… auch bei wenig Wind. Die Fahrt von den Berlengas nach Süden um die Ecke nach Cascais war wenig ereignisreich, abgesehen von unseren erfolglosen Versuchen, bei 5 Knoten Wind den Parasailor zum Stehen zu bringen und dem Gefühl, der Windgott Aeolus habe nur darauf gewartet, dass wir aufgeben, bevor er «den Wind anliess». Woraufhin wir den Gennacker setzen und ihn – mit einer kurzen Unterbrechung – oben lassen konnten bis an die Ecke vor Cascais. Die Unterbrechung kam vom Genni aus: wir segelten Sommer-mässig ruhig dahin und plötzlich kam ein Schrei von Paddy: «Was ist denn da los?» Wie ein elegant fallender Vorhang fiel gerade das ganze blaue Tuch neben dem Schiff ins Wasser. Schnell wieder an Deck damit (da brauchte es zwei von uns – ist eben doch ziemlich schwer, wenn es nass und mit Wasser gefüllt ist) und wieder (mit dem Steuerbordfall, denn das Backbordfall war ja noch im Masttop oben) gesetzt, während sich tausend Salzwassertropfen auf dem Deck verteilten. Was war passiert? Nicht der Schäkel hatte sich geöffnet, wie wir alle zuerst angenommen hatten, sondern die Schraube, die den Toppwirbel zusammenhalten sollte. Einmal mehr eine unerwartete Schwachstelle, an die niemand gedacht hatte. Der Toppwirbel wurde dann bei nächster Gelegenheit abgesägt und seither wird der Genni ohne Toppwirbel gesetzt. Geht ja auch so!
Cascais erreichten wir mitten in der schönen Nachmittags-/Abendbrise und konnten deshalb den Wind- und Kitesurfern zusehen, die auf ihren Foils durch das Ankerfeld hin und her pfiffen. Es waren doch einige andere Schiffe hier vor Anker, aber die Bucht ist gross genug für noch sehr viel mehr und die schönen Sonnenuntergänge können wir uns auch teilen.
Das Städtchen, das wir vor drei Jahren gern bekommen hatten (als wir hier viel liebenswürdige Hilfe für unser «Nach fest kommt ab»-Problem erhielten), gefällt uns noch immer. Zwar sehr auf Tourismus ausgerichtet und im August jeden Abend mit der grossen und lauten Fado-/Folklore- und auch Rock-Party im Zelt am Hafen, aber es wirkt lebendig, fröhlich und gepflegt und bietet alle wichtigen Versorgungsmöglichkeiten für Segler. So auch einen Wasserhahn am Fischerpier, den Bänz mit dem Rollgabelschlüssel öffnet und für eine grosse Spi-Spül-Aktion nutzt. Es war sicher eine gute Idee, dies in der Badehose zu machen und dann auch in der Badehose im Dinghi mit dem grossen nassen Tuch zu sea magiX zurück zu kehren.
Mit jetzt Frischwasser-nassem Genni gings dann am Nachmittag ein Stück den Tejo hinauf in Richtung Lissabon. Mit jedem Flattern des Tuchs lösten sich Tausende von Wassertropfen – von weitem sahen wir sicher bei jeder Bö aus, wie wenn wir einen Heiligenschein mitführen würden. 😊 Schon sehr bald war der Kurs dann endgültig zu hoch für den Genni, aber bis da war er tatsächlich auch schon trocken. Tumblern in der Sonne – so geht das!
Wir segelten mit sehr böigem Wind den Lissabonner Wahrzeichen entlang nordwärts zur Marina Expo, bzw. mit vollem Namen zur Marina do Parque das Nações. Nicht leicht auszusprechen am VHF, als ich um einen Liegeplatz bat! Ein nächstes Mal würde wohl «Marina Expo» reichen. Wir hatten hierher gezielt, weil a) von hier aus Lissabon leicht und bequem mit Metro, Tram und Bus erkundet werden kann und b) weil es wirklich sehr nah ist bis zum Flughafen für Paddy’s Abflug am Montagmorgen früh. Wie nah, das bewies er dann tatsächlich am Montag, als er in 15 Minuten direkt von der Marina zum Airport mit einem E-Scooter fuhr. Mit allem Gepäck und für 3€ – wirklich sehr bequem. Auch sonst finden wir diese Marina wirklich empfehlenswert und auch das Erlebnis, auf dem Tejo unter der Brücke des 25. April (die «Golden Gate Bridge von Lissabon») durch zu fahren, ist es allemal wert, dann beim wieder-Hinausfahren ein paar Kreuzschläge zu machen. Zumal der Strom ja dann auch helfen sollte, wenn man die Abfahrtszeit entsprechend wählt. Das Expo-Gelände ist weitläufig und architektonisch spannend gestaltet. Und… abends ist man in Fussgänger-Reichweite zur Restaurantmeile am Parque das Nações…
Unser Lissabon-Sightseeing-Tag stand ganz im Zeichen dieser Brücke, nebst den üblichen Verdächtigen, wie einer Fahrt mit dem museumsreifen «Eletrico»-Tram Nr. 28 (oder auch Nr. 12, das deutlich weniger überfüllt ist als die Nr. 28), diversen Ausblicken von den Hügeln über die Stadt und ihren Fluss und natürlich auch Besuchen beim Entdeckerdenkmal und dem Torre de Belém diesmal vom Land aus.
Die Brücke hatte der Skipper unbedingt per Fahrrad befahren wollen, aber sah es dann doch ein, dass dies ein sehr schwieriges Unterfangen werden könnte, als klar wurde, dass sie wirklich die Autobahn A2 von und nach Süden trägt und im Stockwerk darunter den Zug ebenfalls nach Süden. So wurde es zur navigatorisch kniffligen Aufgabe, einen Bus zu finden, mit dem wir die Brücke überqueren und auch wieder zurück fahren konnten. Dass wir dabei auch noch die Statue Cristo Rei besuchten und einen weiteren wunderbaren Ausblick über die Stadt bekamen, war da schon fast sekundär. Die Statue erinnert übrigens sehr an jene von Rio de Janeiro und ist tatsächlich ein Nachbau derselben, der von der Kirche angeregt und teils finanziert wurde als Dank an Gott dafür, dass sich Portugal aus dem Zweiten Weltkrieg heraushalten konnte.
Bei all unseren langen Spaziergängen durch die verschiedenen malerischen Quartiere der Stadt mit ihren unterschiedlichen, aber immer lebendigen Charakteristiken, begleiteten uns immer zwei-drei wiederkehrende Themen: eine gefühlt positive Gelassenheit der Menschen, die hier in teils wohl schwierigen Verhältnissen leben (ein Studienabgänger verdient derzeit pro Monat etwa €900 Mindestlohn, wenn er überhaupt einen Job findet. Für Nichtakademiker gilt ein Mindestlohn von €700. Sehr viele Lissaboner können sich das Wohnen im Zentrum ihrer Stadt nicht mehr leisten.), und gleichzeitig die Bemühungen, Sorge zu ihrer Umwelt und ihrer Stadt zu tragen, was bei der alten und schlechten Bausubstanz der Gebäude schier unmöglich scheint. Deshalb auch an allen Ecken immer der leise Zerfall der wunderschönen Gebäude, weil bei aller Sorge einfach zu wenig Geld da ist, um sie zu unterhalten, geschweige denn zu renovieren. In den engen Gassen muss es auch extrem schwierig sein, vernünftig bauen/renovieren zu können. Und wie in Porto sahen wir öfters auf die Dächer der Stadt hinab und auch da wieder auf viele Schwierigkeiten: die Zugänglichkeit von beschädigten Ziegeln ist da nur das offensichtlichste Beispiel.
Der Aufenthalt in dieser so faszinierenden Stadt hat uns einmal mehr sehr gefallen und gleichzeitig einen Hauch von Verständnis für die Portugiesische «Saudade» gegeben; diese Melancholie, die in der Musik, aber auch in der bildenden Kunst und natürlich auch in der Literatur so allgegenwärtig ist in Portugal.
Und daneben stellen wir – nicht nur in Lissabon – immer wieder fest, mit wie viel Fröhlichkeit, Fantasie und Mut in Portugal Neues gebaut wird. Die Expo-Gebäude, die aus dem Jahr 1998 stammen, sind da sicher ein Beispiel dafür. Oder auch der Bahnhof Oriente mit seinem filigranen Dach.
Es sind diese Kontraste, welche für uns die portugiesischen Städte, die wir bisher besuchen konnten, so spannend machen. Und wir geniessen es auch sehr, bei angenehm warmen Temperaturen durch die Stadt spazieren zu können, einen Kaffee unter uralten Bäumen auf einem der grosszügigen Plätze zu schlürfen, oder uns im Museums-Tram Nr. 28 (oder 24, das übrigens sehr zügig fährt), durch die Stadt schütteln zu lassen.
Am Montagmorgen ganz früh verliess Paddy dann wie schon erwähnt sea magiX nach mehr als 1000 Seemeilen und vielen spannenden und lustigen gemeinsamen Stunden. Es waren 4 schöne Wochen gewesen und ganz besonders dankbar bin ich Dir lieber Paddy für das Mitbringen des schönen Wetters nach Irland (und dass Du es nicht wieder in die Schweiz gebracht hast). In all den vier Wochen hatten wir keinen einzigen Regentag! Dass wir uns dafür gelegentlich zum Bad in 13 bis 16 Grad kaltem Wasser «anregen» liessen, konnten wir durch genügend Gemüsebouillon und Steinpilzrisotto an Bord dann wieder kompensieren. Merci Paddy, hat viel Spass gemacht mit Dir!
Mit dem wie üblich am Mittag aufkommenden Wind (bzw. gegen ihn) und dem ablaufenden Wasser segelten Bänz und ich dann am Nachmittag die wenigen Meilen nach Oeiras, wo wir für diese Nacht einen Platz reserviert hatten und hofften, dass das Ersatzteil-Päckchen dorthin geliefert würde. Diese Marina am Eingang zum Tejo wirkt kleiner als die Marina Expo, aber ebenso professionell, sauber und mit freundlichem Service. Unser Päckchen ist leider noch nicht da, dafür aber die Shakti mit Ekke und Maria. Mit ihnen verbringen wir einen weiteren spannenden Apero-Abend mit viel Erzählen und Austauschen. Schön, dass dies in der Seglerwelt weiterhin möglich ist!