir ein Rätsel, aber sie scheint es grossteils zu schaffen. Aber diese Ausrichtung auf Yachties gefällt uns natürlich deutlich besser, als wenn alles für Kreuzfahrt-Tagestouristen eingerichtet ist. Nur schon die Anzahl und Auswahl an Restaurants mit «richtigem» Essen statt Fast Food ist bemerkenswert. Oder eben die Auswahl an Gemüse und Früchten im Supermarkt. Oder auch die Auswahl an Wein, inkl. Rosé, in Kartons. Und wir entdecken sogar Clément-Rum Agricole im Karton – da kann uns ja gar nichts mehr passieren!
Der Ort Le Marin ist dem Ufer entlang gezogen und nicht so kompakt wie andere Orte. Es konzentriert sich alles – zumindest für uns Fussgänger, die vom Boot her kommen – um den Marina-Komplex. Oben auf dem Hügel ist dann aber noch die Kirche, die Mairie, bzw. das Hôtel de Ville und einige enge, verwinkelte Strässchen mit Steinhäusern. Wir könnten eigentlich fast genau so gut irgendwo im Languedoc sein, solange die farbigen Holzhäuser unten am Wasser nicht beachtet werden. Die Menschen, denen wir begegnen, sind auch hier freundlich, offen und entspannt, wenn auch zurückhaltender und reservierter als die Barbadians.
Beim letzten Shipchandler bleiben wir bis nach seiner Abend-Schliesszeit. Er bietet Highfield-Dinghies mit festem Aluboden und dicken Schläuchen zu einem erschwinglichen Preis an. Wir studieren schon seit langem an dieser Frage rum, denn unser jetziges Dinghi wird es wohl nicht die ganze Reise lang überleben, und ist sicher für den scharfen Korallensand und womöglich auch mal den einen oder anderen Kontakt mit einem Riff nicht geeignet. Für den ersten Teil der Reise war es ganz ok, denn da war es wichtiger, dass es unter Deck verstaubar war und die Art, wie wir es in Portugal oder Spanien benützten, war völlig anders. Hier wird es zum täglichen Sine qua non. Die Frage ist heute, am 1.1. noch nicht entschieden, aber der Chandler macht auch erst morgen wieder auf – wir haben also noch ein paar Stunden Zeit, um zu messen, ob es aufs Vordeck passen würde und um zu überlegen, ob wir uns einen solchen Luxus leisten wollen. Und – ob wir das Alte dann entsorgen würden oder etwas anderes, z.B. das zusätzliche aber nicht gebrauchte separate Passatsegel, das wir im letzten Sommer in Wedel spontan erstanden hatten. Bänz ist vorhin in der Achterkoje verschwunden, um sich um den Platz dort zu kümmern und seither dringen diverse Bohr- und Schleifgeräusche hoch ins Cockpit, die vermuten lassen, dass da eine andere Pendenz dazwischen gekommen ist.
Zurück an Bord, ein selbstgemachter Planteur als Sundowner, während über den Masten der hinter uns liegenden Boote der Mond allmählich aufging (er wächst wieder), ein leichtes Lüftchen durchs Cockpit zog und kleine Wellchen ans Dinghi schwappten, ein feines, einfaches Pilzrisotto mit viel grünem Salat und schon bald war Ruhe im Schiff – die Nacht war halt wieder kurz gewesen mit den schon fast ungewohnten Nachtwachen.
Am Dienstag, 31.12. nutzten wir unser gemietetes «Chrutzli», einen winzigen Peugeot (gibt es nach dem Peugeot 204 und 104 auch einen 0.4?), zuerst mal für einen Einkauf von schweren Sachen im riesigen Carrefour in der Nähe des Flughafens. Neuer Weinvorrat, Rumvorrat, 5l Wasser, weil wir in dieser Bucht den Wassermacher lieber nicht aktivieren möchten, Orangensaft, Ananas-Saft, etc. etc. Als wir alles eingeladen haben, scheint mir das kleine Auto ein wenig hinten runter zu hängen. Aber er fährt noch immer – gemäss Skipper mit nur zwei Gasstellungen: entweder kein Gas oder Vollgas. Auf der perfekt unterhaltenen, modernen Autobahn rattern wir dann nordwärts bis La Trinité und der Halbinsel Tartane. Die Landschaft hier ist wieder erkennbar vulkanischen Ursprungs, mit steilen Hügeln, sehr viel grün (Zuckerrohr, Bananenplantagen, aber auch viel Wald und Gebüsch) und dazwischen Städten und Orten, fast jeden mit einem Boulodrome Municipal.
Die Presqu’ile de Tartane bildet an der Ostseite der Insel eine wunderschöne Bucht mit dem Vorland von Le Robert im Süden. Wir fahren durch das Fischerdorf von Tartane und noch ein wenig weiter, bis zum Parking Provisoire, Ausgangspunkt einer Wanderung zum Leuchtturm. Der Holperweg verlangt unserem Chrutzli alles ab und gelegentlich setzen wir mit dem Chassis-Boden fast auf. Zu Fuss geht es anschliessend auf dem gepflegten Wanderweg weiter. Manchmal reichen die Bäume bzw. hohen Sträucher der «Foret Tropicale Sèche», um auch kurz nach Mittag Schatten zu spenden, dann ist die Temperatur erträglich, aber wenn die Sonne voll brennt, dann zwingt das sogar den Skipper zu karibischem Lauftempo. Die Aussicht vom Phare aus ist dann aber wirklich den Schweiss und Durst wert. Wir sehen fast die ganze Ost-Küste der Insel, mit kleinen vorgelagerten, bewaldeten oder auch felsigen Inselchen im Süden und dem unendlich langen Sandstrand mit den Brandungswellen am Riff im Norden.
Zurück im Süden geht es an Le Marin vorbei weiter nach St. Anne, das wir nur vom Wasser her kennen. Dies ist eine riesige, flache Bucht, in der auch hier wieder unzählige Yachten ankern. Die Bucht ist so gross, dass das Gefühl der Enge von Le Marin wohl nicht aufkommt – auch heute noch nicht. An Land ist St. Anne ein hübsches kleines Städtchen, viel kompakter als Le Marin, alles um die Kirche herum arrangiert, mit Restaurants und Bars direkt am Wasser, dem Fischmarkt, oder auch der schön farbig bemalten Polizeistation. Ganz vorne am Ende des einen Strandes kommen wir an den Einheimischen vorbei, die laut diskutierend und zur Reggae-Musik mit-wippend ihre grossen Kochtöpfe hüten, aus denen es herausbrodelt und fein riecht. Und an einer Bar aus einem Container bekommen wir auch noch ein Bier unter Palmen, mit Blick auf die Ankerbucht.
Noch etwas weiter südlich ist dann noch Les Salines – auch dies ein wunderschöner, langer Sandstrand. Hier sind die Martiniquiens am Baden und Geniessen; farbig, laut, aktiv, lebendig. Ein einsamer Kat liegt vor dem Strand – für Einrumpfer wäre es wohl zu seicht und auch zu rollig, hier an der Südspitze der Insel. Aber schön ist es sehr! Und das hausgemachte Passionsfrucht- und Ananas-Sorbet, das wir im Schatten einer Palme schlemmen, passt perfekt zur Stimmung.
Zurück in Le Marin laden wir unsere vielen Einkäufe ins Dinghi, fahren nochmals an Land zum Duschen und spazieren dann gemütlich zu unserem Réveillon-Diner im Mango Bay Restaurant. Das 4-Gang-Menü mit Langusten ist sehr fein und die Unterhaltung beginnt zum Glück erst recht spät, denn wir hatten übersehen, dass die aus Karaoke bestand und Karaoke auf den Französischen Antillen natürlich auf Französisch stattfindet, so dass wir die gekrächzten Lieder kaum erkennen konnten. Es war trotzdem lustig und unterhaltsam, und fürs Anstossen waren wir dann doch noch rechtzeitig an Bord zurück und konnten die diversen Musikvarianten der diversen Restaurants mit etwas Distanz geniessen.
Ein für uns wirklich wunderbares, unglaublich lehrreiches, spannendes und oft auch wunderschönes Jahr ging zu Ende und wir schauen heute, am 1. Januar von 2020 mit viel Zuversicht, Dankbarkeit und Freude in die Zukunft. Wir wünschen allen ein ebenso glückliches und vor allem gesundes neues Jahr und freuen uns auf all die vielen Kontakte, Gespräche und schönen Momente mit lieben Menschen, die kommen werden.