Der Herbst ist da… Nicht nur im Kalender (heute ist der 2.9.), sondern auch punkto Temperaturen und Wetter. Trotzdem – es ist unglaublich friedlich, gerade. Die Enten und Gänse krächzen (das ist beim besten Willen kein Quaken!), ab und zu flappt eine Miniwelle an die Bordwand, oder die Brise bringt das Rigg zum Vibrieren, und gelegentlich kommt das tiefe Brummen eines dicken Potts draussen auf der Elbe hinzu. Bis vor wenigen Minuten waren das die einzigen, äusserst friedlichen Geräusche hier am Ankerplatz in der Ostemündung. Inzwischen hat sich der Skipper einem der Pendenzenpunkte auf der langen Liste angenommen und zum Frieden kommen nun die Geräusche vom Bohrer, Feilen auf Metall (aua, schlimmer als beim Zahnarzt!), gelegentlichen Seufzern und die Stille von Denkpausen hinzu. Es soll am Steuerstand einen neuen Steckeranschluss geben, der vielleicht dann mal für Geräte wie einen Aussenbildschirm des Plotters genutzt werden könnten (meine Hoffnung), oder das Einstecken des grossen Scheinwerfers oder der Ankerlaterne am Steuerstand ermöglicht (des Skippers Begründung). Aber ich greife vor – seit dem letzten Bericht sind schon wieder einige Tage mit Funkpause vergangen… es ist erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht, auch wenn man ganz viel davon zu haben glaubt.
Von Bremerhaven aus könnte man auch mit dem Boot nach Bremen hinauf fahren. Ich überrede den Skipper aber für die bequemere Variante mit dem Zug. Mit zwei Tagestickets für den ganzen ÖV für insgesamt €11 lassen wir uns per Bus und S-Bahn nach Bremen chauffieren. Die höchste Tourismus-Hochsaison ist vorbei und das Sightseeing gelingt auch wieder sehr gemütlich: Bremer Stadtmusikanten, Dom, Marktplatz mit Rathaus, Bremer Roland, Böttcherstrasse, Martinipromenade, Schlachte (der frühere Hafen und heute ein Gartenbeizenquartier entlang der Weser), das Schnoor-Viertel mit seinen verwinkelten kleinen Häusern und dann wieder zurück zum Marktplatz für einen Kaffee und Kuchen, alles in einem halben Tag ohne Stress.
Wir wollen nämlich noch ein wenig weiter: Bänz hat irgendwo von Vegesack gelesen mit seiner Maritimen Meile. Und von dort aus können wir mit einem weiteren Bus nach Schwanewede gelangen, wo Christine und Thomas von der Danja inzwischen aufgeschlagen sind.
Vegesacks maritime Meile ist für diese Saison wohl schon wieder weggeräumt worden. Im Museumshafen liegen zwar ein paar ältere Schiffe, aber die sind noch nicht oder nicht mehr museumsreif. Bei dem einzigen Buden-Wagen wird gerade die letzte Bier-Harasse eingeladen und dann fällt der Rollladen runter – zu, geschlossen. Unser Rundgang wird kurz; da haben wir wohl etwas falsch verstanden mit der Maritimen Meile. Dafür ist aber dann die Fahrt mit dem Bus durch die grüne Landschaft im kleinsten Bundesland Deutschlands umso schöner. Und der Nachmittag mit feiner Verköstigung und spannenden Gesprächen bei der Danja-Crew dann ebenso. Für uns sehr interessant, denn die beiden hatten wir 2019 kennen gelernt, als sie gerade ihre Reise auf die ganz radikale Tour begonnen hatten: sie hatten sich entschieden, ihr ganzes Hab und Gut auf dem Boot zu konzentrieren, ohne Pied-à-Terre noch irgendwo am Festland. Jetzt, nach 4 Jahren, sind sie wieder zurück und planen mindestens für die nächsten paar Jahre wieder sesshaft zu sein. Es wird ein äusserst spannender Austausch an jenem Nachmittag, und noch dazu ein leckerer. Danke, Euch beiden!
Für den nächsten Tag, Mittwoch, 30.8., sagt Wetterwelt und auch der DWD 3-5 Bft aus SW voraus und die Gewitter sollen erst in der Nacht kommen. Wir wollen den Wind nutzen und lassen uns deshalb – nach viel Büroarbeit am Morgen – noch kurz vor Hochwasser aus dem Hafen schleusen, um mit dem Wind und bald auch mit dem Strom hinauf nach Helgoland zu gelangen. Drohend ziehen sich die Wolken um uns herum zusammen. Ab und zu verschwindet einer der Frachter und Tanker, die hier im gleichen breiten Fahrwasser unterwegs sind, oder auch in jenem leicht südlich nach Wilhelmshaven. Dann hat sie dort gerade eine Regenwolke erwischt. Mit dem Strom wird sea magiX wieder schnell über Grund und es braucht Reffs und Einrollen der Genua – bis der Wind urplötzlich von 4 Bft auf 0-1 abstellt. Wir schauen uns an… das darf doch nicht wahr sein?! Aber es ist so – ab dann läuft der Motor. Gelegentlich stellen wir ab und schauen, ob es nicht doch ein Lüftchen hätte, mit dem wir nach Helgoland kommen könnten, aber geben schnell wieder auf. Nix da. Bei dem Wetterbericht wurde irgendwo eine Klammer übersehen mit «except in…» oder so. Stundenlang motoren wir nordwärts. Als es dann auch noch kurz vor Erreichen der Insel richtig zu regnen beginnt, ist die Stimmung ganz im Eimer.
Umso schöner, dass wir von Heike und Hans von der «Kira» beim Längsseitsgehen sehr freundlich empfangen werden. Zuerst hatten wir es an einem anderen Boot versucht, wurden aber mit dem Hinweis empfangen, dass die Crew am nächsten Morgen um 04h starten möchten, und suchten uns deshalb eine Möglichkeit für eine etwas längere Nacht. Hans und Heike starteten dann am übernächsten Morgen ebenfalls so früh, aber bis dahin hatten wir nochmals verlegt und 2 Stunden gewonnen: unsere neuen Nachbarn wollten am Freitag «erst» um 6h los. Immerhin… Und mit der Kira-Crew ergab sich erneut ein spannender Kontakt: sie sind soeben auf ihre grosse Reise gestartet. Wir werden ihren Weg sicher mit viel Interesse verfolgen!
Helgoland kennen wir nun schon seit mehr als 30 Jahren und es scheint sich – zumindest auf den ersten Blick – seither nicht sehr stark verändert zu haben. Deshalb verziehen wir uns am Mittwoch nach der Ankunft einfach unter Deck, starten die Heizung und machen es uns drinnen gemütlich. Bei dem Regenwetter jetzt noch raus? Nee, das kann warten bis morgen!
Donnerstag steht dann im Zeichen des Nachbunkerns für die letzten 2 Wochen beim Schiffsausrüster Engel, ganz traditionell. Auch Diesel holen wir – vor allem in Kanistern, weil der Skipper den Tank über den Winter nicht voll halten will – und auch für einen kurzen Spaziergang zu den Brutplätzen der Basstölpel und Trottellummen reicht es. Hier waren wir im Juni vor einem Jahr dabei gewesen, als viele Jungvögel gerade aus ihren Eiern schlüpften. Jetzt ist nicht mehr Brutzeit, aber es sind trotzdem noch viele Vogelpaare hier und wir können wieder fasziniert beobachten, wie sie im Durcheinander starten und landen, ohne grosse Karambolagen auszulösen.
Eine grössere Veränderung der Insel stellen wir dann doch noch fest: im Oberland wird intensiv gebaut. Hier ist ein ganzes neues Quartier um den Radarturm entstanden, das wir so von vor einem Jahr nicht in Erinnerung haben. Der Wachstum hängt wohl eher mit dem Wachstum der Windparks rundum zusammen als mit wachsendem Tourismus. Aber immerhin – für Helgoland ist das sicher nicht so schlecht.
Bei Engel hat sich nichts verändert. Wer bei einem Schiffsausrüster an eine Chandlery mit Fendern, Leinen und Schäkeln denkt, liegt auf Helgoland ganz daneben. Die Schiffsausrüster auf Helgoland rüsten die Schiffe vor allem mit Alkohol, Fleisch, Tabakwaren und Parfumerie-Artikeln aus. Helgoland ist ja eine Duty Free Zone. Bei Engel bekommt man auch Mineralwasser und Bierdosen ohne Pfand, was für Reisende ausserhalb Deutschlands von Bedeutung ist. Und: die Mannschaft liefert die Einkäufe direkt zum Schiff, bzw. an den Steg, in dem man im Päckchen liegt. Wir brauchen (leider) für die verbleibende Zeit nicht mehr viel, aber nutzen den Service trotzdem gerne. Insbesondere beim Rum waren wir bei Ebbe angelangt…
Für Freitag, den 1. September sind weiterhin 3-4 Bft Wind angesagt. Wir nutzen die Zeit zwischen der Abfahrt unserer Nachbarn um 6h und unserer geplanten Abfahrtszeit bei Stromkenterung um 08h für eine Dusche und ein gemütliches Zmorge. Die Duschen haben sich in den 30 Jahren ebenfalls noch nicht verändert. Nur geldgieriger sind sie geworden. Gemäss Beschrieb sollte eine 2-€-Münze für 4 Minuten Wasser reichen. Nach 2 Minuten springt die Anzeige aber – mir nichts, dir nichts – von 2’ direkt auf 0. Und stellt ab… Na sowas!
Bei sonnigem Frühherbstwetter geht es dann planmässig los von der Insel in Richtung Elbe. Schon bald kommt der Gennaker hoch. In den schrägen Wellen zu unserem Kurs und bei relativ leichtem Wind ist das Steuern mal wieder knifflig; entweder der Genni will einfallen, oder das Gross schlägt. In der Norderelbe und dann vor allem im Lüchterloch schiebt der Strom so stark, dass der Kurs eigentlich zu vorlich wird für den Genni. Aber – wie so oft – ist hier jetzt gerade kein Platz und zuviel Wind, um ihn herunter zu holen. Er kommt dann erst am Rand des grossen Elbefahrwassers herunter und die letzten Meilen an Cuxhaven und Otterndorf vorbei zur Ostemündung werden wieder gemütlicher.
Genau auf Hochwasser sind wir an der Barre zur Oste. Kurz geht das Echolot auf 5m runter… bei 4.5m Gezeit wäre da ohne Tide nicht mehr sehr viel übrig unter dem Kiel! Bald danach fällt im Pool hinter der Mündung der Anker. Mit fallender Tide kommen allmählich die Sandbänke rundum und vor allem zwischen uns und dem Elbefahrwasser hervor. Möwen spazieren drauf umher. Zwei Robben lassen sich trocken fallen und liegen faul in der Sonne. Draussen ziehen die grossen Pötte im Defilee vorbei; Friede pur.
Es wird ein wunderbar schöner, gemütlicher Abend und auch eine angenehm ruhige Nacht hier am Anker. Auch wenn die Tage unserer Reise allmählich zu Ende gehen – geniessen können wir sie trotzdem noch.