Das Pech wartet bis zum Schluss auf uns

Wir lagen in der Lagune von Faro vor Culatra und hatten uns beim – wie wir dachten – letzten gemeinsamen Ankertrunk gerade darüber gefreut, wie gut wir es in den letzten 3.5 Monaten gehabt hatten. Keine Unfälle, keine Schäden am Schiff, mehr als 3000 gemeinsame Seemeilen auf engem Raum unterwegs und noch immer glücklich verheiratet 😉. Ich entdecke keinen Hochmut in diesem dankbaren Fazit, aber irgendwie müssen wir das Schicksal oder sonst jemanden dabei provoziert haben. Oder vielleicht einfach daran erinnert, dass meine Abreise kurz bevorstand? Im Nachhinein fällt uns auf, dass auch gleich nach meiner Abreise bei der letzten Reise ein Unglück passierte, als Bänz von der portugiesischen Polizei (GNR) gerammt wurde. (https://sy-seamagix.ch/too-close-encounter-with-border-control/)

Wie erwähnt lagen wir am Anker in der Lagune, gut eingefahren mit 2000 Touren, 30m Ankerkette auf ca. 6.5m Wassertiefe bei Hochwasser. Der Skipper sass am Kartentisch, die Crew gönnte sich ein Nickerchen im Vorschiff. Der Wind nahm im Verlauf des Nachmittags zu auf böige 20kn Mittelwind und drehte um ca. 90 Grad auf West, und in der Lagune entwickelte sich gegen Hochwasser eine kurze, ruppige Welle, die gelegentlich durch die vorbei brausenden Wassertaxis verstärkt wurde.

Und da geschah es – ein markerschütterndes Krachen und sea magiX erzitterte bis in die Mastspitze. Wir stürzten beide ins Cockpit in der Erwartung, von einem anderen gerammt worden zu sein. Und brauchten deshalb ein paar Augenblicke, um zu verstehen, dass es zum ersten Mal in mehr als 30 Jahren und nach unzähligen Ankernächten in unterschiedlichsten Verhältnissen wirklich umgekehrt war. Wir hingen mit dem Heck, d.h. mit dem Ruder in der Ankerkette einer anderen Jacht. Und mit jeder Welle kratzte es neue tiefe Abzeichen in unseren Rumpf und am Ruder.

Der Skipper hing am Heckkorb und versuchte verzweifelt, uns vom anderen Boot abzuhalten (und das Ruder zu retten), während ich die dicke Berta zwischen uns quetschte und dann zum Ankerheben hetzte. Leider kam der ganz leicht hoch.

Unterdessen war Pascal (wie wir später erfuhren auch ein Schweizer, aus der Romandie) von einem Nachbarboot ins Dinghi gesprungen und herübergekommen. Er konnte aber nicht viel helfen bei dem starken Wind und ruppigen Wellengang. Wir mussten es wagen, zu versuchen, rückwärts da loszukommen, ohne den Propeller zu verletzen, der zwischen Kiel und Ruder liegt und somit ganz nah an der Ankerkette der anderen Jacht. Auf Kommando des Skippers gab ich Vollgas rückwärts – er stiess ab so gut es ging – und sea magiX löste sich endlich folgsam aus der (viel zu) engen Umarmung. Einige Meter Abstand, dann mal am Ruder drehen: unendliche Erleichterung; mindestens die Steuerung ist noch ganz, auch wenn das Ruder selbst wohl zerkratzt und vielleicht auch stärker aufgebrochen oder sonst beschädigt ist.

Wir drehten eine Runde zurück, um zu checken, ob die andere (derzeit unbewohnte) Jacht sich bewegt hatte – hatte sie nicht – und um von Pascal die Koordinaten des Besitzers zu bekommen.

Beim erneuten Ankern machten wir nichts anders als vorher (ausser dass der Ankertrunk aus Wasser bestand), aber das bisher so starke Vertrauen in unseren «Haken» ist zutiefst erschüttert und der Plotter blieb mit eingeschaltetem Ankeralarm am Laufen. Dann konnten wir durchatmen und den Puls in normalere Höhen zurückkommen lassen. Wir sassen noch eine Zeitlang im Cockpit und starrten ins Leere; der Schock sass tief. Bis heute können wir uns nicht vorstellen, was wir hätten tun können, um das Malheur zu verhindern.

Auch nachdem Pascal an Bord gekommen war und erzählte, dass er am anderen Boot nicht viel an Kratzern und Schäden gefunden hatte, blieb bei uns die Stimmung bedrückt. Sie war ja schon traurig gewesen wegen meiner bevorstehenden Abreise, aber diese Kollision hatte uns noch zusätzlich sehr erschüttert. Logisch schliefen wir schlecht in dieser Nacht. Wir hatten uns die letzte gemeinsame Nacht am Anker in der bis vor kurzem für uns so schönen Lagune anders vorgestellt.

Am nächsten Morgen, als es noch ruhig war in der Lagune, checkte Bänz dann mit Neopren, Taucherbrille und der Go-Pro-Kamera das Ruder und den Rumpf ab. Entwarnung – uff… – das Ruder ist zwar zerkratzt und an der Kante angesplittert, aber es finden sich keine herausgebrochenen Stellen und scheint auch nicht «angebrochen» zu sein. Glück gehabt! Dafür ist das Ausmass der Kratzer an der Bordwand viel grösser und umfassender als wir gedacht hatten. Die ganze hintere Steuerbordseite ist tief zerkratzt; das hatte von oben weniger schlimm ausgesehen. Nur die Delle in der Scheuerleiste hatte uns beeindruckt. Da wird es viele Stunden zu polieren, schleifen und ausbessern geben!

Für den nächsten Tag haben wir einen Platz in der Marina Olhão gebucht (das ist hier auch Ende Saison noch nötig und wird bei unserer Ankunft sofort abgefragt). Um an die verletzte Bordseite zu kommen, wollen wir rückwärts am Fingersteg festmachen. Ohne Bugstrahlruder bei der bestehenden Strömung in dieser Marina sowieso schon ein Challenge. Unser Pech Nummer zwei ist, dass genau in dem Moment, als wir vom Reception Pontoon ablegen können, der Nachmittagswind wieder voll aufdreht – quer zum Bootsplatz… Im dritten Anlauf schafft es der Skipper in die enge Box. Aber leider hängt die schon verletzte Steuerbordseite am Fingersteg an und verpasst sea magiX eine weitere tiefe Schramme. Wir können uns nur noch ansehen und die Köpfe schütteln: was will denn sonst noch schief gehen in diesen letzten Stunden zu zweit?

Nach den diversen Katastrophen haben wir dann aber noch einen versöhnlich schönen Abend in Olhão, gönnen uns einen feinen gegrillten Sea Bass und etwas Vinho Verde und können dann – auch weil das Gespräch mit dem Eigner (zufällig ebenfalls einem Schweizer) des anderen Bootes am Nachmittag in Olhão sehr entspannt gewesen war – nochmals glücklich-traurig auf unsere so wunderbaren 3.5 gemeinsamen Monate an Bord zurück schauen. Es gibt im Rückblick nur ganz wenig, oder eigentlich gar nichts, das wir ein andermal anders machen würden. Was gibt es Schöneres, als nach so langer Zeit ein so positives Fazit ziehen zu können und traurig zu sein über ihr Ende?


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